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Bolschoitheater und Revolutionsplatz

Bolschoitheater und Revolutionsplatz

Kasaner Kathedrale

Kasaner Kathedrale

Roter Platz

Roter Platz

Basilius Kathedrale

Basilius Kathedrale

Ismailowski Kreml

Ismailowski Kreml

Gemächlich durch die Zeitzonen - mit Speed durch die Landschaft

Russland - Südkorea - Japan - China - Mongolei

Moskau

Die Nacht war kurz, schließlich gab es am Tag vor meiner Abreise noch einen 60. Geburtstag zu feiern. Aber als ich telefonisch geweckt werde, bin ich schon aufgestanden und beim Rasieren. Das haben wir schon mal schlimmer erlebt, wenn ich an den besagten Flug im Januar denke … Im Bremer Bahnhof treffe ich Anique, sie ist ebenfalls auf dem Weg nach Hamburg, nimmt aber einen anderen Zug. Der Airbus hebt halbwegs pünktlich in Fuhlsbüttel ab und gegen 16.00 Uhr landen wir in Moskau-Scheremetjewo. Russlands Hauptstadt liegt unter einer dicken Wolkendecke. Die Passkontrolle dauert bestimmt über eine Dreiviertelstunde und meine Schlange scheint die langsamste zu sein. Meine Grenzbeamtin hat sich einen Mundschutz umgebunden, ist deshalb relativ schwer zu verstehen und hat die Freundlichkeit nicht erfunden. Endlich aller Kontrollen ledig tausche ich etwas Geld und erhalte für einen Euro rund 60 Rubel. Dann geht es mit dem Aeroexpress ins 30 Kilometer entfernte Zentrum und anschließend vom Bahnhof Beloruskaja mit der Metro zum Ziel. Einmal muss ich die U-Bahn-Linie wechseln und leide beim endlosen Marsch durch die langen unterirdischen Gänge unter dem Gewicht meines Rucksacks doch erheblich. Alfia, eine Mitarbeiterin der Reiseagentur, wartet bereits in der Lobby und händigt mir die reservierten Zugtickets aus. Mein Zimmer im Hotel „Ismailovo Alfa“ befindet sich im 19. Stock. Eine, der englischen Sprache nicht mächtige und sehr unfreundliche, Frau erklärt mir die Handhabung des Safes.

Nach einem guten Frühstück, bei dem wir von einem echten Klavierspieler unterhalten werden, fahre ich anderntags wiederum mit der Metro ins Zentrum und bemühe mich beim Bolschoitheater um eine Karte für die heutige Vorstellung, aber es ist alles ausverkauft. Auch Alfia hat mit ihren Bemühungen keinen Erfolg. Der Rote Platz ist weiträumig bis 15.00 Uhr gesperrt. Später erfahre ich, dass dort eine Zeremonie stattfindet. Vor 70 Jahren war in Russland der Zweite Weltkrieg zu Ende und das muss entsprechend gewürdigt und gefeiert werden. Ab und zu ist Blasmusik zu hören. Auch der Alexandergarten und der Manegenplatz sind momentan nicht zugänglich. In der Ferne leuchtet die goldene Kuppel der Christ-Erlöser-Kathedrale. Pünktlich wird der Zaun entfernt und die Zuschauer, vorneweg Veteranen in Uniform, stürzen durch das Auferstehungstor auf den schönen Platz. Handwerker sind dabei, die Zelte abzubauen. Links die Kasaner Kathedrale und das legendäre Kaufhaus GUM, rechts das Lenin–Mausoleum zwischen dem Erlöser- bzw. Spasskij- und dem Nikolaus–Turm und gegenüber in der Mitte besagte Kirche mit den wunderschönen Zwiebeltürmen. In der Basilius-Kathedrale bleibe ich nur kurze Zeit, dafür sehe ich sie mir von draußen immer wieder an und bin begeistert von den Formen, von den Farben und der Anordnung der Türme, selten hat mich ein Bauwerk so fasziniert. Iwan der Schreckliche, so lese ich im Reiseführer, ließ die Baumeister nach Fertigstellung blenden, damit sie nie mehr in der Lage waren, noch einmal ein so außergewöhnlich schönes Bauwerk herzustellen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Roten Platzes sieht man das Historische Museum. Seitlich an der Kremlmauer befinden sich drei der insgesamt 18 Türme.
Im Kaufhaus GUM bemühe ich mich, ohne Erfolg, um eine Batterie für meine Armbanduhr. Beim Fahren mit der Metro merke ich, dass mir die kyrillischen Buchstaben doch mehr Mühe als erwartet bereiten. Alle Ansagen und Einblendungen erfolgen ausschließlich in russischer Sprache. Viele Menschen, die ich anspreche, verstehen kein Englisch und können mir deshalb nur bedingt weiterhelfen. Dafür meint es aber der Wettergott besonders gut und ich schätze, dass über 25 Grad auf dem Thermometer angezeigt werden. Abends halte ich mich in der Hotelgegend auf, außer meinem gibt es auch noch die gleichnamigen Häuser mit den Zusätzen „Beta“, „Gamma“ und „Delta“. Eine hübsche Frau verspricht mir eine aufregende Nacht, auch später im heimischen Foyer wird mir ein entsprechendes Angebot unterbreitet.

Den letzten Tag vor der Abfahrt verbringe ich ruhig, besuche den nahen Ismailowski Park mit seinen Spielplätzen, Karussells und Hüpfburgen. Aber auch ein Riesenrad und ein See, auf dem gerudert werden darf, schmücken die Anlage. An einer Wand hängen Bilder, die u.a. den Einmarsch der russischen Soldaten in Berlin zeigen, ob das in der heutigen Zeit wohl noch angemessen ist? In der Ferne lockt der Ismailowski Kreml mit seinen bunten Fassaden und Holzgebäuden. Langsam schlendere ich dorthin und beobachte viele Hochzeitspaare, die in riesigen Limousinen heranchauffiert werden, um sich hier fotografieren zu lassen. Im Kreml selbst gibt es ein Touristenbüro und zahlreiche Souvenirshops, Fotoläden etc.

In einem nahen Kaufhaus habe ich Glück und ein Uhrmacher setzt mir eine neue Batterie in mein Chronometer ein, danach esse ich eine Kleinigkeit und ruhe mich etwas in der Hotellobby aus. Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn plötzlich werde ich von einem Security unsanft geweckt. So schnappe ich mein Gepäck und fahre zum Jaroslawer Bahnhof, mit der Metro, versteht sich, schließlich habe ich noch ein paar Fahrten auf meiner Chipkarte frei. Doch auch auf dieser Strecke muss einmal umgestiegen werden und ich bin froh, als ich endlich das Ziel erreiche.

Die Fernreisezüge werden draußen etwas abseits des Hauptgebäudes abgefertigt. Auf dem Dach prangt ein großes Schild mit Hammer und Sichel. Eine riesige Tafel zeigt an, auf welchem Bahnsteig der jeweilige Zug abfährt – aber erst eine gute halbe Stunde vorher. Mich stört es nicht, im Gegenteil, ich genieße die Vorfreude, trinke ein Bier und freue mich in dieser lauen Sommernacht auf die nächsten Tage. Viele Jahre hatte ich von dieser Reise geträumt. Einmal die Traditions- oder Kultstrecke von Moskau bis Wladiwostok mit der Transsibirischen Eisenbahn ist ein Wunsch, der immer an Stärke gewonnen hat. 1987 war ich von Peking bis Moskau gefahren, allerdings direkt und ohne Zwischenstopp, abgesehen von den 20-minütigen Aufenthalten auf den einzelnen Bahnhöfen. Damals musste ich die transmandschurische Strecke wählen, denn für die Mongolei hätte ich ein Visum benötigt, und das war aus Zeitgründen nicht möglich. Gern denke ich an diese Fahrt zurück, sie war für mich ein einmaliges Erlebnis. Kurz vor Mitternacht steht der Zug Nr. 100 zum Einstieg auf Bahnsteig drei bereit.

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