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Fußballbegeisterung in Oslo

Fußballbegeisterung in Oslo

über Spitzbergen

über Spitzbergen

Funken Lodge

Funken Lodge

warten auf den Winter

warten auf den Winter

im Camp Barentz

im Camp Barentz

arktische Schönheit

arktische Schönheit

man mag den Blick gar nicht abwenden

man mag den Blick gar nicht abwenden

Landgang am Magdalenenfjord

Landgang am Magdalenenfjord

neugieriger Seehund

neugieriger Seehund

80 Grad Nord

80 Grad Nord

in Ny-London

in Ny-London

Hotel in Ny-Alesund

Hotel in Ny-Alesund

Munch Museum

Munch Museum

Königsschloss

Königsschloss

Hansehäuser am Bryggen

Hansehäuser am Bryggen

Blick vom Floyen

Blick vom Floyen

Stabkirche in Fantoft

Stabkirche in Fantoft

Abendstimmung in Bergen

Abendstimmung in Bergen

Spitzbergen

das arktische Abenteuer

Svalbard

Wird es in diesem Jahr klappen? Lässt es die Pandemie zu? Ist Corona gnädig zu uns? Diese Fragen beschäftigen mich im Frühling 2022. Eigentlich wollte ich die Reise im Juni 2020 antreten, sie wurde aus bekannten Gründen abgesagt, doch während einer Fahrt über die Romantische Straße erhielt ich von Hurtigruten die Mitteilung, dass eine Expedition im August vorgesehen und ein Platz auf dem Schiff für mich reserviert sei. Also schnell zurück nach Hause, Flüge nach Oslo und Longyearbyen buchen und dann mag das arktische Abenteuer beginnen.

Wir fliegen von Oslo nach Tromsø, gehen hier durch die Passkontrolle und fliegen dann unserem Ziel entgegen – so denken wir. Unter uns liegt eine fantastische Berg- und Schneewelt, das europäische Festland haben wir hinter uns gelassen, Spitzbergen nähert sich, man sieht riesige Gletscher und Bergkuppen, die aus dem Schnee herausragen, und dann wird es neblig, der gesamte Archipel wird von einem Bodennebel bedeckt, eine Sicht ist nicht mehr möglich und nach einigen Versuchen wird unser Pilot aufgefordert, zurück nach Tromsø, dem Tor zur Arktis, zu fliegen. Und hier erhalten wir die schon von einigen Mitreisenden kommunizierte Information, dass die Expedition wegen Covid 19 abgesagt oder verschoben werden muss, allerdings hätten wir die Möglichkeit, am nächsten Tag nach Longyearbyen zu fliegen, aber was soll ich in dieser Kleinstadt vier lange Tage lang anstellen? Zähneknirschend verschiebe ich die Reise auf nächstes Jahr und verbringe noch ein paar Tage in der norwegischen Hauptstadt. Aber, alle wissen es, auch die Expedition im Sommer 2021 fand nicht statt.

Nun also ein neuer Versuch, eine Impfung und ein aktueller höchstens 72 Stunden alter Coronatest werden vorausgesetzt, man kann sich aber auch vor der Einschiffung testen lassen, eine Gesundheits-Deklaration wie 2020 ist nicht mehr nötig, wohl aber das Schiffsmanifest, wo unter anderem Kontaktdaten für Notfälle angegeben sind, ich hatte es schon Wochen zuvor digital ausgefüllt und an Hurtig gesandt.

Am 28. Mai geht es via Amsterdam nach Oslo, die Hektik in Schiphol hätte ich mir gern erspart. Mein Hotel kenne ich schon vom letzten Versuch, es liegt nicht weit vom Bahnhof in der Nähe der Domkirche oder der prächtigen Karl Johans Gate, die zum Schloss führt. Ich bleibe den gesamten Abend draußen, genieße das hervorragende Wetter, staune über die mediterran anmutende Geschäftigkeit und freue mich auf die nächsten Tage. Nie hätte ich gedacht, dass so viele Menschen sich für das CL-Endspiel, das hier auf großen Leinwänden übertragen wird, interessieren und in zumeist Liverpool-Trikots unterwegs sind. Die E-Roller nerven genau wie vor zwei Jahren.

Um vier Uhr klingelt anderntags der Wecker, schnell zum Bahnhof und dann mit dem Zug nach Gardemoen, als Senior zahle ich nur den halben Preis. Im Domestic-Bereich sind alle Geldautomaten außer Betrieb, so gehe ich in den internationalen Abfertigungsbereich, finde allerdings auch hier keine Abhebemöglichkeit und muss dann noch einmal durch die nervige Sicherheitskontrolle. Seit ich ein künstliches Knie habe, werde ich meistens wie ein Verbrecher gecheckt. Wiederum müssen wir in Tromsø durch die Passkontrolle, allerdings zweimal, da eine Tür nicht verschlossen war, und beim Weiterflug nach Spitzbergen habe ich das Glück, an einem Fenster zu sitzen und noch einmal die prächtige Naturlandschaft auf mich einwirken zu lassen. Gesichtsmasken sind auf den Flügen nicht mehr verpflichtend. Pünktlich um 12:00 Uhr mittags liegt Svalbard unter uns, dicke Eisschollen spiegeln sich im Sonnenlicht. Am Flughafen warten schon die Flybusse, um uns in das jeweilige Hotel zu bringen, in meinem Fall in die „Funken Lodge“.

Nun bin ich also am Ziel meiner Träume, in Spitzbergen, einer norwegischen Inselgruppe im Nordatlantik und im Arktischen Ozean gelegen, angekommen. An einem Ort, wo die Sonne fünf Monate, von Mitte April bis Mitte August nicht untergeht, die Polarnacht vom 26. Oktober bis zum 16. Februar dauert, wo es keine Bäume gibt und weniger als zehn Prozent der Landmasse von Vegetation bedeckt ist, wo nicht eine Katze existiert, um die Vogelwelt nicht zu gefährden und wo 2008 das „Global Seed Vault“ eröffnet wurde und Proben von Samen aus aller Welt enthält. In dieser Art Arche Noah, 1.300 Kilometer vom nördlichen Polarkreis entfernt, wird Saatgut sicher verwahrt. Bis zum Nordpol sind es rd. 1.000 Kilometer, bis zum norwegischen Festland und Grönland über 600 Kilometer. Bei Svalbard, übersetzt „kühle Küste“, handelt es sich um einen aus über 400 Inseln und Schären bestehenden norwegischen Archipel, der in unserem Sprachgebrauch als „Spitzbergen“ bezeichnet wird, dies ist allerdings der Name der Hauptinsel. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Svalbard zur Ausbeutung der reichen Kohlevorkommen gegründet, heute gilt die Inselgruppe auch wegen seiner Arktisforschung als größtes Labor der Welt.

Der Tourismus hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, so wird der Hauptort Longyearbyen von durchschnittlich 30.000 bis 70.000 Touristen jährlich besucht, je nachdem, welcher Quelle man glaubt. Etwa 2.100 Einwohner von über 2.400 der gesamten Inselgruppe wohnen hier permanent. 1906 vom Amerikaner Longyear als Bergarbeitersiedlung gegründet, sind hier mittlerweile 40 Nationalitäten vertreten und dem Ort wurde der Titel „internationales Gemeinwesen“ verliehen. Kohleabbau wird nur noch in geringem Maße betrieben. Ein Ausläufer des Golfstroms sorgt für ein etwas milderes Klima, Fjorde frieren im Winter nur zeitweise zu und die Temperaturen in der Hauptstadt bewegen sich durchschnittlich zwischen minus 15 und plus sechs Grad. Im Winter kann es auf den Inseln bis zu 25 Grad minus kalt werden.

Nach dem Einchecken wandere ich durch den Ort und stelle mit Erstaunen fest, dass es hier an fast nichts mangelt, so gibt es eine Kirche (die nördlichste der Welt), ein Krankenhaus, drei Kindergärten, ein Museum, mehrere gastronomische Betriebe, eine Universität und viele Besucher oder Einheimische, die es sich in der strahlenden Sonne gemütlich machen, das Thermometer ist auf 15 Grad gestiegen, Schmelzwasser stürzt in schmalen Bächen von den Bergen herunter. Vor den zumeist auf Stelzen errichteten Holzhäusern parken mit Planen abgedeckte Motorschlitten, sie werden im Moment nicht benötigt. Im Hotel stehen Pantoffeln bereit, es wird gebeten, die Schuhe auszuziehen. Beim Abendessen lerne ich Caroline und Alister aus Schottland kennen, wir werden uns in den nächsten Tagen mit dem einen oder anderen Getränk zuprosten. Das Abendessen, eine Suppe, ist eher spartanisch, dafür ist es in der Bar umso gemütlicher, hier versuche ich das Svalbard- oder Isbjørn- (Eisbär) Bier. Bezahlt wird nur mit Karte.

Mit zwei Bussen fahren wir am nächsten Morgen durch den Ort bis zum etwa 15 Kilometer entfernten Camp Barentz, einige Hundegespanne kommen uns entgegen, Gänse und Enten haben es sich auf dem Wasser gemütlich gemacht, eine still gelegte Kohlemine liegt am Wegesrand. Das Wildniscamp liegt im Adventstal in der Tundra. Während unseres Besuchs werden wir, wie auch bei allen späteren Landgängen, von einem Guide mit Signalpistole und Gewehr begleitet. Gespannt gehe ich zu den Hundehütten, aber sie sind derzeitig nicht bewohnt. Außerhalb des Ortes existieren keine Straßen mehr, fortbewegt wird sich mit Booten oder Motorschlitten. Unsere Begleiter informieren am offenen Feuer in einer Hütte über den Entdecker Spitzbergens, den niederländischen Seefahrer Willem Barentz, erklären, dass hier früher nur Männer lebten und berichten über den König der Insel, den Eisbären, rund 3.000 Tiere dieser Art sollen auf Svalbard leben. Zurück im Ort bleibt uns noch eine gute Stunde Zeit für den Besuch des Museums, das sich im Polarinstitut befindet.

Und dann, endlich, fahren wir zum Hafen, zeigen den Impfpass und das Testergebnis, einige lassen sich hier noch testen, und betreten erwartungsvoll die „Nordstjernen“, die 1956 erstmals in Betrieb ging. Meine Koje im A-Deck, also an unterster Stelle, verfügt leider nicht über ein Fenster oder Bullauge, aber über ein Ober- und Unterbett und Waschbecken. Dusche und WC auf dem Gang muss ich mit anderen Gästen teilen. Das Oberbett dient mir als Kofferablage, ich frage mich, wie es möglich ist, in dieser kleinen Zelle zu zweit mit Gepäck unterzukommen. In drei verschiedenen Salons werden uns Amélie, die Chefin, und die anderen Guides vorgestellt und Informationen über die nächsten Tage erteilt. Wir sind rund 100 Gäste und in drei Gruppen unterteilt: der Englisch-, der Französisch- und der Norwegisch sprechenden, ich gehöre zu ersterer. Morgens um neun Uhr werden wir zur Tagesbesprechung in den jeweiligen Salon gebeten. Unsere drei Mahlzeiten nehmen wir am zugeteilten Tisch ein, an unserer Tafel sitzen Gil und Anna aus Dänemark, mit denen ich später relativ viel Kontakt haben werde, ein Paar aus Österreich und zwei Deutsche. Viele der Gäste haben wertvolle Kameras dabei, einige scheinen mehr als 50 Zentimeter lang zu sein. Tagsüber scheint die Sonne, gegen Abend wird es neblig und man hat den Eindruck, eine riesige Wolkenwand vor sich zu haben. Ein paar Möwen begleiten uns, einmal erkenne ich einen Seehund im arktischen Meer.

Gemächlich tuckert das betagte Schiff durch den Isfjorden, erlaubt einen Ausblick auf eine total einmalige Sicht auf schneebedeckte Berge, die sich im Wasser spiegeln, auf riesige Gletscher, passiert ein paar kleine Buchten, lässt die 86 Kilometer lange Insel „Prins Karls Forland“ steuerbord neben sich liegen und am nächsten Morgen ist unser erstes Ziel erreicht: der Magdalenenfjord in Albert-I-Land, im äußersten Nordwesten des Archipels.

Sechs oder sieben Personen passen in das Boot, das uns an Land bringt, immer wieder erklärt man uns, in der Gruppe zu bleiben. Leider habe ich heute Probleme, den Worten unserer Begleiterin zu folgen. Dieser acht Kilometer lange und bis zu fünf Kilometer breite Fjord ist ein beliebter Anlaufpunkt der Kreuzfahrer. Hier ging Barentz 1596 als erster an Land. Einige Gletscher sind zu bewundern – und ein kleiner „Badestrand“. Ein Zaun sorgt dafür, dass die zahlreichen Besucher die Natur nicht zerstören. Früher befand sich hier eine Walfangstation, in Gravneset (dtsch.: Gräberfeld) wurden die Fischer begraben. In langen Reihen spazieren wir hintereinander durch den hohen Schnee und werden immer wieder ermahnt, auf dem Pfad zu bleiben. Doch ich weiß es besser, gehe daneben auf vermeintlich festen Schnee und sinke bis auf die Oberschenkel ein. Freundliche Mitreisende helfen mir auf die Beine. Und tatsächlich: zwei Personen baden im arktischen Wasser, am letzten Tag, kurz vor der Ausschiffung, werden Sie eine Urkunde erhalten. Bläulich schimmernde Eisschollen bilden ein wunderbares Fotomotiv. Später an Bord stellen wir unsere nassen Schuhe vor den Maschinenraum, später werden sie dort zum Trocknen gelagert. Auf den Fluren hängen die feuchten Bekleidungsstücke.

Nachmittags haben wir unser Erfolgserlebnis und erkennen ein Walross auf einer Eisscholle, seine Stoßzähne sind hin und wieder gut zu erkennen. Diese größte Art der Robbengattung kann über drei Meter lang und fast zwei Tonnen schwer werden. Sie können bis zu 400 Meter tief tauchen und über 40 Minuten unter Wasser bleiben. In Smeerenburg gehen wir erneut an Land, hier versinkt eine Frau im Schnee und verliert ihren Stiefel, der dann von unserer Begleiterin mühevoll herausgeschaufelt wird. Auch hier befand sich früher eine Walfangstation. Nach dem Abendessen versammeln wir uns alle auf dem Achterdeck, denn es gibt etwas zu feiern. Wir haben den 80. Breitengrad Nord überquert, sind genau 1.112 Kilometer vom Nordpol entfernt, und darauf muss mit einem Glas Sekt angestoßen werden, natürlich ist es immer noch taghell. Von nun an geht es wieder südwärts.

Einen guten Blick haben wir auf den riesigen Lilliehöökbreen, einen Gletscher mit einer über zehn Kilometer langen Abbruchkante. Allerdings soll er in den letzten 100 Jahren 40 Prozent seines Volumens verloren haben, entstanden aus dem Zusammenfluss von mehr als zehn kleineren Gletschern. Der Cadiopynten ist unser nächstes Ziel, ein Vogelfelsen, wo u.a. Eismöwen, Lummen oder Gänse anzutreffen sind. Unsere österreichischen Gäste haben einmal auch Papageientaucher beobachtet, ich habe keinen dieser schönen Vögel gesehen, kenne sie aber von Island. Bei Camp Zoe im Krossfjord streifen wir wieder unsere Schwimmweste über und steigen ins Boot. Rentiere grasen auf der Tundra, zwei Schneehühner fliegen aufgeregt davon, die ersten kleinen Blumen quälen sich durch den harten Boden. Ein Eintritt in die Hütte bleibt uns verwehrt, Wissenschaftler und Bewohner aus Ny-Ǻlesund ziehen sich hierher zurück. Wir wandern über ein paar Hügel und kehren dann auf die Nordstjernen zurück. Dann haben wir großes Glück und können in der Ferne einen Polarfuchs erkennen und beobachten.

Nun ist es nicht mehr weit bis Ny-London auf einer Insel im Kongsfjord. Hier gründete der Engländer Ernest Mansfield im Jahre 1911 die Northern Exploration Company Ltd., ließ Maschinen herschaffen, eine Eisenbahn errichten und Marmor abbauen, etwa 70 Personen lebten hier damals. Doch dann das Unfassbare: der Marmor war unbrauchbar, er ließ sich in Europa angekommen nicht verwenden, da er dem Permafrost ausgesetzt war und zerbröselte. Ny-London ist quasi eine Ruinenstadt geworden, Reste der Gleise und der Eisenbahn sind als Relikte der Vergangenheit zu besichtigen, ein paar der Häuser wurden in Ny-Ǻlesund, unserem nächsten Ziel, neu aufgebaut. Heute haben wir einen männlichen Guide und ihn verstehe ich wesentlich besser, so ist mir eine Geschichte in Erinnerung geblieben: ein Baby wird geboren und mangels anderer Möglichkeiten überwiegend mit Walfett ernährt. Bei einer späteren ärztlichen Untersuchung hatte das Kind nur ausgezeichnete Blutwerte, das soll einer verstehen!

Unseren letzten Landgang unternehmen wir in Ny-Ǻlesund und zum ersten Mal während dieser Reise brauchen wir keine Boote, sondern steigen direkt von Bord auf festen Boden. Nun sind wir also in der nördlichsten Siedlung der Welt, je nach Jahreszeit leben hier zwischen 30 bis 150 Menschen. Früher wurde hier Kohle abgebaut, heute ist der Ort ein Zentrum für internationale Klima- und Polarforschung, deshalb werden wir auch gebeten, unsere elektronischen Geräte in den Flugmodus zu setzen. Insgesamt werden hier zwölf Forschungsstationen aus neun verschiedenen Ländern, auch aus Deutschland, unterhalten. Auf einem Lehrpfad kann man sich über Flora, Fauna, Geschichte und Forschung informieren. Wir schlendern gemächlich durch die Siedlung, schauen uns das Hotel an, besuchen das Museum und stehen vor den schon erwähnten Londonhäusern, die hier nach dem 2. Weltkrieg aufgebaut wurden und als Wohnung oder Sitz der niederländischen Universität Groningen dienen. Beliebtes Fotomotiv ist der 1909 in Berlin gebaute alte Zug, der früher die Kohle von den Minen zum Hafen transportierte.

Und dann geht es zum letzten Mal auf die Nordstjernen. Ein eigenartiges Gefühl beschleicht mich, traurig, dass sich eine Reise, von der ich ein paar Jahre geträumt hatte, dem Ende neigt, enttäuscht, da wir wohl in den nächsten Stunden keinen Eisbären mehr sehen werden, und dennoch dankbar und froh, eine solch einmalige Natur erlebt zu haben, ein dermaßen fantastisches Stück Erde bereisen zu dürfen. Dann wird es Zeit für die Koje.


Pünktlich um 10:00 Uhr erreichen wir Longyearbyen, versammeln uns gemeinsam in einem Salon und werden vom Kapitän und der gesamten Mannschaft herzlich verabschiedet, sogar mit einem Ständchen. Anschließend werden uns die Urkunden „Polar Hero Certificate I crossed 80 Degrees North“ ausgehändigt. Die liebe Sonne zeigt sich von ihrer besten Seite, als ich in den Flybus steige, der mich wiederum in die Funken Lodge bringt. Später unternehme ich ein paar Spaziergänge durch den Ort, freue mich über ein Rentier, das seelenruhig im Zentrum nach Futter sucht. In einem Gartenlokal treffe ich Anna und Gil wieder, wir trinken etwas zusammen und ich höre, dass sie mit ihrem Hotel unzufrieden sind und sich bereits beschwert haben. Auf dem Rückweg staune ich über einen Container der Firma Hanjin, denn diese Firma ist seit Jahren insolvent. Beim Abendessen unterhalte ich mich länger mit einer Familie aus Posen und danach in der Bar bin ich doch erstaunt als ich aus dem Fenster schaue, der vor vier Tagen komplett verschneite Hang ist nur noch halb vom Schnee bedeckt.

Im Flughafen müssen wir anderntags selber an einem Computer-Terminal einchecken, irgendwann klappt es auch. In Tromsø müssen wir natürlich wieder durch die Passkontrolle, heute sogar mit sämtlichem Gepäck, das Thermometer zeigt 16 Grad, bei Ankunft in Oslo ist es sogar noch ein Grad wärmer. Im Bahnhof der Hauptstadt bemühe ich mich um eine Fahrkarte nach Bergen, denn diese Zugfahrt wurde mir mehrmals empfohlen. Aber alle Schalter sind geschlossen und glücklich nehme ich die Hilfe einer freundlichen Dame an, die eigentlich hier ankommende Flüchtlinge unterstützt. Auch die Mitarbeiterin im P-Hotel bemüht sich redlich, damit ich ein Hotel in Bergen finde. Den Rest des Abends verbringe ich in der „Svanen Cocktailbar“, wo ich vor Tagen auch schon eingekehrt war. Zwei Niederländer setzen sich neben mich, auch sie wollen in die alte Hansestadt reisen.

Am nächsten Morgen frühstücke ich im Bahnhof, gehe gesättigt zur nahe gelegenen Neuen Oper und besichtige dann das benachbarte Munch Museum. Das Gebäude gefällt mir, 13 Stockwerke hoch, wunderbare Aussichten auf die Stadt und natürlich die Bilder, die der Maler 1940 der Stadt vermachte. Es erstaunt mich, dass die Toiletten geschlechtsneutral sind, das hatte ich früher in anderen Gebäuden in Norwegen auch schon gesehen. Wieder draußen wundere ich mich über ein paar Musikkapellen und erfahre, dass hier heute ein Treffen der Marschbands anberaumt wurde. So verweile ich hier und genieße die Musik. Die beste Band erlebe ich vor der Universität. Auch heute habe ich das Gefühl, in südlichen Sphären zu sein, Kinder baden im Wasser und auf der Karl-Johan-Gate herrscht ein Treiben, das mich an den Bremer Freimarkt erinnert. Nachdem ich mir noch das Königsschloss von außen angesehen habe gehe ich zum Hotel zurück, nehme mein Gepäck auf und mache mich auf den Weg zum Bahnhof.

Diese Fahrt mit der Bergen-Bahn wurde mir schon häufiger empfohlen, sie dauert knapp sieben Stunden, Sitzplätze werden zugewiesen, der Zug ist aber relativ leer und im Bordrestaurant kann ich mich an einen Tisch setzen. Lange Zeit sehen wir den Drammenselva, einen Fluss, links oder rechts neben uns. Der Verzehr von Alkohol ist nur im Speisewagen erlaubt. Ab Geilo wird es gebirgiger und touristischer, der erste Schnee leuchtet in der Abendsonne, und in Finse fahren wir durch eine totale Winterlandschaft, das Thermometer fällt von plus 25 Grad in Oslo auf neun Grad. Auch im 866 Meter hohen Myrdal glaube ich, in einem Wintermärchen zu sitzen, reißende Wasserfälle stürzen von den Bergen ins Tal. In Voss ist der Zauber vorbei, jetzt verstehe ich, warum mir dieser Turn so nahe gelegt wurde. Gegen 23:20 Uhr erreichen wir Bergen – und es ist immer noch hell. Im „Comfort Hotel Bergen“ werde ich die nächsten zwei Nächte verbringen, warum die Bezeichnung „Comfort“ verwendet wird, will sich mir nicht erschließen. Mein Zimmer gleicht einer Gefängniszelle, ein Bett, kein Schrank oder Sideboard, kein Tisch, lediglich ein Fernseher – und das für einen meiner Ansicht nach horrenden Preis. Dafür lässt das Frühstücksbuffet keine Wünsche offen und die Lage des Hauses ist auch nicht schlecht, in fünf Minuten ist man am Torget, am Fischmarkt.

Bei Bergen, mit gut 285.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt des Landes, Oslo hat knapp 700.000, handelt es sich um eine alte Hansestadt. Gerade am Bryggen zeugen die bunten Holzhäuser von der früheren Pracht. Obwohl die Stadt mit ihrem reichlichen Regen kokettiert, strahlt die Sonne heute wieder und schert sich nicht darum. Ein paar Male hatte ich Bergen früher besucht, mir u. a. das Festungsmuseum „Bergenhus“, das Hanseatische Museum und die Håkonshalle angesehen und war mit der Standseilbahn Fløibanen auf den gut 300 Meter hohen Hausberg Fløyen gefahren. Und dieses Erlebnis gönne ich mir heute wieder, vor allem, weil das Wetter so gut mitspielt. Eine lange Schlange wartet vor der Bahn auf die Abfahrt. Oben angekommen bin ich auch heute wieder begeistert von der Aussicht auf die Stadt, das Wasser und die gesamte Umgebung. Ein paar Ziegen liegen auf dem Weg und lassen sich von den Kindern gerne streicheln.

Mit der Tram geht es zur Stabkirche Fantoft, die nahe an der Haltestelle „Paradis“ liegt, an „Florida“ waren wir schon vorbei gekommen. Die hier 1998 wieder aufgebaute Holz- oder Stabkirche wurde ursprünglich 1150 erbaut und hat die typischen Drachenköpfe. Leider hatte ich vergessen, dass es relativ steil hinaufgeht. Zurück in der Stadt gehe ich wieder zum Bryggen und speise am Fischmarkt gegrilltes Walfleisch. Abends halte ich mich vorwiegend in dieser Gegend auf und bedauere wieder einmal, dass in den meisten Lokalen Selbstbedienung angesagt ist.

Gegen Mittag des nächsten Tages fahre ich mit der Straßenbahn zum Flughafen, checke ein und warte auf den Abflug. Dann die stimmungstötende Ansage: der Flug verzögert sich und der Anschluss von Amsterdam nach Bremen kann heute nicht mehr bedient werden. Morgen früh um 6:25 Uhr geht es weiter. Etwas missmutig nehme ich die neue Bordkarte, den Gutschein für einen Burger und ein Softgetränk und die Hoteleinweisung vom Mitarbeiter entgegen. Die letzte Nacht werde ich im Flughafenhotel „Clarion“ verbringen.

Nach dem Abendessen bleibe ich im Foyer, setze mich ans Fenster, trinke ein überteuertes Bier und denke über die letzten Tage nach: eigentlich habe ich eine interessante und einmalig schöne Reise hinter mir, was bedeutet dann schon eine Nacht mehr in einem Hotel in Bergen …


Fazit


Wie oben aufgeführt, erhielten wir in Longyearbyen sowohl im Camp Barentz als auch im Museum ausführliche Informationen über Eisbären und erfuhren, dass sie per anno 50 bis 75 Robben zum Überleben brauchen, ein männlicher Bär 240 bis 300 cm lang wird und bis zu 500 Kilogramm wiegt, ein weibliches Tier 180 bis 240 Zentimeter. Seehunde werden aus einer Entfernung von vielen Kilometern gerochen und selbst unter einer ein Meter dicken Eisschicht aus einem Kilometer. Sie können bis zu acht Monaten ohne Futter überleben. Dementsprechend wurde natürlich unsere Erwartung gesteigert, ein paar dieser Tiere zu erleben, aber aufgrund der Erderwärmung ziehen die Polarbären immer weiter nordwärts.

Im Jahr 2020 und 2021 wurde die Expedition von Hurtigruten abgesagt, dadurch steht mir eine Gutschrift von über 300 Euro zu, die ich nach Ankunft in Deutschland geltend mache und in weniger als einer Woche auf meinem Konto finde.

In verschiedenen Beschreibungen wurden Dienstleistungen angeboten, aber nicht erfüllt:

- kein Stiefelverleih an Bord, wohl aber kann ein Schutzanzug geliehen werden
- ein roter Hurtigruten-Anorak wurde nicht verschenkt
- eine Trinkflasche ebenfalls nicht
- deutsche Sprach-Übersetzungen waren nicht im Angebot
- ein professioneller Fotograf war nicht an Bord

Dass wir die russische Bergarbeitersiedlung Barentsburg aus politischen Gründen nicht besuchen werden, wurde uns ein paar Wochen vor Abreise mitgeteilt.

Trotzdem empfehle ich diese Reise jedem, der daran Interesse hat – ohne wenn und aber – und Bargeld habe ich nicht einmal gebraucht!

Ein kurzes Video über diese Expedition kann bei YouTube unter

https://youtu.be/X4DXDK_RhY8

eingesehen werden, viel Spaß dabei!

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