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Rathaus in Breslau

Rathaus in Breslau

Warschau - Krakau - Breslau

Durch Polen mit der Eisenbahn

Breslau

Wroclaw, wie die Stadt jetzt in Polen heißt, zählt gut 630.000 Einwohner und liegt an der Oder im ehemaligen Schlesien. Die Bahnfahrkarte kostet 2.970 Zl., gut 270 Kilometer sind zu bewältigen.

Seit meiner frühesten Kindheit sind mir die Namen Schlesien und Breslau ein Begriff, denn wir hatten in den fünfziger Jahren Kriegsflüchtlinge aus diesem Teil des Deutschen Reichs, aus Stolz, in unserem Haus aufgenommen und sie haben viel über ihre alte Heimat erzählt. In den nächsten Tagen versuche ich deshalb immer wieder, Hinweisen aus der Vorkriegszeit zu begegnen, aber ohne Erfolg, alles, was ich an alten Schildern aufspüre, ist in polnischer Sprache.

Hotel "Wroclaw" heißt mein letztes Quartier auf dieser Reise, eine Übernachtung kostet stolze 98.000 Zl. Es ist sehr komfortabel und hat einen Telefonanschluss auf dem Zimmer. Ich versuche, daheim anzurufen, warte geschlagene vier Stunden auf die Vermittlung des Gesprächs und gehe dann resigniert hinaus. Ob es später durchgestellt wurde, ist mir nicht bekannt. An der Hotelbar halten sich ausschließlich westeuropäische Männer auf, einige von ihnen spendieren einheimischen Schönheiten ein Getränk.

Auch hier mache ich den obligatorischen Stadtrundgang und besichtige zunächst das Gotische Rathaus und das darin befindliche Stadtmuseum. Anschließend gehe ich zum Schloss, gebaut unter Friedrich dem Großen, und zur Schlosskirche. Nachdem ich mir weitere Sehenswürdigkeiten angeschaut habe, spaziere ich eine längere Zeit an der Oder entlang. Ein Besuch des Nationalmuseums wird mir leider nicht ermöglicht, es ist geschlossen.

Beim Bummel über den Markt wundere ich mich über die gesalzenen Obstpreise, zwar hatte ich häufig gelesen, dass diese Waren knapp und zeitweilig nicht im Angebot sind, aber wer kann sich schon erlauben, für ein Kilogramm Bananen 10.000 Zl. bzw. für die gleiche Menge Mandarinen 15.000 Zl. auszugeben, es sind immerhin nach offiziellem Kurs 10,- oder 15,- DM.

Um viele Eindrücke reicher trete ich die Heimfahrt an. Ein Akkordeonspieler geht durch die Zugabteile und unterhält uns mit einheimischer Folklore, danach bittet er mit dem Hut in der Hand um eine kleine Spende.

Kurz vor der Grenze zur DDR sehe ich einige Dampflokomotiven, es ist ein schönes Bild aus guter alter Zeit. In der Nähe von Görlitz fahren wir über die Neiße und lassen Polen hinter uns. Es ist schon dunkel, als wir Dresden erreichen.

Eigentlich wollten wir im Vorjahr die sächsische Hauptstadt besuchen, aber, da wir keine Einladung vorlegen konnten, war nur eine organisierte Pauschalreise möglich und die war uns zu teuer. Bei der Weiterfahrt spähe ich emsig aus dem Zugfenster, kann aber leider nichts Bekanntes erkennen, gern hätte ich einen Blick auf die Semperoper geworfen.

Wer kann schon ahnen, dass einige Monate später die Grenze geöffnet und der antiimperialistische Schutzwall entfernt wird. Und tatsächlich, es dauert kein halbes Jahr mehr, dass wir Dresden besuchen, ohne Visum und ohne Zwangsumtausch, und die berühmte Oper haben wir auch gesehen.

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