Tunesien
Tunesien hatte mich schon länger gereizt. Bekannte, die das Land besucht hatten, erzählten von langen Sandstränden, von Oasen, Kultur, Moscheen und Wüstenlandschaft. So buchte ich eine Pauschalreise nach Hammamet, denn in dieser Stadt soll, so hörte ich, auch abends was los sein.
Am 14.04.1999 am Abend besteige ich das Flugzeug und gut 2 ½ Stunden später sind wir bereits in Monastir, dem Zielflughafen. Jetzt noch ca. 1,5 Stunden mit dem Bus und kurz nach Mitternacht erreiche ich das im Zentrum der Stadt liegende "Hotel Emira". Glücklicherweise hat die Bar noch geöffnet. Die Kellner sprechen durchweg Deutsch, man gut, denn mit meinem Schulfranzösisch kann ich zwar leidlich Bestellungen aufgeben, aber keine Frage beantworten, denn ich verstehe sie gar nicht mehr.
Am nächsten Morgen bin ich etwas enttäuscht, die Sonne hat sich hinter dicken Wolken versteckt, es ist diesig und recht kühl. Aber das hält mich nicht von einem ausgedehnten Spaziergang ab, und kurz darauf bessert sich meine Laune auch schon zunehmend, denn Hammamet hat durchaus etwas zu bieten.
Die Medina, die Altstadt, liegt direkt am Meer. Enge Gassen führen an weißen Häusern vorbei, eine Mauer reicht fast komplett um den Komplex herum. Viele Souvenirhändler bieten ihre Waren feil.
Am westlichen Rand der Medina befindet sich die Kashba, die Festungsanlage. Im Innenhof liegen noch einige Kanonen. Von den Festungsmauern hat man eine hervorragende Aussicht auf das Meer und die Altstadt.
Einige Gäste sitzen am Strand, ein Mann zieht gemütlich an seiner Wasserpfeife oder an der Chicha, wie man hier sagt.
Beim Geldtausch erhalte ich für eine DM den Gegenwert von 0,65 Dinar (TD).
Es ist relativ ruhig, das Hotel fast leer. Der Barkeeper erzählt mir, dass der erste Touristenansturm, vorwiegend Engländer, Anfang Mai erwartet wird. Erstmals gehören auch Polen zu den Gästen, ein polnischer Aushang über dem Tresen informiert über touristische Möglichkeiten.
Die Abende verbringe ich vorwiegend in einer Diskothek, aber auch hier ist die Anzahl der Besucher recht übersichtlich.
Hammamet und später auch die anderen Orte in Tunesien erscheinen mir recht sauber. Kein hektischer Verkehr auf den Straßen, kein endloses Gehupe, wenig Anmache und Nepp.
Kurz: Afrika oder Orient für Einsteiger.
Tunesien gilt als eines der fortschrittlichsten Länder der arabischen Welt und auch als sicheres Reiseland.
An einem der nächsten Tage fahre ich mit dem Autobus in die mit 125.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Tunesiens, nach Sousse, in Hammamet leben etwa 45.000 Menschen.
Ich schlendere durch die Altstadt, sehe mir die Souks an, besichtige die große Moschee und besteige den etwa 30 m hohen Wehrturm, den Ribat. Eine wunderbare Aussicht belohnt die Mühe. Die Medina ist von einer 2,5 km langen Stadtmauer umschlossen. Auf den Straßen, vor und in den Geschäften herrscht wesentlich mehr Gedränge als in Hammamet.
Das Wetter hat sich nachmittags gebessert, nach der Rückkehr gehe ich wieder an den Strand und freue mich über das in der Abendsonne glitzernde blaue Meer und über den leuchtenden weißen Sand.
Jetzt habe ich noch einige Tage Zeit und überlege, ob ich mich in die Sonne lege und faulenze oder mir noch etwas vom Land ansehe. Die Entscheidung fällt nicht schwer, ich buche eine Zweitagerundfahrt in den Süden und, um es vorwegzunehmen, es hat sich wirklich gelohnt.
Die Reisegesellschaft besteht größtenteils aus Deutschen, die aus den Ferienanlagen um Hammamet abgeholt werden. Ich sitze neben einer Zahnärztin aus Ostberlin, sie ist mit Mutter und Tochter unterwegs und wir unterhalten uns glänzend.
Den ersten Stopp legen wir bei El Djem, dem drittgrößten Amphitheather der Welt oder dem größten Nordafrikas, ein. Das relativ gut erhaltene Bauwerk aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. fasziniert mich, wenn man sich vorstellt, dass hier vor Hunderten von Jahren Sportveranstaltungen, Löwenkämpfe und andere Kriegsspiele stattgefunden haben.
Weiter geht es durch die Sahelzone zu den Höhlenwohnungen in Matmata, inmitten einer gebirgigen Kraterlandschaft, die auch bei Filmaufnahmen zu "Krieg der Sterne" schon als Kulisse diente. Die von Berbern im Lehmboden erstellten Behausungen sind meist nicht mehr bewohnt und haben mehr Museumscharakter. Jedenfalls ist es unten schön kühl.
Am Spätnachmittag erreichen wir Douz am Rande der Sahara. Die Kameltreiber warten schon und fordern uns auf, uns wie Berber zu verkleiden. Mir ist das zu albern und ich steige in ziviler Kleidung auf mein Kamel. Dann reiten wir in die Wüste hinein. Nach kurzer Zeit ist nur noch Sand vor, neben und hinter uns zu sehen, gewaltige Dünen erstrecken sich bis zum Horizont.
Die Nacht verbringen wir in einem Hotel in der Wüstensiedlung Douz. Nach dem Abendessen unterhalte ich mich an der Bar längere Zeit mit einem sympathischen Reiseleiter einer anderen Gruppe. Er erzählt, dass sich ein Italiener im Vorjahr mit dem Motorrad in der Sahara verirrt und nicht zurückgefunden hat. Seine Begleiterin gibt eine Vermisstenanzeige auf, die von der Behörde aber ignoriert wird. Aus Sorge, dass die Einheimischen bei der Suche Antilopen schießen könnten, die tatsächlich in der Wüste anzutreffen sind, verweigern sie den Suchauftrag.
Dabei kennt die einheimische Bevölkerung die Gegend wie die eigene Westentasche, hat Orientierungspunkte und an bestimmten Stellen Trinkwasser vergraben, so erzählt es zumindest mein Gesprächspartner.
Er klärt mich auch auf, dass die Dame neben uns dem ältesten Gewerbe der Welt nachgeht, das hätte ich hier nun nicht vermutet.
Am nächsten Morgen geht es zeitig weiter. Wir fahren auf einem Damm über den Chott El Djerid, einen ausgetrockneten Salzsee, der eine Ausdehnung von 200 km hat. Die Salzkristalle auf der Oberfläche sind durch den Wüstensand braun gefärbt und als solche gar nicht erkennbar.
An einem Stand, der sich aus dem Nichts erhebt, halten wir an und bewundern die angebotenen Souvenirs. Besonders angetan bin ich von den aus der Erde geborgenen Sandrosen. Meine Busnachbarin, die aufgrund der bekannten Vergangenheit noch nicht häufig im Ausland war und natürlich noch nicht über größere Erfahrungen verfügen kann, akzeptiert das erste Preisangebot und kauft ein paar Souvenirs. Ich warte bis kurz vor der Weiterfahrt des Busses und erhalte nach kurzer Verhandlung einen wesentlich besseren Preis. Natürlich werde ich später bei der Weiterfahrt gefragt, wieviel ich bezahlt habe. Ich sage es und meine Begleiterin schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und kann gar nicht fassen, dass sie ihr Geld so aus dem Fenster geworfen hat. In Hammamet bei einem Teppichkauf, so meint sie, ist es ähnlich gewesen.
Am späteren Vormittag erreichen wir das Oasendorf Tozeur, das Tor zur Wüste. Mit einer Kutsche werden wir durch den Ort gefahren und hören einiges über den Anbau von Olivenbäumen, über Datteln und andere heimische Früchte. Auf dieser Oase wachsen ca. 200.000 Dattelpalmen, die Anzahl der Bäume ist ein Gradmesser für die Leistungsfähigkeit des Ortes. Es gibt außerdem Feigen, Granatäpfel und Bananen. Der Fruchtanbau erfolgt dreistöckig: Oben die Dattel, in der Mitte Bananen und anderes Obst, unten das Hennagras, aus dem Farbstoff hergestellt wird.
Wir orientieren uns dann in Richtung algerische Grenze, fahren durch das Atlas-Gebirge und besuchen die Bergoasen Chebika und Tamerza. Ein Teil der Strecke muss in Jeeps zurückgelegt werden. Von einer Hügelspitze hat man einen weiten Blick in die Umgebung und auf die Lehmbauten, teils ohne Dach. Mitten im Ort erhebt sich ganz in weiß ein Marabut, die Grabanlage eines bedeutenden Moslems.
Auf der Rückfahrt halten wir noch auf unser Bitten hin in Kairouan, der heiligen Stadt von Tunesien. Nach Mekka, Medina und Jerusalem ist es die viertheiligste Stadt der islamischen Welt. Ich bin sehr beeindruckt, dass unser Fahrer unseren Wunsch respektiert und erfüllt, schließlich werden nach Kairouan separate Tagestouren angeboten, alle Achtung.
Die uns zur Verfügung gestellte Zeit genügt, um das Wahrzeichen der Stadt, die Große Moschee oder Sidi-Okba-Moschee zu besichtigen. Baubeginn war das Jahr 671 n. Chr., die Außenmauer ist etwa 500 m lang. Der Gebetssaal fasst bis zu 4.000 Gläubige und es handelt sich um die älteste und größte Moschee des Landes.
Mit wunderbarem Gefühl steige ich abends in Hammamet aus dem Bus, glücklich, einiges vom Lande gesehen und viele Informationen über Tunesien erhalten zu haben.
An der Hotelbar lasse ich den Tag gemütlich ausklingen.
Statistische und andere Fakten:
Tunesien ist halb so groß wie Deutschland und hat rund 9 Mio. Einwohner
Ein Esel kosten 50 TD, ein Kamel bzw. Dromedar 900 - 1.000 TD
Von Dezember bis Februar ist Regenzeit, heißester Monat ist der August mit bis zu 50 Grad im Schatten.
20 - 30.000 Tonnen Olivenöl werden p. a. exportiert, auch nach Frankreich, der Olivenanbau ist meist staatlich, zwischen den Bäumen werden keine weiteren Früchte angebaut, um Wasser zu schonen, Oliven werden meistens mit der Hand gepflückt
Ein Landarbeiter verdient 10 TD/Tag bei achtstündiger Arbeit, im Sommer wird der großen Hitze wegen in einigen Berufen nur halbtags gearbeitet, Durchschnittslohn 300 - 350 TD
Das Schleiertragen ist Tradition und hat nicht unbedingt mit der Religion oder dem Familienstand zu tun, die Schleierfarben sind regional unterschiedlich.