Rock'n Roll - Blues - Country - Jazz
Alabama - Tenessee
Tuscaloosa
Uwe holt mich mit seinem PKW vom Flughafen ab. Er ist vor gut zwei Jahren mit seiner Familie nach Tuscaloosa gezogen und mein Besuch ist längst überfällig. Wir haben früher schon einige Reisen zusammen unternommen und Uwe´s Name taucht auch in einigen meiner Reiseberichte auf. Er wohnt mit seiner Frau und den beiden Kindern in einem schönen Haus und alle fühlen sich wohl. Sie haben sich mit den amerikanischen Verhältnissen arrangiert und sind daran gewöhnt, dass alle Besorgungen nur mit Auto möglich sind. Eine "Kneipe um die Ecke" gibt es nicht, ebenso wenig ein Geschäft oder einen Supermarkt in Wohnnähe. Dafür kennt Tuscaloosa kein Parkplatzproblem.
Nach dem Abendessen in einem Steakhaus fahren Uwe und ich noch in das "rhythm & brews" und lauschen der 70er Jahre Musik von "LavaLamp". Mir gefällt es gut, die Band versteht ihr Handwerk und die Stimmung könnte nicht besser sein. Erstaunt bin ich nur, dass alle leeren Bierflaschen im Müllcontainer landen, Glasrecycling ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wohl noch ein Fremdwort. Den letzten Drink nehmen wir im "Hooters", einer Gastrokette mit weiblicher Bedienung in knappem Oberteil und Hot Pants. Warum auch immer, am Eingang müssen wir einen Ausweis vorzeigen.
Teresa, Uwe´s Frau, ruft an und berichtet, dass ein Flugzeug nach dem Start in La Guardia auf dem Fluss notgelandet ist, es muss kurz nach meinem Abflug passiert sein.
An den nächsten drei Tagen werden Uwe und ich einige prägnante Orte nördlich von Alabama besuchen. Für mich ist es ideal, brauche ich mir doch kein Auto zu mieten und habe obendrein noch einen kompetenten Reiseführer. Unser Weg führt durch eine angenehme Wald- und Hügellandschaft, bei Columbus erreichen wir den Staat Mississippi. Tennessee Williams wurde hier, auch wenn sein Name etwas anderes vermuten lässt, geboren. Jetzt beginnt das Weideland, die Prärie. Obwohl das Thermometer minus 6 Grad anzeigt, grasen viele Rinder draußen. Baumwollfelder ziehen sich weit ins Land hinein.
In Tupelo halten wir erstmals an, denn in diesem Ort wurde Elvis Presley, der King of Rock ´n Roll, geboren. Sein Geburtshaus hat man originalgetreu wieder aufgebaut und ein kleines Museum ist ebenfalls vorhanden, später wurde noch eine kleine Kapelle auf dem Gelände errichtet. Ich kaufe mir ein Gitarrenplektrum als Souvenir.
Und dann haben wir unser erstes Ziel erreicht.
Memphis
Als erstes steht Graceland, die Kultstätte von Elvis, auf unserem Programm. Der Komplex besteht aus mehreren Souvenirshops, einer Empfangshalle, einem Museum und natürlich dem Wohnhaus. Ein Shuttlebus bringt uns zu der Villa und mittels Audiophon werden wir über jedes einzelne Zimmer, über jeden Raum, aufgeklärt und mit den nötigen Informationen versorgt. Etwa 700.000 Besucher wandeln jährlich auf den Spuren von Elvis. Im Wohnhaus können u. a. der Fernsehraum, das Wohnzimmer, Sport- und Spielvorrichtungen, Pokale, Kostüme, goldene Schallplatten und draußen das Grab des unvergessenen Stars des Rock ´n Roll besichtigt werden. Eine Ausstellung seiner Autos, natürlich auch des Pink Cadillac, und seiner Harley-Davidson-Maschinen gehört zum Komplex dazu. Letztendlich sind auch die beiden Flugzeuge von Elvis auf dem Freigelände zu besichtigen. Es wird gemunkelt, dass Tochter Lisa Marie noch nie Schnee gesehen hatte und man deshalb kurzerhand mit ihr nach Denver/Colorado geflogen sein soll. Ein paar Minuten später war das Interesse erloschen und man begab sich auf den Heimflug.
Auf der Weiterfahrt zum Hotel halten wir noch bei den Sun Studios und nehmen an einer interessanten Führung teil. 1953 nahm Elvis Presley in diesen ehrwürdigen Räumen seine erste Schallplatte auf. Auch Johnny Cash begann hier seine Karriere. Viele Instrumente gehören zur Ausstellung, jedes einzelne hat Geschichte geschrieben. Das Originalmikrofon, mit dem der Gesang von Elvis aufgenommen wurde, ist ein beliebtes Fotomotiv. Wir treffen auf Vater und Tochter aus Ulm und unterhalten uns eine Weile.
Dann wird es Zeit zum Einchecken. Das hiesige "Benchmark Downtown Hotel" und auch das für morgen reservierte "Hotel Indigo" in Nashville hatte Uwe schon vor Tagen im Internet ersteigert und einen guten Preis ausgehandelt. Memphis ist mit rd. 670.000 Einwohnern größte Stadt von Tennessee.
Bis zur Beale Street, dem Home of the Blues, sind es nur ein paar Schritte. Auf der Straße ist nicht viel los, es mag an der hier doch ungewohnten Kälte liegen, im Sommer, so höre ich, sollen ganze Menschenmassen von Club zu Club drängeln. Uwe ist etwas enttäuscht, aber mich stört es nicht. Der Abend in Memphis ist für mich das Highlight dieser Reise. Noch nie habe ich Haus an Haus, Tür an Tür, so gute Musik, so fabelhafte Musiker erlebt. Egal, welches Lokal wir auch betreten, wir werden, bis auf das "Rum Boogie Café", wo wir zu Abend essen, nur mit bestem Blues unterhalten. Mein Favorit an diesem Abend sind die "B.B. King Allstars" im "B.B. King Blues Club". Zum Schluss gönnen wir uns noch ein letztes Getränk im mit vielen Büstenhaltern dekorierten "Coyote Ugly".
Der nächste Tag steht ebenfalls im Zeichen von umfangreichen Besichtigungen. Wir beginnen mit dem National Civil Rights Museum im ehemaligen Lorraine Motel. Hier wurde bekanntlich Martin Luther King im Jahre 1968 erschossen. Die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung wird anschaulich mit vielen Fotos und anderen Schrift- und Tondokumenten dargestellt. Bis heute scheint nicht klar zu sein, wer hinter der Verschwörung stand, wer den Mord zu verantworten hat.
Im Giftshop werden auch T-Shirts mit dem Aufdruck "Barack Obama" verkauft. Mich beschleicht ein ganz eigenartiges Gefühl: Heute ist Samstag, am Montag steht der Martin Luther King–Feiertag an und am Dienstag wird Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten vereidigt. Man spürt förmlich den Hauch der Geschichte, denn wäre die Wahl eines Farbigen in dieses Amt ohne den Kampf von Luther King möglich?
Die Besichtigung der Gibson Gitarrenfabrik kostet 10 Dollar Eintritt. Der hier in Memphis ansässige Betrieb ist der jüngste der Firma, weitere ältere Werke befinden sich in Montana und Nashville. Bis zu 60 Gitarren werden täglich hergestellt. Mir gefällt die Führung, sie ist sehr interessant, informativ und aufschlussreich. Fehlfabrikationen, so erklärt man uns augenzwinkernd, werden an den Mitbewerber Fender weitergereicht.
Nachdem wir kurz am Mississippi waren und einen Blick auf die Pyramide, einer Mehrzweckhalle aus Stahl und Glas, werfen konnten geht es auf dem Music Highway weiter Richtung Nashville. Der Tennessee River ist weit über seine Ufer getreten. Gegen Abend erreichen wir die Stadt.
Nashville
Nun sind wir also in der Heimat oder dem Mekka der Country Music. Die Hauptstadt von Tennessee zählt etwa 550.000 Einwohner. Unser Hotel liegt nicht direkt im Zentrum, ist aber ansonsten sehr empfehlenswert.
Wir fahren mit dem Taxi in die Innenstadt und schlendern dann den Broadway entlang. Die bekannte Hall of Fame hat leider geschlossen. Nach einem Abendessen im "Broadway Brewhouse" schlendern wir durch die Lokale, hören uns viele Bands an und erfreuen uns an Country Music aber auch an gutem Blues. "Cadillac Ranch", "The Stage" und "Second Fiddle" sind, um nur einige Namen zu nennen, Anlaufpunkte des Abends. Viele Amerikanerinnen feiern ausgiebig, lautstark und bierselig. Die Gage für die Bands scheint nicht sehr hoch zu sein, denn einer der Musiker geht nach den Sets mit einer Sammelbüchse ins Publikum und bittet um eine finanzielle Unterstützung.
Meinem Reiseführer entnehme ich, dass Nashville jährlich von 11 Mio. Fans besucht wird, rund 5.000 Countrysongwriter hoffen auf den Erfolg, 4.000 Interpreten versuchen ihr Glück und 200 Aufnahmestudios stehen zum Start einer Karriere zur Verfügung.
Bevor wir die Stadt am nächsten Tag endgültig verlassen, besuchen wir noch einmal den Broadway, schlendern hinunter zum Cumberland River und sehen uns erneut die berühmte Country Music Hall of Fame an, aber auch jetzt stehen wir vor verschlossenen Türen.
Lynchburg
Jetzt also zurück nach Alabama, allerdings ist ein Abstecher absolut notwendig, nämlich der nach Lynchburg. Bekannter als dieses 800-Seelen-Städtchen ist aber wohl Amerikas älteste Whiskey-Brennerei, die Jack Daniel´s Whiskey Distillery. Die Besichtigung dieser unter Denkmalschutz stehenden Anlage ist kostenlos. Mir gefällt die Führung und die Fabrik entspricht genau meiner durch Werbung beeinflussten Erwartung: Ruhe, Gelassenheit, nur keine Hektik aufkommen lassen, alles ist relaxt und entspannt.
Nach kurzer Einführung im Barrel House fahren wir mit einem Kleinbus zum Holzstapelhof und gehen dann zur Kalksteinquelle, Cave Spring, dem eigentlichen Grund, dass Daniel sich hier vor über 100 Jahren niederließ. Ein beliebtes Fotomotiv stellt die Statue des Firmengründers dar, das rechte Bein vornehm auf einen Felssockel posiert, deshalb auch der Name „Jack on the Rocks“. Im alten Büro steht noch der Tresor, dem Daniel wutentbrannt einen Fußtritt verpasste, das Bein musste danach amputiert werden und Jahre später verstarb Jack an diesen Folgen.
Der Weg führt dann zur Brennerei, der Maischehalle und der Holzkohlenfilterung, bevor wir die Abfüllung und das Lager erreichen. Dieses Filtern durch Ahornholzkohle, das Mellowing, unterscheidet Jack Daniel`s als Tennessee Whiskey von anderen Bourbon-Erzeugnissen.
Eine Verkostung wird uns, da in Lynchburg und Umgebung der Verkauf von hochprozentigen Getränken verboten ist, nicht vergönnt. Auch die Sondergenehmigung, eigene Produkte im kleinen Shop zu verkaufen, gilt heute nicht, denn es ist Sonntag.
Unsere lustig moderierende Begleiterin informiert uns, dass Daniel unverheiratet war, aber viele Freundinnen hatte, von daher soll auch die Markenbezeichnung "Nr. 7" herkommen.
400 Mitarbeiter konnten im letzten Jahr 22 Mio. Gallonen Whiskey umsetzen, was etwa 80 Mio. Liter oder 100 Mio. Flaschen entspricht. In den USA ist Kalifornien Hauptabnehmer, exportiert wird hauptsächlich in das United Kingdom, an zweiter Stelle rangiert Deutschland.
Es ist schon dunkel, als wir in Tuscaloosa eintreffen und Philipp und Valentina fallen ihrem Vater freudestrahlend um den Hals. Bei einem Mexikaner lassen wir den Abend ausklingen. Auch hier wird sonntags kein Alkohol ausgeschenkt.
Ich bin Uwe schon sehr dankbar, dass er sich die Zeit für diesen interessanten Ausflug genommen hat.
Gegen Mittag bringt die Familie mich zum Bahnhof und nach einem herzlichen Abschied fahre ich mit dem Zug der Wiege des Jazz, meinem nächsten Ziel, entgegen.