China und Transsib
Kanton
Die größte Stadt Südchinas, auch Guangzhou genannt, hat etwa 5 Mio. Einwohner. Nach mäßiger Kontrolle treffe ich vor dem Bahnhof auf meinen Abholer und wir fahren gemeinsam zum riesigen "White Swan Hotel", direkt am Perlfluss gelegen. Auch dieses Hotel ist supermodern, Farbfernseher und Telefon gehören zur Grundausstattung, im Zimmer finde ich eine Thermoskanne mit heißem Wasser und einige Teebeutel vor.
Beim Tausch erhalte ich für eine DM zwei Yuan.
Mir wird das Geld in spezieller Währung für Ausländer ausgehändigt, Foreign Exchange Certificates (FEC), mit diesem Geld kann ich in Freundschaftsläden einkaufen und in bestimmten Hotels, die nur Ausländern vorbehalten sind, bezahlen.
Das Geld für Einheimische heißt Renmimbi, ein Yuan ist in 100 Fen eingeteilt.
Den Abend verbringe ich mit einer Frau aus Bramsche, die sich in der Gruppe nicht wohl fühlt und lieber mit mir weiterziehen möchte, was natürlich nicht geht, schließlich hat sie die komplette Reise schon bezahlt.
Das Hotelpersonal ist, entgegen der Information im Reiseführer, empfänglich für Trinkgeld.
Der erste Eindruck von Kanton ist eher mäßig, die Stadt kommt mir verfallen und dreckig vor, erstaunt bin ich über die vielen Radfahrer.
Viele Kinder schauen sich nach mir um, bärtige Langnasen gehören noch nicht zum bekannten Stadtbild.
Im Park macht ein Schattenboxer seine Übungen.
Sehr beeindruckt hat mich der Qingping-Markt, was gibt es hier nicht alles zu sehen: Obst, Gemüse, Fisch, Vögel, Geflügel, Schlangen und Frösche. An einem Stand werden Frösche enthäutet. Und dann die Menschenmassen.
Mit dem Taxi fahre ich anschließend in den Norden der Stadt, in den Yuexio Shan Gongyuan, einen Park mit künstlich angelegten Seen, Brücken und Inseln und klettere hier auf den 28 m hohen Turm Zhen Hai Lou, früher Festung jetzt Museum.
Zur Stadtbesichtigung gehört ferner der Besuch der Dr. Sun Yatsen-Gedächtnishalle, die zu Ehren des Gründers der Republik erbaut wurde und mir sehr gut gefallen hat, und des Liu Rong Si-Tempels (Tempel der 6 Banyan-Bäume) mit der schönen neunstöckigen Blumenpagode.
Häufig ruft man mir "hello" oder ähnliche Wörter zu, wenn ich dann auf das Gespräch eingehe, treffe ich selten einen Menschen mit größerem englischen Wortschatz.
Auf dem Heimweg schlendere ich noch über einen anderen Markt. Hier staune ich ebenfalls über das Angebot wie Frösche, Schalentiere, Schlangen, Krebse, Schildkröten und lebende Fische, die in Schalen mit ganz wenig Wasser zappeln und teils an den Flossen zusammengebunden sind.
Es fängt heftig an zu regnen und ich suche Schutz unter einem Ladenvorbau. Plötzlich spricht mich eine junge hübsche Frau an. Lily ist Krankenschwester in einem hiesigen Hospital und auch kundig im Umgang mit Akupunktur. Sie ist mit einem Chinesen aus New York verheiratet, der sie z. Zt. besucht. Später möchte sie ihm in die USA folgen. Aufgrund irgendwelcher UNESCO-Verbindungen spricht sie leidlich Englisch und sogar ein paar Brocken Deutsch.
Nach kurzer Unterhaltung lädt sie mich zum Abendessen ein. Gemeinsam gehen wir zu ihr nach Hause. Ihr Mann beäugt mich bei der Vorstellung etwas argwöhnisch, ihre Schwägerin, die auch noch den Raum mit ihnen teilt, ist aufgeschlossener. Die gesamte Wohnung ist etwa so groß wie das Badezimmer in meinem Hotel, der Herd steht draußen.
Man sagt, auch wenn dieser Satz schon mächtig abgedroschen ist, dass in Südchina alles gegessen wird, was vier Beine hat, außer Tischen oder Stühlen. Und so zwinge ich mich, meinen Teller ohne großes Nachdenken zu leeren. Das Mahl ist sehr lecker, es gibt Suppe, Reis, Geflügel und Gemüse, meine Sorge war also unbegründet. Gern hätte ich ein paar Musikkassetten als Dank verschenkt, aber ich hatte leider den Rucksack nicht dabei.
Auf dem Weg zum Hotel staune ich über die vielen Straßenbaustellen. In der Hotelhalle wachen einige uniformierte Männer, sie sind unbewaffnet und unaufdringlich.
Der Flug nach Guilin dauert 45 Minuten.