lm Fernen Osten
Mandalay
Nun beginnt also die vermeintlich nervenaufreibende Einreise. Wir sind die einzigen Fluggäste und verirren uns in dem etwas dunklen Gebäude. Die Grenzbeamten, allesamt in weißer Uniform, lächeln uns an. Endlich bin ich an der Reihe, der Mann schaut auf meinen Pass und das Visum und bittet mich dann, zum nächsten Schalter zu gehen. Hier wird das Einreisedokument geprüft, nach dem geplanten Hotel in Mandalay gefragt und schon ist die Prozedur vorbei. Nicht länger als fünf Minuten hat sie gedauert und ich hatte einen solchen Respekt. Eingeführtes Geld braucht erst ab einer Menge von 2.000 US-Dollar deklariert zu werden.
Das Taxi, das uns ins Zentrum der früheren burmesischen Hauptstadt und letzten Königsstadt (rd. 1 Mio. Einwohner), dem religiösen und kulturellen Mittelpunkt des Landes, bringt, kostet 10 Dollar, es sind immerhin über 30 km zu fahren. Hier in Myanmar oder, wie man früher sagte, Burma und Birma, fahren die Autos ebenfalls auf der rechten Seite, aber, und das erstaunt mich sehr, der Fahrer sitzt ebenfalls rechts.
Da die italienischen Frauen meinen, ich solle vorn sitzen, kann ich dem Chauffeur immer signalisieren, wann er zum Überholen ansetzen kann. Eine kurze Zeit nutzen wir die Autobahn Mandalay — Yangon und erreichen immerhin eine Geschwindigkeit von 60 km/h.
Die hier lebenden Menschen erscheinen mir dunkelhäutiger. Fast alle Männer, aber auch viele Frauen, sind mit einem landestypischen Wickelrock bekleidet, dem longyi. Wir überholen Ochsenkarren, kommen an Rinderherden vorbei und hören eine Marschkapelle bei der Einweihung einer neuen Brücke. Die Straße ist voller Radfahrer und an der Seite stehen etliche Polizisten.
Im "AD-1 Hotel" checken wir ein. Es liegt sehr zentral in der Nähe der Eindawya-Pagode und verfügt über eine schöne Dachterrasse, auf der ich abends lese und den Gebeten der Mönche lausche.
Doch jetzt beim Belegen des Zimmers ist es gar nicht so gemütlich, der Generator wird erst in einigen Stunden angestellt und es ist dunkel, heiss und stickig. Dafür kann ich hier aber Bargeld tauschen und erhalte für einen Dollar 1.000 Kyat. Ein Zwangsumtausch, wie er auch heute noch bei verschiedenen Internetreiseführern angekündigt wird, ist nicht mehr nötig. Allerdings ist noch die Touristenwährung FEC, dem US-Dollar angepasst, im Umlauf, ich persönlich habe aber keinen dieser Scheine in den Händen gehabt.
Bis zum Einbruch der Dunkelheit möchte ich noch erste Eindrücke sammeln und gehe deshalb zur genannten Pagode, es sind nur ein paar Schritte. Ein etwas aufdringlicher Mann begleitet mich eine Weile. Später fahre ich mit einem Tuk-Tuk zum Restaurant "Mann" und esse zu Abend. Hier wird Mandalay-Bier verkauft, es schmeckt gar nicht schlecht und ich nehme etwas Vorrat mit ins Hotel.
Abends ist nicht viel los, abgesehen von den reichlich vorhandenen Teestuben, die aber auch nach 20.oo Uhr schließen. So sitze ich denn auf der Dachterrasse, trinke den mittlerweile warm gewordenen Gerstensaft, lese und sehe zu, wie die behenden Geckos an der Wand klebend mit ihrer flinken Zunge nach Insekten schnappen.
Nach einem tollen Frühstück mit Eiern, Marmelade und frischem Obst, wiederum auf dem Dachgarten, frage ich den Wirt nach Möglichkeiten einer Stadtbesichtigung und er empfiehlt mir eine Rundfahrt mit dem Tuk-Tuk, es kostet für sechs Stunden lediglich 10 Dollar, egal ob für eine oder mehrere Personen.
Gesagt, getan, Sousou, wahrscheinlich wird der Name anders geschrieben, ist für die nächsten Stunden mein Stadtführer und er hat seine Sache wirklich gut gemacht. Im wirklichen Beruf ist er Trishaw-Fahrer und wohnt 15 km außerhalb der Stadt. Diese Strecke muss er täglich außer seinen Dienstfahrten zweimal mit dem Fahrrad zurücklegen.
Bei einem Betrieb, der Blattgold herstellt, halten wir zum ersten Mal an, wahrscheinlich ist es mittlerweile Usus, dass Touristen einheimische Manufakturen besichtigen und ich finde es auch nicht uninteressant, aber immer habe ich das Gefühl, irgendwie zum schnellen Einkauf manipuliert zu werden.
Eine junge Dame erklärt mir die einzelnen Produktionsphasen und ich schaue den starken Männern, die das Material mit schweren Hammerschlägen bearbeiten, zu. Eine im Wasser schwimmende Eieruhr zeigt den Schichtwechsel an.
Nur einige Minuten später, bei der Mahamuni-Pagode, kann ich erkennen und beobachten, wie das Gold verwendet wird. Die Mahamuni-Statue wird von den Gläubigen über und über mit diesem Blattgold bedeckt, man schätzt, dass bisher schon mehrere hundert Kilogramm aufgetragen wurden. Sousou erklärt mir, dass Maha mit "great" und muni mit "image" übersetzt wird.
Dieses Bauwerk zählt zusammen mit der Shwedagon-Pagode und dem Goldenen Felsen zu den meistverehrten Pilgerorten in Myanmar. Souvenirs und Devotionalien werden in den umliegenden Passagen verkauft. Ich habe einige Probleme mich hier zu bewegen, denn es hat geregnet und die Marmor- oder Fliesenwege sind spiegelglatt. Kinder und Bettler halten ihre Hände auf.
Nach dem Besuch einer Marionettenwerkstatt, die für Burma typisch ist, fahren wir aus der Stadt hinaus und orientieren uns in Richtung Südwest nach Amarapura. Zunächst halten wir an der Pahtogawgyi-Pagode und nehmen dann Kurs auf die U Bein-Brücke, sie ist mit 1,2 km die angeblich längste Teakholzbrücke der Welt. Vor einigen Monaten soll sie unter Wasser gestanden haben. Auch hier wird um eine milde Gabe gebeten.
Am anderen Ende erhebt sich die Kyautawgyi-Pagode. Wieder bin ich der einzige Tourist und viele Menschen drehen sich nach mir um. An beiden Seiten der Brücke stehen Männer bis zur Brust im Wasser und angeln. Ein kleines Mädchen begleitet uns die ganze Zeit und will mir etwas verkaufen, ich sage ihr gleich, dass ich mit Kindern keine Geschäfte mache, aber sie lässt sich nicht beirren und erzählt mir, dass sie nicht zur Schule geht, weil hier mehr zu verdienen ist. Im Vergleich zu anderen asiatischen Ländern ist der Alphabetisierungsgrad relativ hoch, aber sehr unterschiedlich zwischen Frauen und Männern und zwischen Stadt- und Landbevölkerung.
Sousou erzählt mir, dass in Mandalay etwa 300.000 Mopeds chinesischer Herkunft fahren, sie kosten 500,- bis 800,- USD und sind bei weitem nicht so teuer wie die Produkte aus Japan. Dafür sollen sie aber wesentlich häufiger in Unfälle verwickelt sein.
Dann geht es in die Stadt zurück, vorbei an angepflockten Schweinen, vorbei an Brunnen, aus denen die Landbevölkerung Wasser schöpft und Körperpflege betreibt.
Auf einem kleinen Markt werden u. a. in Käfig gehaltene Vögel verkauft und ich hätte Gelegenheit, diesen Tieren in die Freiheit zu verhelfen, aber es wird gemunkelt, dass sie nach kurzem Flug zu ihrem Verkäufer zurückkehren. Viele Frauen haben ein bestimmtes Make up, die Thanaka-Paste, hergestellt aus feingeriebener Rinde des Sandholzbaumes, aufgelegt, die Kosmetik kühlt außerdem und schützt vor der Sonne. Wieder andere Damen rauchen eine Zigarre, die cheroot.
Zurück in der Stadt fahren wir zuerst zu einem Reisebüro und ich erkundige mich nach Flügen nach Bagan und von dort nach Yangon. Aber die Abflugzeiten sind ungünstig und so muss ich schweren Herzens die Pagodenfelder von Bagan von meinem Wunschzettel streichen und entscheide, mit dem Zug in die Hauptstadt zu fahren. Deshalb begeben wir uns anschließend zum Bahnhof und dort kaufe ich eine Fahrkarte für die Upperclass. Der Bahnbeamte bittet um meinen Pass und füllt dann die Fahrkarte sorgfältig aus.
Glücklicherweise erklärt er mir Wagen- und Sitznummer, denn ich kann weder Zahlen noch Buchstaben der burmesischen Schrift lesen. Manchmal fällt es mir aus diesem Grund auch schwer, mich draußen zu orientieren.
Nun besichtigen wir noch die Sehenswürdigkeiten in der Innenstadt und beginnen beim Königspalast. Am Eingang wird eine Gebühr fällig, berechtigt mich aber auch, die beiden nächsten Anlaufpunkte zu besichtigen. Das Gelände ist von Mauern und Wassergräben umgeben und man spricht von einer Stadt in der Stadt. Die Armee hat hier ebenfalls einen Stützpunkt.
Im Inneren ist eine Kopie des Löwenthrons zu sehen, das Original befindet sich im Museum in Yangon. Die Königin und die Konkubinen waren in separaten Gemächern untergebracht. Es heißt, dass König Mindon mit 49 Frauen 53 Söhne und 60 Töchter gezeugt haben soll. Vom Wachturm, der früher nur der Königsfamilie vorbehalten war, hat man einen guten Überblick. Soldaten habe ich nicht gesehen. Nachts soll dies ein begehrter Platz für Liebespaare sein.
Auf dem Weg zum Taxi, ein 15 Jahre alter Mazda, der wohl auch dem Fahrer gehört, winkt mich ein junger Mann heran. Er schöpft gerade Wasser aus einem Brunnen, mitten in der Stadt, um sich zu waschen und lässt mich in sein "Badezimmer" sehen.
Dann fahren wir ein Stück weiter zur Kuthadow-Pagode und besichtigen "das größte Buch der Welt". Auf 729 Marmortafeln ist die Lehre Buddhas verewigt, Sousou meint, man würde 450 Tage benötigen, um alles zu lesen. Am Schluss dieser interessanten Fahrt halten wir noch beim Shwenandaw-Kloster, einem Holzbau aus dem Jahre 1782. Unser Fahrer telefoniert während dieser Zeit von einem öffentlichen Fernsprecher aus, einem Tisch mit Telefon.
Zufrieden mit dem Tag und dem Gesehenen verabschiede ich mich herzlich vom Fahrer und von Sousou und verspreche meinem Guide, dass er mich am nächsten Tag selbstverständlich zum Bahnhof radeln darf. Es hat zwar fast durchgehend geregnet, aber das konnte meinen Unternehmungsgeist und meine Begeisterung für diese Tagestour nicht mindern.
Mit einer Trishaw fahre ich zum Abendessen quer durch die Stadt zum Pakokku Daw Lay May-Restaurant. Außer mir sind nur Einheimische als Gast anwesend. Kurz nach meiner Bestellung werden eine ganze Reihe leckerer Vorspeisen aufgetischt, dann das Besteck in einem Wasserbehälter an den Tisch gebracht und vor meinen Augen abgetrocknet.
Mein Fahrer hatte von sich aus auf mich gewartet und so fahren wir gemächlich bei einbrechender Dunkelheit zum Hotel zurück. Viele Fußgänger winken mir zu und rufen etwas, das ich natürlich nicht verstehen kann und einer schlägt mir kameradschaftlich auf die Schulter. Es überrascht mich, dass ich nicht nur von Reisenden, sondern auch von Einheimischen auf die bevorstehende Bundestagswahl angesprochen werde, das hätte ich nicht vermutet.
Den Abend verbringe ich wieder auf der Dachterrasse und höre den Mönchen, die nebenan ihr Vollmondfest feiern, zu. Sonst ist wieder Ruhe und besinnliches Biertrinken angesagt.
Pünktlich werde ich am nächsten Tag von Sousou abgeholt und endlich haben wir gutes Wetter, die Sonne zeigt sich von ihrer besten Seite.
Eigentlich habe ich ein etwas schlechtes Gewissen, denn er muss nicht nur mich, sondern auch mein Gepäck transportieren und dann auf den nicht immer gut gepflasterten Straßen. Im Hotel frage ich, ob es nicht besser sei, ein Tuk-Tuk zu nehmen, aber sie winken ab.
Die burmesischen Rikschas verfügen über drei Räder, zwei Gästesitze sind rechts neben dem Fahrer angeordnet. Ein Gast schaut nach vorn, der andere nach hinten. Aber, und das ist das "Problem", die Breite der Sitzfläche ist für asiatische und nicht europäische Maße konstruiert und ich habe einige Mühe, bis ich endlich richtig Platz genommen habe. Die Fahrt ist recht amüsant, viele Menschen an den Bürgersteigen rufen mir etwas zu, aber auch die anderen Verkehrsteilnehmer erkennen, dass Sousou gerade Schwerstarbeit verrichtet und gewähren ihm Platz und Vorfahrt, damit er die Geschwindigkeit beibehalten kann.
Im Bahnhof verabschieden wir uns und ich suche im Tagesrucksack nach einer Ansichtskarte von Bremen, die ich Sousou schenken möchte. Etliche Köpfe schauen mir über die Schulter und beobachten mich. Kurz vor der Abfahrt kaufe ich an einem Kiosk noch ein paar Kekse und Wasser für die Nacht. Erst später fällt mir auf, dass viele ambulante Händler unterwegs sind und ihre Waren, zumeist Fächer, Lebensmittel und Getränke, anpreisen.
Ganz gemächlich setzt sich der Zug in Bewegung, auch hier bin ich der einzige Europäer. Stupas in den Ortschaften glänzen im Sonnenlicht, wieder kommen uns Rinderherden und Ochsenfuhrwerke entgegen. Leider sehe ich sie immer zu spät und ein ordentlicher Schnappschuss will mir nicht gelingen.
Die Fenster sind offen und ich genieße den Abendwind und das angenehme Übergleiten in die Dämmerung. Bei Kyau Kse erhebt sich ein Berg voller Pagoden. In einem kleinen Ort wird ein Elefantentanz aufgeführt.
Die Zugbegleiter verteilen Lesestoff und Nackenstützen gegen ein kleines Salair, Kellner laufen durch die Abteile und nehmen Essens- oder Getränkebestellungen entgegen. Danach erlebe ich einen wunderschönen Sonnenuntergang, bei dem sich die letzten Sonnenstrahlen malerisch in einem Reisfeld spiegeln. Ein Kutscher tränkt sein Ochsengespann an einer flachen Stelle inmitten des Flusses. Vor einigen Häusern brennt ein Lagerfeuer, denn Strom gibt es nicht. Nach drei Stunden halten wir zum ersten Mal an. Die einzelnen Bahnsteige sind durch einen Zaun oder Stacheldraht getrennt oder gesichert. Ganze Menschenmassen liegen auf dem Bahnsteig und warten auf ihre Abfahrt.
Nach fünfzehnstündiger Fahrt rollen wir langsam in den Bahnhof der Hauptstadt ein.