Gemächlich durch die Zeitzonen - mit Speed durch die Landschaft
Mit der Transmongolischen Eisenbahn nach Ulan Bator
Wieder setzt sich der Zug pünktlich in Bewegung und die Fahrt erweist sich als äußerst angenehm, so passieren wir viele Tunnel, sehen hohe Berge, Schafherden, nur die Chinesische Mauer bleibt uns verborgen, dabei soll man sie auf dieser Strecke erkennen können. Mein Abteil teile ich mit Mutter und Tochter aus Ulan Bator, leider sprechen sie so gut wie gar kein Englisch. Trotzdem trinken wir Bier zusammen. Die Tochter besuchte eine Highschool in Peking. Besser unterhalten kann ich mich mit der stets lächelnden Fairi aus der chinesischen Hauptstadt. Sie ist zusammen mit ihrer Mutter auf dem Weg über Irkutsk und Moskau nach Sankt Petersburg. Zum Mittag- und Abendessen, das im Preis enthalten ist, gehen wir ins Zugrestaurant, einige Mitreisende holen sich ihre Mahlzeit ab und verzehren sie im Abteil. Im Speisewagen lerne ich ein Paar aus Kalifornien und ein anderes aus Bergen in Norwegen kennen.
Eine Stunde vor Mitternacht erreichen wir die chinesische Grenze. Meine Nachbarin bietet mir Obst an und schenkt mir eine Flasche Harbin-Bier. Wir dürfen den Zug verlassen, können aber auch mit in die Halle fahren, wo die Fahrgestelle ausgetauscht und die Waggons auf die russische Spurbreite geändert werden. Eigentlich ist es recht einfach, die Gestelle werden gelöst und die Wagen, wie in der Autowerkstatt, hydraulisch angehoben. Die schmaleren Räder werden mit Seilen weggezogen und die breiteren mittels einer Zusatzspur an die entsprechende Stelle gebracht und montiert. Etwa 3 ½ Stunden dauert die Gesamtprozedur, danach fahren wir wieder in den Bahnhof zurück, wo wir schon von unseren Mitreisenden sehnsüchtig erwartet werden. Einige haben die Gunst der Stunde genutzt und den preiswerten Getränken zugesprochen. Beim Verlassen des Landes stehen die Grenzbeamten in Grundstellung und begleitet von feierlicher Musik aus der Konserve fahren wir der Mongolei entgegen.
Bei der Einfahrt in den mongolischen Grenzbahnhof salutieren die Soldaten. Meine Nachbarin muss, warum ist mir nicht bekannt, mit ins Zollbüro und kommt mit gesenktem Kopf zurück. Dann, endlich, geht es weiter, das gesamte Grenzprozedere dauerte fünf lange Stunden.
Die Morgensonne umschmeichelt mein Gesicht, als ich gegen 7.30 Uhr aufwache, wir sind in Sain Shanda. Heute gehe ich zum Frühstück ins Restaurant und werde anschließend von meiner Abteilnachbarin noch zu einer großen Tüte Nudelsuppe eingeladen. Dann fahren wir durch die Wüste Gobi und sehen karges Land so weit das Auge blicken kann, hin und wieder eine kleine Herde, manchmal ein kleiner Ort, ab und zu ein paar Jurten. Aber so hatte ich mir diese Landschaft auch vorgestellt. In Choyr, mitten im Nichts, halten wir 20 Minuten. Fleißige Frauen bieten gefüllte Teigtaschen, Obst und Getränke an. Vor Ulan Bator wird die Gegend grüner und fruchtbarer, werden die Herden größer und auch die Ansiedlungen häufiger. Mit 25-minütiger Verspätung erreichen wir die mongolische Hauptstadt Ulan Bator (Ulaanbaatar).
Mein Abholer wartet am Bahnsteig und bringt mich dann zum Hotel. Einen solchen Straßenverkehr hätte ich hier nicht vermutet. Einmal steckt er während der Fahrt einem Polizisten etwas zu, nähere Angaben entziehen sich aber meiner Kenntnis. Und dann werde ich auch noch vor einem falschen Hotel abgesetzt, eigentlich hatte ich eine Reservierung im Hotel „Genex“, werde aber zum Hotel „Angel“ gebracht. An der Rezeption versteht mich niemand und telefonisch kann ich, warum auch immer, keine Kontaktpersonen erreichen. Vielleicht ist meine Handy-Einstellung nicht mongoleikompatibel. Später erkenne ich, dass das in der Nachbarschaft liegende „Genex“ geschlossen ist und renoviert wird. So soll in dieser Gegend derzeitig eine neue Kanalisation verlegt werden.
Zu Fuß gehe ich in die Innenstadt und finde glücklicherweise ein Tourist-Office, in dem auch Englisch gesprochen und verstanden wird. Hier kann ich mich informieren und der freundlichen Mitarbeiterin meine Fragen stellen. Nach einer kurzen Kaffeepause schlendere ich zum zentralen Suche Bator Platz. Interessante Gebäude beherrschen ihn: die Börse, das Rathaus, das Regierungs- und Parlamentsgebäude, der Kulturpalast und die Oper. Und mittendrin das Suche-Bator-Denkmal, dem General gewidmet, der 1921 den Befreiungskampf gegen die Chinesen einleitete. Auch heute ist es extrem heiß und zur Abkühlung fahre ich in den 23. Stock des nahen „Blue Sky“-Hotels und genieße die grandiose Aussicht.
In der Mongolei, viereinhalb Mal so groß wie Deutschland, und dem nach Kasachstan flächenmäßig zweitgrößten Binnenstaat der Welt, leben rund drei Millionen Menschen, davon rund 40 Prozent in der Hauptstadt Ulan Bator, was übersetzt „Roter Held“ bedeutet. In manchen Veröffentlichungen wird auch die Bezeichnung Ulaanbaatar verwandt. Aufgrund des Klimas und der Bodenbeschaffenheit wird überwiegend nomadische Viehwirtschaft betrieben. Im Jahr 1992, nach den osteuropäischen Revolutionen, wurde im Land die Marktwirtschaft eingeführt und eine demokratische Verfassung manifestiert. Trotz Wirtschaftswachstums sollen etwa 30 Prozent der Bevölkerung in Armut leben. Amtliche Währung ist der Tugrik oder Tögrög (MNT), ein Euro ist etwas mehr wert als 2.100 MNT. Im Land herrscht Rechtsverkehr, trotzdem erlebt man häufig Fahrzeuge mit dem Steuer an der rechten Seite. Es soll sich dabei um japanische Importe handeln.
An den nächsten beiden Tagen steht ein Besuch des Naturschutzgebietes von Tereldsch auf dem Programm. Mogi, der Fahrer von gestern, holt mich ab und glücklicherweise ist Gana dabei. Er spricht Englisch, entschuldigt sich für die Hotelprobleme und auch dafür, dass ich im „Angel“, obwohl vereinbart, kein Frühstück erhalten habe. Wir fahren zunächst zum Gandan Kloster und beobachten eine Mönchs-Zeremonie. Es amüsiert mich, als ein Flöte spielender Mönch in einer Spielpause verstohlen auf sein Handy schaut.
Dann geht es weiter zum Nationalpark. Wir halten bei einer kleinen Ansiedlung und beziehen unsere Jurte. Ich schlafe allein und genieße quasi Urlaub auf dem Bauernhof. Meine Gastgeber heißen Nara und Tsegi, Mittelpunkt der Familie ist jedoch ihre niedliche dreijährige Tochter Ulanka. Sie ist sehr glücklich über mein kleines Gastgeschenk, gut, dass ich bei der chinesischen Mauer ein paar kleine Spiegel für junge Damen gekauft habe. Nach dem Lunch, Nudelsuppe und Dumplings, mache ich einen ausgedehnten Spaziergang und genieße die Natur, sehe reitenden Hirten bei der Arbeit zu und zum ersten Mal in meinem Leben Yaks mit ihrem dichten Fell friedlich auf der Wiese grasend. Die Herden, die gemächlich vor sich hin futtern, sind schon eine Augenweide. Rechtzeitig zum Nachmittagsregen bin ich wieder in der Jurte und mache ein kleines Nickerchen. Das Abendessen nehmen wir gemeinsam ein, Reis mit Rindfleisch und einem Hühnerbein, zwischendurch wird eine Flasche Wodka geleert.
Beim Abendspaziergang treffe ich Samantha aus England. Sie arbeitet als Englischlehrerin in Hanoi, ist gerade mit dem Bus aus Ulan Bator gekommen und sucht einen Zeltplatz und etwas zum Essen. Da Gana ihr bestimmt behilflich sein kann biete ich ihr an, mit zu unserer Familie zu kommen. Und so geschieht es dann auch. Von Sam, so möchte sie angesprochen werden, lerne ich auch den Satz, der die mongolische Ruhe widerspiegelt: "The horses come when they come". Ihr scheint das Warten auf die Familie, die gerade auf einem Verdauungsspaziergang ist, nichts auszumachen. Später werde ich noch gebeten, beim Melken zuzuschauen. Meine Gastfamilie zieht im Winter ins Gebirge, weil dort mehr Flächen für die Tiere zur Verfügung stehen. Den Kühen soll die Kälte angeblich nichts ausmachen, Kälber werden mit einer Decke geschützt. Fließender Strom ist sporadisch im Dorf vorhanden, nicht aber während meiner Anwesenheit. Das Wasser wird von einer nahen Pumpe geholt.
Kurz vor dem Schlafengehen höre ich noch eine deutsche Stimme: Die 20jährige Tuja ist beim Nachbarn zu Gast. Sie wurde in der Mongolei geboren, ist mit ihren Eltern nach Österreich gezogen und besucht nach acht Jahren ihre Großeltern erstmals wieder.
Nach dem Frühstück fahren wir gemütlich durch den Naturpark und gegen Mittag werde ich in Ulan Bator abgesetzt und checke im Hotel „Springs“ ein.
Nachmittags versuche ich, das Tume-Theater zu finden, es wird empfohlen und ist auch nicht weit vom Hotel entfernt. Aber ich brauche eine knappe Stunde, um es zu finden. Viele Menschen kennen es nicht, auf meine Frage erhalte ich immer nur widersprüchliche Angaben, bis sich eine Kassiererin findet, die nicht nur das Theater kennt, sondern auch Englisch spricht. Sie führt mich hin und der Besuch ist sein Geld wert. Oft hatte ich von der Stimmakrobatik der mongolischen Männer gehört, heute erlebe ich sie, es ist ein Ohrenschmaus. Der Kehlkopfgesang, bei dem ein Sänger gleichzeitig zwei Töne produziert, einen Grundton über den Obertöne moduliert werden, ist einmalig interessant. Um eine weitere Stimme erklingen zu lassen, muss der Sänger zwei Luftströme erzeugen.
Aber auch die anderen Künstler und Akrobaten verdienen eine Erwähnung. Überhaupt nicht verstehen kann ich die Disziplinlosigkeit der asiatischen Besucher, immerhin ist das Theater bis auf den letzten Platz gefüllt. Sie kommen zu spät, unterhalten sich und eine Frau telefoniert sogar während der Vorstellung. Trotzdem ist es ein schönes Erlebnis und eine passende Abschiedsvorstellung, denn jetzt bricht der letzte Abend dieser Reise an. Sie hat sehr viel Spaß gemacht, ich habe eine Menge erlebt und gesehen, hatte Kontakt mit vielen fremden Menschen und bin glücklich über die letzten fünf Wochen. Aber es war teilweise auch anstrengend und meinen großen Rucksack werde ich nun wohl für alle Zeit in die Ecke stellen und zukünftig bequemer reisen.