Kosh amadid, herzlich willkommen in Iran
Einleitung
„Wenn dir ein Wort auf der Zunge brennt – lass es brennen“ (persische Weisheit)
„Das Beste, was man vom Reisen nach Hause bringt, ist die heile Haut“ (persische Weisheit)
„Was willst du denn dort“, „fällt dir nichts besseres ein“, „bist du von allen guten Geistern verlassen“ oder „hast du keine Zeitung gelesen“, so in etwa sind die Reaktionen auf meine Ankündigung, in den Iran, oder, wie man auch heute sagt, nach Iran reisen zu wollen. Und es stimmt, die politische Entwicklung hat meine Vorfreude getrübt. Schrieb der Weserkurier im Juni 2017 noch unter der Überschrift „Ein Land öffnet sich“ dass sich Iran dem Westen nähert und Isfahan als Juwel des iranischen Kulturerbes im Jahre 2013 monatlich noch 5.000 Besucher zählen konnte, so waren es im ersten Quartal 2017 schon bis zu 8.500 im Monat. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Iran lt. Amnesty International als ein Land mit den größten Menschenrechtsverletzungen gilt und der wachsende Tourismus zwar das positive Image erhöht, nicht aber die Probleme des Landes löst.
Und dann kommt der amerikanische Präsident Trump ins Spiel. Er kündigt das Atomabkommen mit Iran einseitig auf und sorgt dafür, dass sich ausländische Investoren aus dem Land zurückziehen, um nicht von seinen Sanktionen belangt zu werden. Siemens wendet sich u.a. ab, Daimler legt seine Iran–Pläne auf Eis, die Deutsche Bahn lässt Projekte auslaufen und Airbus verzichtet auf die Auslieferung von knapp 100 Flugzeugen, um nicht mit amerikanischen Interessen zu kollidieren. Meine Vorfreude erhält einen kolossalen Dämpfer bei der Lektüre des Interviews von Josef Braml, Autor und USA–Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, erschienen am 27.07.2018, wiederum im Weserkurier. Er schließt nicht aus, dass es noch in diesem Jahr zum Krieg kommen könnte, da sich Trump im November den Halbzeitwahlen stellen muss und ein Anschlag auf den Iran würde viele patriotisch denkende Amerikaner noch mehr an sich binden und seine Stellung festigen.
Eine Wirtschaftskrise aufgrund der US–Sanktionen ist nicht mehr aufzuhalten, internationale Fluggesellschaften wollen bis Mitte September ihre Flüge nach Teheran einstellen, der Kurs des Rial sinkt im Sturzflug. Abgesehen vom Rückgang der Währung merke ich während der Reise nichts von der Rezession, wundere mich allerdings doch über das ruhige Treiben auf den Flughäfen, sowohl in Isfahan als auch später in Shiraz.
Warum nun Iran? Reisende, die ich unterwegs getroffen habe oder Bekannte, die Iran bereist haben, berichten mit leuchtenden Augen von der Schönheit des Landes, von der einzigartigen Kultur, von den einmaligen Bauwerken und vor allem von der sprichwörtlichen Freundlichkeit der Bewohner des Landes. Das veranlasst mich, nicht mit einer Gruppe, sondern individuell zu reisen. Als Mitglied einer Reisegruppe ist der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung eher gering, man braucht sich um nichts zu kümmern, wendet sich bei auftauchenden Fragen an den Reiseleiter, hat aber wenig direkten Zugang zu den dort lebenden Menschen.
Im Reiseführer lese ich, dass Hotels nur bar und nicht mit Kreditkarte bezahlt werden können, also lege ich die Route vorher fest und buche die Unterkünfte bereits im Vorfeld bei „Travel Overland“ in Bremen. Das benötigte Visum erhalte ich über „Visa Express Dienst“ in Berlin. Gut, dass mein Zweitpass noch eine genügend lange Laufzeit hat, denn mit einem Iran-Stempel im Pass können verschiedene Länder nicht bereist werden oder anders gesagt, man darf damit nicht einreisen.
Doch nun soll der Koffer gepackt werden und eine Reise in das Land der grandiosen Moscheen und pompösen Paläste, der klassischen Gartenanlagen, der über 5.000 Jahren währenden Hochkultur mag beginnen. Iran ist etwa viereinhalb Mal größer als Deutschland und zählt knapp 80 Millionen Einwohner. Persisch (Farsi) ist die offizielle Staats- und Verwaltungssprache. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Sprachen, verschiedene Turksprachen oder Kurdisch. 99 Prozent aller Iraner sind Muslime und Iran ist das einzige Land der Welt, in dem der schiitische Islam gemäß Verfassung Staatsreligion ist. Aufgeteilt nach Religion wohnen 90 Prozent Schiiten und neun Prozent Sunniten im Land.
Nach der Revolution 1979 ist die islamische Republik eine Theokratie, eine diktatorisch geführte Politik mit arger Menschenrechtslage. Doch die in unseren Medien oft gezeigten oder genannten Heerscharen von Frauen, die kontrollieren, ob das Tuch richtig angelegt ist, oder ernst dreinschauende Ayatollahs mit Knüppel gehören der Vergangenheit an. Unangefochtener Führer des Landes ist Ayatollah Ali Chamenei, er hat in allen strategischen Belangen das letzte Wort und ist Oberkommandeur der Armee und Revolutionswächter.
Seit Rohani 2013 zum neuen Präsidenten vereidigt wurde, gilt der Staat als etwas freier und moderner. Er erreichte die vertragliche Beilegung des Atomkonflikts und setzt sich für Reformen ein. Doch braucht er für strategische Entscheidungen den Segen Chameneis und seine Grenzen werden ihm bei vielen politischen Versuchen aufgezeigt.
Allerdings habe ich als Tourist nichts von alledem mitbekommen, abgesehen von den Plakaten, auf denen Politiker freundlich auf die Passanten blicken. Iran gilt als absolut sicheres Reiseland, zumindest in krimineller Hinsicht, und ich habe mich an allen Tagen, ob morgens, mittags oder abends, niemals unsicher gefühlt. Meine Shorts sind im Koffer geblieben, ich habe dem Anspruch des Landes entsprochen und stets lange Hosen getragen. Bei den westlichen Touristinnen ist es nicht anders, sie sind gehalten, ein Kopftuch zu tragen, ein für viele iranische emanzipierte Frauen verhasstes Symbol ihrer Unfreiheit. Jedoch sieht man mittlerweile auf den Straßen und in den Gassen leuchtende und farbenfrohe Tücher, die auch einen Modetrend darstellen könnten.
Die Einfuhr und der Verzehr von Alkohol ist in Iran verboten. Dennoch lese ich, dass Iraner und Iranerinnen 60 Millionen Liter alkoholische Getränke per anno konsumieren sollen. Wird man ertappt, so drohen drakonische Strafen, hohe Bußgelder oder sogar Peitschenhiebe. Auf dem Schwarzmarkt ist alles erhältlich, entweder importiert oder selbst hergestellt. Aber es kostet …
Im Folgenden werde ich mich vom Zauber des Orients verführen lassen, mich dem Charme der Perser hingeben und nunmehr nur meine eigenen Erlebnisse und Eindrücke schildern und iranische Probleme nur bedingt erwähnen.