Kosh amadid, herzlich willkommen in Iran
Shiraz
Nun verweile ich also in der Stadt der Rosen und Nachtigallen, der Poesie, der Gelehrsamkeit und des Weines. Das mag so im Frühling zutreffen, jetzt, im September, höre ich keine Singvögel mehr und ein paar Tage später, im Eram-Garten, sind auch viele Rosen verblüht. Dass man das Produkt der berühmten Shiraz-Traube nicht auf dem freien und legalen Markt erwerben kann, hatte ich bereits erwähnt. Nunmehr werden die Früchte zu Tafelobst oder Rosinen verarbeitet. Heiße Temperaturen empfangen uns im Bahnhof, dabei hatte ich gelesen, dass es in Shiraz aufgrund der Höhenlage, immerhin 1.540 Meter hoch, kühler sei.
15 Minuten später ist das „Chamran Grand Hotel“, ein riesiger Komplex am gleichnamigen Boulevard, erreicht und ich belege mein Zimmer im elften Stock. Jetzt bin ich in einem der vornehmsten Häuser der Stadt untergebracht, kann unter mehreren Cafeterias und Restaurants auswählen und in der ersten Etage shoppen. Umso verwunderter bin ich, dass der Taxi- und Tourvermittler kein Englisch spricht, das hätte ich hier nicht erwartet. Aber mit Mühe und Not erfahre ich, dass eine Fahrt nach Persepolis und weiter zu den Nekropolen Naqsh-e Rostam und Pasargadae 1.500.000 Rial kostet, umgerechnet 12,50 Euro.
Gegen Abend hat es sich angenehm abgekühlt und ich mache mich auf zum ersten Spaziergang in der Stadt. Aber es macht nicht viel Spaß, auf einem Gehweg am verkehrsreichen und vielspurigen Boulevard entlang zu gehen. Den Einheimischen scheint der Lärm nichts auszumachen. Sie haben Teppiche ausgebreitet, hocken darauf, trinken Tee und unterhalten sich. Spiel- und Sportgeräte auf dem Bürgersteig werden von den Passanten gern angenommen. Und immer noch liegt das Zentrum in weiter Ferne, hier ist man auf Taxis angewiesen.
Abends sitze ich auf der Außenterrasse einer Cafeteria im 23. Stock, genieße die Aussicht und unterhalte mich mit einigen einheimischen Hotelgästen. Sie suchen eine Beschäftigung als Masseur und gönnen sich hier eine Shisha, eine Wasserpfeife. Später, als ich bezahlen möchte, wundere ich mich wieder über die sprachlichen Probleme, der junge Kellner will einfach nicht verstehen, dass ich bezahlen möchte. Dann erhalte ich endlich die Rechnung, nur, ich kann sie, da in arabischer Schrift, nicht lesen, auch nicht den Betrag. Die Dame an der Kasse versteht mich jedoch und nennt mir den Preis.
Später verweile ich im Hotel und esse etwas in einem der Restaurants. Zur Feier des Tages bestelle ich Dizi, eine im traditionellen Tontopf zubereitete Speise. Fleisch und Beilagen werden zu dickem Brei zerstampft und die restliche Flüssigkeit als Suppe separat gegessen. Es schmeckt mir sehr gut, ein Duo unterhält uns mit traditionellen Melodien. Anschließend wandere ich durch die anderen Kaffee- oder Teesalons. In allen Lokalen wird Lifemusik angeboten und ich wundere mich über das Temperament der einheimischen Damenwelt. Sie singen lauthals mit, werfen die Hände in die Höhe und jubeln – und das bei wahrscheinlich 0,00 Promille.
Nun gilt es, die Stadt, manchmal auch Schiras geschrieben, näher kennen zu lernen. Mit dem Taxi fahre ich zu einem vereinbarten Preis zum Hafeziyeh, dem Mausoleum von Hafis, des vielleicht berühmtesten Dichters des Landes (1326 – 1390). Mein Fahrer meint, er würde auf mich warten und mich dann gegebenenfalls zu einem nächsten Punkt bringen, warum nicht. Nachdem ich die üblichen 200.000 Rial Eintritt bezahlt habe, betrete ich die gepflegte mit Bäumen, Blumen und Rasen geschmückte Anlage. Unter einem achtsäuligen Pavillon kann das Grab des Dichters, der sogar Goethe beeinflusst haben soll, besichtigt werden. Aus der Broschüre „Quellen persischer Weisheit“, die mir eine Nachbarin kurz vor dem Abflug schenkte, sei es mir gestattet, einen Hafis-Spruch zu zitieren:
Ich habe mich fest entschlossen: Nie trinke ich wieder Wein!
Und spielt mir der Durst keine Possen, so soll es gehalten sein.
Wir fahren weiter zum Mausoleum von Shah Cheraq, auch Cheragh oder Tscheragh geschrieben. Hier braucht erstaunlicherweise kein Eintritt bezahlt zu werden, dafür muss der Rucksack und der Fotoapparat abgegeben werden. Mit dem Handy darf, man mag es nicht glauben, fotografiert werden. Der Besuch der Anlage ist nur mit Guide möglich und so begleite ich zwei junge deutsche Männer und gemeinsam lauschen wir den Erklärungen unseres sehr gut informierten und hervorragend Deutsch sprechenden Begleiters. Hier herrscht Tschador-Pflicht und Frauen erhalten am Eingang kostenlos Umhänge. Unter einer mächtigen Kuppel ruht der Bruder des Achten Imam, der Schrein darf aber nur von Muslimen besichtigt werden. Mich stört es nicht, bin ich doch begeistert von den unglaublich verzierten Kuppeln, Fassaden und vom ganzen Dekor. Stuckarbeiten, Verspiegelungen, gewaltige Leuchter, eine Lichtatmosphäre, die seinesgleichen sucht. Wir sehen uns das Grab des nicht so berühmten anderen Bruders an und nehmen später noch an einer Lichtbilderschau teil. Die beiden Deutschen wohnen in einem Hostel, hatten dort auch getauscht, aber einen schlechteren Kurs erhalten. Als ich unserem Guide beim Abschied ein kleines Trinkgeld in die Hand drücken möchte, verneint er dankend, erwähnt aber, dass er an einem Hotel beim Korantor beteiligt sei und ich dort gern einmal einkehren solle.
Zum Schluss sehe ich mir noch die Karim Khan-Zand-Zitadelle an. Wurde sie früher als Wohn- und Regierungspalast genutzt, diente sie danach als Polizeiquartier und Gefängnis und heute als Museum. Die mächtigen Ziegelmauern werden an den Ecken von vier halbrunden Basteien verstärkt. Im Inneren erfreut man sich an einem Wasserbecken und an Zitronenbäumen. Man hätte noch ein Hamam besichtigen können, aber das hatte ich ja gerade vor ein paar Tagen. Mein Bargeld geht zur Neige und ich bitte den Fahrer, an einem Wechselschalter anzuhalten. Aber heute ist Feiertag und so dauert es, bis er jemanden findet, der mir behilflich sein kann. Wir fahren zum Hotel zurück und dann gilt es wieder eine kleine Stresssekunde beim Bezahlen zu überstehen, denn vereinbart war nur die Solofahrt zum Hafis-Mausoleum.
Zum Abendessen gehe ich in ein benachbartes Restaurant, aber es schmeckt mir nicht besonders. Hatte ich in meinem Reiseführer gelesen, dass Eiswürfel im Getränk oder ungekochtes Gemüse hier in Iran bedenkenlos konsumiert werden dürfen, so hat mich doch ein Durchfall erwischt, der mich ein paar Tage plagen wird.
Fahrt nach Persepolis
Mein Fahrer wartet schon im Foyer. Als ich höre, dass der Ort „Pasargadae“ nicht auf seinem Plan steht, werde ich etwas mürrisch. Aber der Mann an der Rezeption bestätigt, dass dieser Stopp tatsächlich nicht auf meiner Reservierung aufgeführt ist. Was bleibt mir übrig … Persepolis liegt 55 Kilometer nordöstlich von Shiraz und in einer knappen Stunde sind wir auch am Ziel. Ein paar Male sehen wir am Autobahnrand eine Schafherde, bewacht von einem auf einem Esel reitenden Schäfer. Erwartungsvoll besorge ich mir dann ein Ticket und schreite gespannt zur antiken Stätte.
Die altpersische Residenzstadt wurde 520 v. Chr. von Darius I. gegründet, der Name „Persepolis“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Stadt der Perser“. Die Iraner nennen sie heute noch „Takht-e Jamshid“ oder, anders geschrieben „Tacht-e Dschamschid“, was übersetzt „Thron des Djamschid“ heißt und nach einem mythischen König benannt wurde. Darius, sein Sohn Xerxes I. und deren Nachfolger nutzten den Prachtpalast für repräsentative Zwecke, z. B. zum Empfang beim Neujahrsfest oder zu Siegesfeiern nach erfolgreichen Schlachten. Nach etwa 200 Jahren wurde die Stadt von Soldaten Alexanders des Großen in Schutt und Asche gelegt und geriet in Vergessenheit. Deutsche Archäologen begannen in den 1920er und 1930er Jahren mit den Ausgrabungen und konnten belegen, dass es eine Palastanlage der achämenidischen Herrscher war.
Persepolis liegt malerisch zu Füßen des „Berges der Barmherzigkeit“ und über der „Ebene des Lichts“. Über eine Treppe erreicht man die Terrasse und hat dann einen phänomenalen Gesamtüberblick auf die Anlage. Durch das mit Stierfiguren verzierte „Tor aller Länder“ betrete ich den Komplex. Tafeln vor den wichtigsten Bauwerken informieren über das jeweilige Gebäude. Am unvollendeten „Tor der Armee“ vorbei geht es dann durch ein Monumentaltor über einen offenen Platz zur „Halle der 100 Säulen“, dem Thronsaal des Xerxes. Gegenüber befindet sich der Apadana, der wohl eindruckvollste Palast von Persepolis und Thronsaal des Darius. Hier fanden die Zeremonien statt und bis zu 10.000 Gäste sollen Platz gefunden haben. Wunderbar erhaltene Reliefs in den Quadern berichten von Delegationen der Völkerschaften, die ihrem König ihre Tribute und Geschenke überbringen. Als ich mir im Schatten die Steinfiguren ansehe, höre ich auf einmal bekannte Stimmen. Sie gehören den drei deutschen Frauen, die ich auf der Herfahrt im Bus getroffen habe. Wir unterhalten uns ein par Minuten und sie sind genauso begeistert von der antiken Stätte.
Dann wage ich mich wieder in die Hitze und sehe mir die weiteren Relikte aus der Vergangenheit an, so den Trypilon, das Schatzhaus und den Palast des Xerxes und des Artaxerxes. Wieder zurück am Tor aller Länder verweile ich einen Moment und lasse meine Augen noch einmal über diese einmalige Anlage schweifen – wahre Künstler waren hier am Werk. Auch die Astronomie soll ihnen vertraut gewesen sein, denn am Tag des Neujahrfestes am 21. März soll die Morgensonne genau durch dieses Tor scheinen, allerdings erst, nachdem eine Schneise in den Berg geschlagen wurde. Total begeistert warte ich auf meinen Fahrer.
Naqsh-e Rostam
Diese Nekropole liegt nur etwa sieben Kilometer oder fünf Autominuten von Persepolis entfernt. Über die Errichtung der Felsengräber ist nicht viel bekannt, aber es scheint kein Zufall zu sein, dass sie in Sichtweite von Persepolis in den senkrechten Felsen gehauen wurden. Sicher ist, dass Darius der Große hier bestattet wurde. Bei den anderen drei kreuzförmigen Grabfassaden ist man sich nicht ganz sicher, glaubt aber, dass Xerxes, Artaxerxes und Darius II. hier beigesetzt wurden. Während meines Besuchs wird das vermeintliche Grab von Xerxes gerade renoviert.
Unter den Gräbern befinden sich acht sasanidische Felsreliefs, die aus dem 3. Jh. n. Chr. stammen sollen. Sie zeigen Reiterkampfszenen und triumphierende Herrscher. Dann sehne ich mich wieder nach dem Schatten im Auto und begebe mich zum Parkplatz. Wir fahren den fast selben Weg zurück und ich freue mich, dass mein freundlicher Fahrer in Shiraz beim Korantor anhält und mir anbietet, dass ich es doch besichtigen möge.
Zurück in Shiraz
Die nächsten Tage verbringe ich ganz relaxt, wobei mein Unternehmungsgeist durch den nach wie vor akuten Durchfall auch etwas gebremst ist. Einmal fahre ich mit dem Taxi zum Eram-Garten, dem Paradiesgarten von Shiraz, und schlendere dort durch die Rabatten. Dieser Botanische Garten ist bekannt wegen seiner verschiedenen Rosenarten, nur zur Zeit meines Besuchs blühen sie nicht sehr üppig. Ein Wasserbassin mit Fontäne speist Kanäle, die die Gewächse bewässern. Granatapfelbäume, Pinien und Zypressen stehen an den Wegen. Ein Palast aus dem 19. Jahrhundert kann ebenfalls besichtigt werden.
Wiederum mit dem Taxi fahre ich dann zum Vakil-Komplex (Zandiyeh) und sehe mir als erstes die Moschee an. Sie wurde während der Zand-Zeit im 18. Jahrhundert erbaut. Besonders beeindruckt bin ich vom Wintergebetsraum mit seinen 48 gewundenen Säulen. Jede Säule wurde aus einem Fels herausgehauen. Erwähnenswert sind auch die Fliesen mit ihren dekorativen Blumenmotiven.
Dann habe ich genügend Zeit und gehe gemächlich durch den Vakil-Basar und lande schließlich wieder in einem Teehaus. Auf einem Schild lese ich: Smile, you´re in Shiraz. Eine Familie gesellt sich an den Nebentisch und fragt neugierig, woher ich denn komme. Sie sind aus Kurdistan, leider versäume ich zu fragen, in welchem Land sie denn leben.
Man könnte hier auch noch den Vakil-Hamam besichtigen, der nunmehr als Museum dient. Beim Weitergehen wundere ich mich über die zahlreichen Trinkwasserspender, die in der Stadt durstigen Kehlen Linderung verschaffen.
Abends speise ich im nahen „Shandiz Mashad Restaurant“. Das Hähnchenschaschlik mit Beilagen und 1,5 Liter Mineralwasser kosten zusammen umgerechnet etwas über drei Euro und wieder gibt es Probleme mit dem Wechselgeld, das habe ich an diesen Tagen öfter erlebt.
Auch heute unterhält uns eine Lifeband, aber mir ist die Musik zu molllastig. Anschließend gehe ich auf mein Zimmer zurück. Im Fernsehen wird „Catch me if you can“ gezeigt. Einmal wundere ich mich über Geräusche am Fenster, doch dann erkenne ich den Grund: Ein Fensterputzer geht nachts seiner Arbeit nach.
Den letzten Tag verbringe ich ruhig, fahre noch einmal in den Basar, habe etwas Probleme, meinen Rückflug zu bestätigen, denn so steht es in meinem aktuellen Reiseführer. Aber ein Anruf bei Turkish Airlines zerstreut meine Bedenken, mein Name steht auf der Flugliste – und einen Rückflug habe ich bestimmt in den letzten 15 Jahren nicht mehr bestätigt. Das ist mir dann doch ein Glas alkoholfreies Bier in der Hotel-Cafeteria wert. Es wird mir wie ein Cocktail serviert, mit reichlich Eis und zwei Zitronenscheiben.
300.000 Rial kostet abends eine Taxifahrt zum Flughafen. Wieder sind wir eine halbe Stunde unterwegs und auch hier ist die Strecke bis zur Ankunft hell erleuchtet. Im Airport erwartet mich gähnende Leere, die Shops sind teilweise geschlossen, so leider auch der Schalter zum Geldumtausch. Doch nach der Personenkontrolle gehe ich noch einmal hinaus und habe auch Erfolg, erhalte allerdings einen miserablen Kurs, doch immerhin bin ich meine Rialscheine losgeworden. Dann, nach einiger Wartezeit, höre ich den Aufruf zum Abflug. Wunderbare, aufregende und interessante Tage liegen hinter mir – und an die politische Situation habe ich meistens gar nicht mehr gedacht.