Einmal noch Australien
TaiBei
"Cabin crew, ready for take off", endlich ertönt das erlösende Kommando des Piloten aus den Bordlautsprechern und eine lang herbei gesehnte Reise kann beginnen.
Warum noch einmal nach Australien? Ja, warum – ist es wegen der herrlichen Landschaft? Wahrscheinlich. Ist es der Reiz, mit dem Ghan die seit kürzlich in Betrieb genommene Nordstrecke zu befahren? Wahrscheinlich. Ist es das Abenteuer Natur? Wahrscheinlich. Bestimmt aber ist es die Freude auf das Wiedersehen mit den lockeren, freundlichen und liebenswerten Aussies.
Am 20.11.2006 geht es los, ich fliege ab Frankfurt mit China Air. Der Flieger startet mit etwa vierstündiger Verspätung. Um die Wartezeit attraktiver zu gestalten, verteilt ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft 15,- Euro-Verzehrgutscheine. Nach 12 Stunden Flug erreichen wir die taiwanesische Hauptstadt.
In der deutschsprachigen Literatur werden auch die Bezeichnungen "Taipeh" oder "TaiPei" verwendet, ich orientiere mich an der Schreibweise im Reiseführer.
Die Abfertigung im Flughafen geht relativ zügig vonstatten und mein Abholer wartet bereits auf mich. Schnell noch ein paar Reiseschecks eintauschen, ich erhalte 39 NT$ (New Taiwan Dollar) für einen Euro, und schon fahren wir ins Zentrum, bis zum "Golden China Hotel" sind es rund 30 km, teilweise geht es über eine gebührenpflichtige Autobahn. Viele Mopeds begleiten uns, die Fahrer haben meistens einen Mundschutz umgelegt. In der Ferne ist der TaiBei 101, das höchste Gebäude der Welt, zu erkennen.
Nach kurzer Erholungspause mache ich mich auf den Weg und beginne die Erkundung der taiwanesischen Hauptstadt. Gut 20 Minuten benötige ich bis zur Metrostation Minquan W. Road, wo ich für die nächsten Tage eine so genannte Easycard erwerbe. Als erstes steht die CKS-Gedächtnishalle auf meinem Besichtigungsprogramm.
Die ChiangKaiShek Memorial Hall liegt fast direkt an einer U-Bahn-Haltestelle und ist in wenigen Minuten erreicht. Zunächst beeindruckt mich das schöne Portal mit den fünf Rundbogen und dem blauen Dach, das "Tor der großen Mitte und perfekten Aufrichtigkeit" hat immerhin eine Höhe von 30 m. Die Seiten des 250.000 qm großen Parks werden vom Nationaltheater und der Nationalen Konzerthalle flankiert, Gebäude im klassischen chinesischen Stil.
Gegenüber dem Tor erhebt sich dann die Gedächtnishalle. ChiangKaiShek starb 1975 und zum fünften Todestag wurde dieses neue Wahrzeichen der Stadt eröffnet. Das blaue Dach erinnert an den Himmelstempel in Peking. Ein Schattenboxer erregt meine Aufmerksamkeit.
Viele Menschen befinden sich auf dem Gelände, darunter Schulklassen und andere Reisegruppen, der frühere Präsident der Republik China und spätere Konkurrent von Mao sitzt majestätisch auf einem hohen Sockel und wird von Soldaten bewacht, ich habe das Glück, einem Wachwechsel beizuwohnen. Manchmal ertönen dumpfe Schussgeräusche aus den Lautsprechern. Fotografieren ist erlaubt.
Der Platz mit seinen schön angelegten Teichen und Blumenrabatten gefällt mir, auch hier ist das TaiBei 101 wieder wahrzunehmen. Eine Frau mit vier Hunden im Kinderwagen kommt mir entgegen.
Auf dem Weg zur Metro (MRT) komme ich durch einen Gang mit interessanten Gemälden, ein Plakat weist auf das nahe Silvesterkonzert hin: Die Lustige Witwe.
Die SunYatSen-Gedächtnishalle ist mein nächstes Ziel, sie befindet sich auf einem schönen großen Platz mit toller Gartenanlage. Auch hier bewachen zwei Soldaten das Denkmal des Gründers der Republik China. In einem Museum kann sich über das Leben des Dr. Sun informiert werden.
Jetzt noch am Rathaus vorbei und schon lege ich meinen Kopf ganz weit nach hinten und blicke zur Spitze des TB 101. Mit 508 m und 101 Stockwerken, deshalb der Name, ist es das höchste Gebäude der Welt. Das Aussehen dieses Wolkenkratzers wurde einem Bambushalm nachempfunden. Eröffnung des markanten Wahrzeichens der Hauptstadt war 2004.
Zunächst gehe ich durch die unteren Etagen, wo eine Edelboutique neben der nächsten um zahlungskräftige Kundschaft wirbt, und fahre dann mit dem Fahrstuhl vom 4. Stock zur Aussichtsplattform in der 89. Etage. 40 Sekunden benötigt der Lift für die 388 m, vergleichbar mit dem so genannten freien Fall. Der Spaß kostet 350 NT$, einschließlich Audiohörer, für das Außengebiet, das ich aber wegen der vielen Sicherheitsplanken nicht empfehlen kann, sind weitere 100 fällig.
Im Innenbereich kann man durch große Fensterfronten interessante Aussichten auf die Stadt und das Umland genießen. Wieder unten, begebe ich mich in eine Cafeteria, trinke einen Espresso und beobachte das hektische Treiben der vielen, vielen Menschen in diesem riesigen Gebäude. Mit einem Shuttlebus fahre ich dann zurück zur Metro.
Das U-Bahn-Netz ist gut ausgebaut, die Fahrzeuge sind in einem ordentlichen Zustand. Die einzelnen Wagen sind ohne Zwischentür verbunden und man hat das Gefühl, in einem langen Wurm zu sein.
Gegen 21.00 Uhr gehe ich wieder hinaus, um in einem der zahlreichen Restaurants zu essen, aber es ist gar nicht so einfach, die meisten haben schon geschlossen. Später gönne ich mir noch eine Fußmassage und erfahre anhand des Beizettels, dass ich Probleme im Hals-Rücken-Bereich haben soll. Ein Mann gönnt sich eine Ganzkörpermassage und schreit einige Male vor Schmerz laut auf, meistens dann, wenn der stämmige Masseur mit ganzem Körpereinsatz arbeitet.
Später stelle ich mit Verblüffung fest, dass mir jemand einen Pfennig als Wechselgeld ausgehändigt hat, vielleicht handelt es sich ja um den berühmten Glückspfennig.
Im Telefonverzeichnis auf meinem Hotelzimmer steht noch die Vorwahl der DDR. Gegen Gebühr kann im Fernseher ein Pornoprogramm empfangen werden.
Der nächste Tag steht ganz im Zeichen der Tempel. Zunächst fahre ich mit der MRT ein paar Stationen nördlich und besichtige den Konfuziustempel. Anfangs bin ich der einzige Besucher, später gesellen sich noch drei Männer zu mir. Eine Mitarbeiterin reicht mir Infomaterial in chinesischer Sprache.
Ein paar Schritte weiter befindet sich der BaoAn-Tempel mit großen Galerien unter dem Dach. Einige Gäste genießen die Morgensonne auf einer der Parkbänke oder lauschen dem Gesang der Vögel. Im Teich schwimmen ein paar kleine Fische, hin und wieder ist eine Ratte zu beobachten.
Dann fahre ich zum Long-Shan-Tempel und hier ist richtig was los. Ein kleiner Wasserfall dient vielen Besuchern als Fotomotiv. Die Gläubigen knien vor einer der zahlreichen Gottesstatuen oder opfern eine Räucherkerze. Über einem Altar schwebt eine richtige Rauchfahne. Erstaunlicherweise braucht man beim Betreten des Tempels die Schuhe nicht auszuziehen.
Wieder draußen auf der Straße wundere ich mich über den Menschenauflauf und dann sehe ich auch schon die geschmückten Autos und Gruppen in farbenprächtigen Kostümen, die an uns vorbeiziehen. Ein Mann schenkt mir eine weiße Schirmmütze mit roter Beschriftung. Hier vor Ort kann mir niemand den Grund des Umzugs erklären, später im Hotel erfahre ich, trotz Zuhilfenahme eines Übersetzungscomputers, auch nicht viel mehr, es soll sich aber um eine politische Demonstration gehandelt haben.
In der Metro fotografiere ich ein junges Mädchen mit einem kleinen niedlichen Hund in der Handtasche, eine Frau strickt im Stehen. Dann lege ich in einer Suppenküche an der Hauptstraße eine kleine Mittagspause ein, das Essen mit Stäbchen funktioniert immer besser. Überflüssiges und nicht mehr benötigtes Papier wird vor den Läden in kleinen Behältern verbrannt.
Es regnet etwas, als ich mich am Abend auf den Weg zum berühmten Nachtmarkt mache. Er befindet sich ganz in der Nähe des Long-Shan-Tempels und ist leicht zu finden. Kleine Apotheken bieten ihre Waren feil, Wurzeln und eingelegte Reptilien. In der so genannten bekannten Snake-Alley muss es früher für europäische Touristen gruselig gewesen sein, konnte man doch zusehen, wie Schlangen, Frösche oder Schildkröten bei lebendigem Leib enthäutet wurden. Heute ist es dank der Intervention von Tierschützern humaner, zumindest vor den Augen der Besucher, und die geschilderte Abhäutung ist nur noch auf Video zu sehen. Geschäfte mit diesen Produkten haben Fotografierverbotsschilder aufgehängt. Ich hatte diese für westliche Augen unverständliche Prozedur vor Jahrzehnten in Kanton in der Volksrepublik China beobachtet.
Geschäftstüchtige Marktschreier haben ein Mikrofon um den Hals gehängt und locken die Gäste in ihre Restaurants, ich hätte gern einmal eine Schlangensuppe probiert, aber der Türsteher ist mir zu dreist und aufdringlich, ich gönne ihm das Geschäft nicht und entscheide mich stattdessen für ein Fischlokal. Die Verständigung klappt nicht besonders und um ein Haar hätte ich den Fisch roh auf japanische Art erhalten. Vor dem Essen wird mir ein heißer Waschlappen zum Säubern der Hände gereicht.
Es schmeckt sehr gut, wenngleich ich den Fisch doch lieber mit Messer und Gabel zerkleinert hätte. Als Beilage gibt es grünes Gemüse und einheimisches Bier. Zum krönenden Abschluss des interessanten Tages gönne ich mir hier im Nachtmarkt noch einmal in einem der zahlreichen Salons eine Fußmassage.
Nun ist also mein letzter Tag in Taiwan angebrochen. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und ich freue mich über die warme Herbstsonne, gar kein Vergleich mit dem grauen Schmuddelwetter an den Vortagen.
Ein Taxi bringt mich für umgerechnet vier Euro zum Nationalpalastmuseum. In seinem Besitz befinden sich etwa 700.000 Exponate, zu sehen sind allerdings nur rund 15.000 und die Ausstellung wird vierteljährlich ausgewechselt. Während meines Rundgangs staune ich über die vielen Kunstwerke aus Bronze und Jade. Die Volksrepublik China erhebt Anspruch auf das Inventar und ist der Meinung, dass es ihr Eigentum sei.
Dann fahre ich mit der Metro zurück, gebe die Fahrkarte ab und erhalte das restliche Geld zurück. Die Stationen werden zweisprachig angezeigt und es erfolgt außerdem eine Ansage in Englisch. Auch die Zielorte an den Bussen sind sowohl chinesisch als auch in Druckschrift ausgezeichnet.
In einem Café verbringe ich die nächste Zeit, Raucher müssen ihrem Laster hinter einer Glasscheibe frönen. Und dann ist es auch schon Zeit, zum Flughafen zu fahren. Hier gebe ich meine restlichen NT$ aus, trinke ein paar Bier und esse eine Kleinigkeit. Die riesigen Hallen sind blitzsauber und der Fußboden glänzt im Schein der Lampen.
Pünktlich um 22.00 Uhr hebt der Flieger ab, die Sicherheitsbelehrung erfolgt per Bildschirm, auch in Gebärdensprache. Obwohl reichlich Platz vorhanden ist, das Flugzeug ist nur zu 1/3 belegt, schlafe ich schlecht. Die Beinfreiheit bei China Air ist wohl mehr den Körpermaßen der einheimischen Bevölkerung angepasst, ich jedenfalls weiß nach kurzer Zeit schon nicht mehr, wie ich meine Beine halten soll.
Nach langen 8 ¼ Stunden Flugzeit landen wir in Brisbane. Australien ist endlich erreicht.