Blühende Landschaften
Wandernd durch das Hessenland
29.05.2015 Witzenhausen bis Albungen 26 km
In Unterrieden geht es wieder über die schöne Werrabrücke und dann den unbedingt empfehlenswerten Werra-Radweg entlang. Ab und zu begegnen mir Radfahrer, zumeist Männer und jenseits der 60, aber in professionellem Outfit. Die Burg Hanstein thront majestätisch und wuchtig auf einem Berg. Im schönen Ort Werleshausen komme ich am gleichnamigen Schloss vorbei. Dann führt der Weg direkt an der Werra am Wald entlang. Gänse, Enten und zwei Schwäne genießen die warmen Sonnenstrahlen auf dem Wasser. In Lindewerra (Thüringen) verlasse ich den Radweg und gehe auf der K 118 weiter bis Wahlhausen im Landkreis Eichsfeld, ebenfalls noch in Thüringen gelegen. Pia´s Radlerrast hat leider noch geschlossen. Bevor ich Bad Sooden-Allendorf, nun wieder in Hessen, erreiche, weist ein Schild auf den früheren Eisernen Vorhang hin. Leider führt mein Navi mich dann wieder an eine Bundesstraße. Ein Tankwart meint aber, ich solle zurück- und dann links an der Werra weitergehen – schon wieder ein unnötiger Umweg! Doch die Empfehlung geht in Ordnung und so laufe ich einige Kilometer fernab des lauten Verkehrs. Während einer Pause im „Fischerstübchen“ wundere ich mich über einen kleinen Werderschal am Tresen. Weiter geht es nach Kleinvach, viele Bänke am Weg laden zum Verweilen ein. Doch dann übersehe ich wohl ein Hinweisschild und orientiere mich mit dem Navi. Hätte ich man lieber einen Passanten gefragt. Dann wäre mir ein unnützer Aufstieg auf einen Hügel erspart geblieben. Gegen 14.30 erreiche ich Albungen, rund zehn Kilometer sind noch zu bewältigen, aber mir bleiben nur noch 90 Minuten bis zur Zugabfahrt. Mein Ticket lässt leider keine spätere Verbindung zu.So warte ich auf den Bus, fahre umsonst, da der Fahrer Probleme mit der Kassentechnik hat, zum Bahnhof in Eschwege und dann mit der Eisenbahn nach Hause. Pünktlich auf die Minute.
11.06.2015 Albungen bis Sontra 23 km
Die Anfahrt bereitet Schwierigkeiten. Angeblich fällt der ICE Bremen-Göttingen wegen eines Suizids aus und stattdessen werden wir in einen anderen ICE nach Rotenburg/Wümme gesetzt, der hier einen unplanmäßigen Halt einlegt. Von dort dann weiter bis Göttingen und mit dem schon bekannten Cantus bis Eschwege. Hier warte ich noch eine Viertelstunde und fahre dann mit dem Bus nach Albungen. Mittlerweile zeigt meine Armbanduhr schon auf 13.47, d.h. vor langen 5 1/2 Stunden habe ich meine Wohnung verlassen.
Es ist angenehm warm und ein kleiner Windzug von hinten lässt das Wandern zur Freude werden. Wieder gehe ich an der Werra entlang, die Natur hat sich mächtig entwickelt und die Gerste schon eine leichte Gelbfärbung angenommen. In Niederhone überquere ich die Wehre. Am kleinen Fluss entlang geht es dann bis Reichensachsen. Über Oetmannshausen erreiche ich Hoheneiche und gelange dann nach Wichmannshausen. Dieser Ort gehört schon zur Stadt Sontra im Werra-Meissner-Kreis. Der Radweg R 5 ist gut beschildert und so komme ich heute ohne unnötigen Umweg gut voran. Ein paar Menschen arbeiten auf großen Erdbeerplantagen am Wegesrand. Um 18.40 Uhr bin ich am Ziel und checke im Gasthof „Kirschtraum“ ein. Fast hätte man mein Zimmer, da nach 18.00 Uhr, schon weitervermietet. Heute wird auf der Terrasse für Hotel- und andere Gäste gegrillt. Schnell steuere ich den letzten freien Platz an und sofort ergibt sich ein leutseliges Gespräch mit Bernd. Er wohnt in Sontra, arbeitet bei Amazon in Bad Hersfeld und gibt mir ein paar Tipps für den morgigen Weg. Später unterhalte ich mich noch mit einem hiesigen ehemaligen Berufssoldaten. Er wollte wohl ein Gespräch unter Gleichaltrigen, denn es hätte jetzt zu vorgerückter Stunde viele andere Sitzgelegenheiten gegeben. Aber es ist sehr interessant und die meisten Themen sind politischer Art. Mein Sitznachbar war jahrzehntelang SPD-Wähler und ist dann zur Linkspartei konvertiert.
12.06.2015 Sontra bis Bebra 22 km
Auch heute geht es lange auf dem R 5 weiter. Um 8.30 h mache ich mich auf den Weg, denn es soll sehr heiß werden. Und so ist es, gegen Mittag werden ca. 30 Grad gemessen. Es ist das erste Mal, dass ich keine Jacke dabei habe. Über Hornel geht es nach Berneburg und dann auf der K 50 nach Rockensüß in der Gemeinde Cornberg, ein Schild bezeichnet dieses kleine Dörfchen „Perle in Waldhessen“. Jetzt habe ich den Landkreis Hersfeld – Rotenburg erreicht.
Die Hitze macht mir zu schaffen und so unmotiviert wie heute bin ich lange nicht marschiert. Und wieder gibt es an der Wegesstrecke weder einen Laden noch eine Bäckerei, die einzige Gastwirtschaft hat freitags Ruhetag. Waren gestern noch ausreichend Bänke an schattigen Stellen mit schöner Aussicht aufgestellt, so kann heute davon keine Rede sein. Zu allem Überfluss muss ich dann auch noch über einen Berg steigen und alle Fliegen des Waldes scheinen es auf mich abgesehen zu haben. In Schwarzenhasel schenkt mir ein freundlicher Herr eine Flasche Wasser, denn mein Vorrat ist zur Neige gegangen. Dieser Ort ist ein Teil der Stadt Rotenburg/Fulda und ein Plakat weist auf eine 700 – Jahr – Feier hin. Über Lispenhausen, ebenfalls zu Rotenburg gehörend, erreiche ich Bebra und lasse mich um 14.15 Uhr total erledigt auf einen Stuhl am Bahnhof fallen. Der gut 15.000 Einwohner zählende Ort war zur Zeit der deutschen Teilung eine bedeutende Grenzübergangsstelle im Personen- und Güterverkehr. Mittlerweise ist die Bedeutung als Eisenbahnknotenpunkt zurückgegangen. Und wieder spielt die Bahn nicht mit. Statt einer Direktfahrt von Göttingen nach Bremen muss ich aus technischen Gründen in Hannover umsteigen und dann in einem überfüllten Regionalzug weiterfahren. In Neustadt a. Rbge. bietet mir eine freundliche junge Dame ihren Platz, den ich gerne und dankend annehme.
18.08.2015 Bebra bis Bad Hersfeld 16 km
In Bremen regnet es, als ich aus dem Haus trete. Ob die Wettervorhersage für Hessen wohl stimmt? Hier soll es trocken sein, und so ist es dann auch. An den nächsten Tagen freue ich mich über ideales Wanderwetter, die Temperaturen bewegen sich um die 20-Grad-Marke und ab und zu lässt sich auch die Sonne blicken. Bebra verlasse ich in südlicher Richtung und erreiche Breitenbach, am gleichnamigen See gelegen. Ein ImbisslokaI am Wasser bietet auf einem Schild „frische Muschis“ an – wenn das man stimmt. Hinter Blankenstein gehe ich ein Stück auf dem nicht so interessanten Fuß- und Radweg parallel zur B 27 bis zum zur Gemeinde Ludwigsau gehörenden Ort Mecklar. Danach wird es wieder ursprünglicher, das kleine Dorf Reilos liegt idyllisch vor einem Bergwald und kurz danach ist auch schon Friedlos erreicht. Hier lege ich eine Verschnaufpause in einem Bäckerladen ein. Nun ist es nicht mehr weit bis Bad Hersfeld. Am Stadtrand glaube ich, meinen Augen nicht trauen zu können: Ein Zaun wird mit der bekannten Werderraute geziert, welch eine Überraschung. Im zentralen „B & F Hotel“ checke ich ein. Eine überaus freundliche und kompetente junge Dame an der Rezeption versorgt mich mit den wichtigsten Tipps und nach einer schnellen Dusche geht es in die Stadt hinein.
Die Festspiel- und Kurstadt Bad Hersfeld zählt rund 30.000 Einwohner. Sie ist Kreisstadt des Landkreises Hersfeld-Rotenburg. Seit 1951 finden hier jährlich die Bad Hersfelder Festspiele in der Stiftsruine, der größten romanischen Kirchenruine Deutschlands statt. In der Altstadt sind über 200 Gebäude, zumeist Fachwerkhäuser, denkmalgeschützt. Der Marktplatz wird von schönen gotischen Patrizierhäusern dominiert. Bekannte Persönlichkeiten der Stadt sind u. a. Konrad Duden und der Computerpionier Konrad Zuse. Vor der Stiftsruine sind sie als Denkmal zu bewundern. Zum Abendessen gehe ich ins Alte Brauhaus.
19.08.2015 Bad Hersfeld bis Michelsrombach 30 km
Nach einem guten Frühstück mache ich mich auf den Weg. Längere Zeit gehe ich am schönen Kurpark vorbei, danach auf einer kleinen Straße neben der Fulda. Auf einem Feld suchen zwei Störche nach verwertbarem Futter. Dicke Schnecken liegen oder bewegen sich auf dem Sandweg, es ist eine idyllische Strecke, auf der mir nur ab und zu ein paar Radfahrer begegnen. Hinter Kohlhausen halte ich mich länger auf der L 3431 auf. In Kerspenhausen freue ich mich über eine schöne alte Kirche, dann folgt wieder ein interessanter Abschnitt durch Wald und Feld bis Niederaula, wieder sehe ich ein paar Störche, ob es dieselben sind? Hier im Ort ist es wegen einer Straßenbaumaßnahme nicht so angenehm zu gehen. Dafür gibt es aber ein Kaufhaus und ich kann meinen Wasservorrat wieder auffrischen. Weiter geht es durch die zur Stadt Schlitz gehörenden Ortschaften Unter-Wegfurth und Ober-Wegfurth im Vogelbergkreis. In dieser Gegend halte ich mich längere Zeit auf dem R 1 auf. Dann geht es auf einen Hügel hinauf und kilometerweit durch einen Wald. Es ist herrlich ruhig, einmal höre ich einen Specht hacken. In Michelsrombach, einem Ortsteil der „Konrad-Zuse-Stadt“ Hünfeld, checke ich im Landgasthof „Zum Stern“ ein, esse etwas und freue mich auch hier über die freundliche und aufmerksame Bewirtung.
20.08.2015 Michelsrombach bis Fulda 15 km
Trotz anderer Empfehlungen gehe ich heute nur auf der L 3378, es hätte einen Waldwanderweg auf der anderen Autobahnseite gegeben, aber ich habe ihn nicht auf Anhieb gefunden. Trotzdem macht es Spaß, der Autoverkehr hält sich in Grenzen, das Wetter spielt mit und 15 Kilometer sind als Tagespensum ja auch keine wirkliche Herausforderung. Der einzige Ort auf der Strecke, Lehnerz, gehört schon zur Stadt Fulda. Am Wegesrand staune ich über die zahlreichen Apfelbäume. In diesem Jahr scheint es eine gute Ernte zu geben, denn die Äste biegen sich unter der Last der noch nicht reifen Früchte.
Fulda, rund 65.000 Einwohner und am gleichnamigen Fluss gelegen, ist das Oberzentrum der Region Osthessen und Kreisstadt des Landkreises Fulda. Auf dem Weg zum Dom komme ich am Campus der Hochschule vorbei, wo über 5.000 Studenten immatrikuliert sind. Der Dom St. Salvator ist das Wahrzeichen der Stadt. In seinem Inneren befindet sich die Grabstätte des Hl. Bonifatius. Viele Gäste bestaunen die Außenfassade des Gotteshauses, aber auch die Bänke im Innenraum sind von Touristen und anderen Besuchern gut besetzt. Gegenüber besichtige ich die Anlage des Stadtschlosses und die Orangerie. Leider wird das Becken der Hauptfontäne gerade gesäubert und deshalb komme ich nicht in den Genuss dieses Wasserspiels. Gemütlich begebe ich mich zum Bahnhof und fahre heim.
26.08.2015 Fulda bis Speicherz 29 km
Heute will ich es wissen und über die Landesgrenze schreiten. Der Weg aus der Stadt Fulda hinaus gestaltet sich etwas langweilig, so wie in allen Stadtrandgebieten halt. Warenhäuser, Tankstellen, Reifenhändler etc., beim Erreichen von Bronnzell wird es angenehmer, der Verkehr lässt nach und das Wandern macht wieder Spaß. Auch die Sonne spielt mit und bei angenehmer Sommertemperatur geht es weiter über Gerbachshof nach Eichenzell. Mein Navi versucht, mich auf die B 27 zu lenken, lieber gebe ich Thalau als Ziel ein und werde auf ruhigen kleinen Wegen weitergeleitet. Nach einer Essens- und Trinkpause am Ortsausgang von Welkers, die kleine Hütte bietet sich geradezu an, betrete ich das zur Gemeinde Eichenzell gehörende Dorf Rönshausen. Weiter geht es auf einem lauschigen Waldweg am Fuße des 465 Meter hohen Rossberges. Manchmal lässt sich ein kleiner Anstieg nicht umgehen. Zu meiner Linken fließt die Fulda.
In Thalau erhole ich mich wieder draußen vor einem Café. Die besorgte Kellnerin meint, ich solle doch lieber trampen, denn jetzt kommen die ersten Rhönausläufer und die sind nicht ohne. Und sie wird Recht behalten. Beim Auffrischen des Trinkvorrates bietet die Kassiererin mir an, mich nach Feierabend mit ihrem Auto mitzunehmen, denn egal, ob ich auf der Bundesstraße oder dem Radweg gehe, jetzt wird es gebirgig. Also Zähne zusammenbeißen und fröhlich voran, auf der Bundesstraße soll es etwas näher sein, also nehme ich sie. Aber die Wanderung ist unangenehm, es gibt keinen Bürgersteig oder Fahrradweg und die Autos rauschen an mir vorbei, einmal, hinter Altenhof, weht sogar meine Mütze weg. Kurz vor Motten, endlich in Bayern, halte ich bei einem Gedenkstein an. Eine Mutter ließ ihn für ihren Sohn errichten, der 1981 an dieser Stelle von Obstdieben ermordet wurde.
Ab Motten, hier wird das Will-Bier gebraut, kann ich wieder auf kleineren Landstraßen weitergehen, lande später aber wieder an der B 27. Der Aufstieg bereitet mir ordentlich Schwierigkeiten, aber schließlich habe ich auch schon eine Strecke von 25 Kilometern hinter mir. Hier im Freistaat schmücken sich die Orte mit Kruzifixen, auf die zahlreich gehissten Flaggen von Bayern München könnte ich verzichten. Nachdem ich Kothen und Eisenhammer geschafft habe, ist es nicht mehr weit bis Speicherz und überglücklich nehme ich meinen Zimmerschlüssel im „Gasthof zum Biber“ in Empfang. Jetzt lasse ich mich von der unterfränkischen Gastfreundschaft verwöhnen, esse im Biergarten köstliches Wild und unterhalte mich mit einigen Gästen. Der Wirt stellt Hagebuttenwein her und gibt mir eine Kostprobe. 1771 wurde das Lokal gegründet und wird jetzt in 5. Generation geführt. Besorgt um mein Wohlergehen zeigt der Junior mir das Emblem vom Fränkischen Marienweg und rät, morgen unbedingt auf dieser Wanderroute zu gehen.
Ein Video über diese Wanderung kann bei YouTube angeschaut werden:
https://www.youtube.com/watch?v=XM6jgz-ENUQ&t=9s