Budapest
Budapest I
Am 30. April 1992 gegen Abend steigen Heiner und ich in Bremen in den Zug, einen Platz im Liegewagen hatten wir nicht gebucht, es sind aber genügend freie Sitze vorhanden und halbwegs ausgeschlafen fahren wir am nächsten Morgen in den Bahnhof Wien ein.
Der Anschlusszug lässt etwas auf sich warten, aber gegen Mittag sind wir am Ziel. Budapest empfängt uns bei schönstem Frühlingswetter.
Gleich nach dem Aussteigen kommt uns ein Mann entgegen und bietet uns eine Wohnung an, wir hatten noch nichts gebucht und folgen ihm gern. Über Gleise hinweg eilen wir zu seinem Wagen und fahren zum Appartement, so haben wir auch noch das Taxigeld gespart.
Die Unterkunft liegt in absoluter Nähe zum Gellertberg, sie ist preisgünstig und wir können über einige Zimmer verfügen. Beim Weggehen reicht uns unser Vermieter einen handgeschriebenen Zettel, der bescheinigt, dass wir vom 01.05. bis zum 04.05.1992 ordentliche Besitzer der Wohnung sind, abgestempelt mit Dr. Nobel Peter Apartament Service.
Nun also hinein ins Vergnügen. Die markanten Punkte in der Innenstadt kommen mir gleich wieder bekannt vor. Im April 1975 hatten wir im Abschlusssemester eine 10-tägige Studienfahrt nach Budapest organisiert und unternommen. Das Hotelschiff, in dem wir damals untergebracht wurden, liegt noch auf der Donau vor Anker, die Brücken und das Königsschloss erkenne ich auch wieder, aber viele Details sind doch in Vergessenheit geraten.
Wir schlendern in Richtung Heldenplatz und geraten ganz zufällig in eine Maifeier. Das ist genau der richtige Einstieg und wir verweilen einige Stunden, hören den Bands zu und testen unsere Trinkfestigkeit.
Mittelpunkt des genannten Platzes ist eine 36 m hohe Säule mit dem Erzengel Gabriel und ein halbkreisförmiges Denkmalensemble.
Zum Abendessen bitten wir einen Taxifahrer, uns in ein typisches ungarisches Restaurant ohne Touristen zu fahren und tatsächlich landen wir als einzige ausländische Gäste in einem gediegenen Lokal. Es schmeckt sehr gut und ist preiswert. Auf dem Nachhauseweg erfreuen wir uns an den angestrahlten und illuminierten Donaubrücken und der Burg, es ist wirklich ein prächtiges Bild.
Am nächsten Tag bleiben wir erst mal auf der Budaer Seite und steigen auf den 235 m hohen Gellertberg. Der Ausblick über die Donau ist phantastisch, so schauen wir über blühende Kastanienbäume hinweg bis auf die grüne Margareteninsel, die von zwei Donauarmen umschlossen wird.
Die Zitadelle, ein früheres Gefängnis, wird jetzt gastronomisch genutzt, davor erhebt sich das Freiheitsdenkmal.
Der Burgpalast ist weithin sichtbar, im 13. Jahrhundert wurde er erbaut, mehrmals zerstört und letztmalig 1945 vollkommen ausgebrannt. Der riesige Hof mit seinem Steinpflaster wäre ein idealer Drehort für Filme, die im Mittelalter spielen.
Budapest besticht durch seine schönen Brücken, die die Stadtteile Buda und Pest verbinden.
Die Elisabethbrücke am Gellertberg ist graziös über die Donau gespannt.
Am meisten beeindruckt mich die Kettenbrücke. Sie ist 380 m lang, schwere Ketten sind an zwei Triumphbogen befestigt, die auf Pfeilern im Fluss versenkt sind, davor jeweils zwei steinerne Löwen. Schon mein Vater schwärmte mir von diesem Bauwerk vor, das er unfreiwillig im Krieg gesehen hatte.
Das Parlamentsgebäude auf der anderen Donauseite in Pest ist unübersehbar - wegen seiner Größe und wegen seiner Schönheit. Wir können es leider nur von außen bewundern, eine Besichtigung der Innenräume ist nicht möglich. Aber dennoch, diese Pracht, Türme, eine große Kuppel, eine Freitreppe von zwei Löwen flankiert, ist gewaltig und ich bin ganz hingerissen von diesem Bauwerk.
Wir schlendern durch Pest, das sich schon sehr den westeuropäischen Metropolen angeglichen hat, legen einige Pausen in altehrwürdigen Kaffeehäusern und rustikalen Bierkellern ein und genießen den Tag.
Abends auf dem Weg ins Appartement bleiben wir noch für einige Momente in der Diskothek des Gellert-Hotels.
Am nächsten Tag wandern wir über die Margareteninsel. Sie ist etwa 2,5 km lang und 500 m breit. Privater Autoverkehr ist nicht zugelassen. Viele Menschen liegen am Ufer des Donauarmes und genießen die warme Frühlingssonne, andere suchen unter den alten Bäumen nach Schatten. Bei meinem ersten Besuch haben wir auf der Insel in einem Thermalbad gebadet.
Die Fischerbastei mit den Türmen, Arkaden und weißen Mauern ist das Fotomotiv von Budapest. Gerade in dieser Zeit, eingebettet in weiße Kastanienblüten, könnte die Ansicht nicht schöner sein.
Davor erhebt sich das Reiterstandbild König Stephans.
Gleich in der Nachbarschaft kann die Matthiaskirche besichtigt werden. Viele ungarische Könige wurden hier gekrönt. Während der Türkenherrschaft wurde sie zur Moschee umgestaltet. Vor dem Gotteshaus erhebt sich die Dreifaltigkeitssäule, errichtet nach Beendigung der Pestepidemie.
Riesige Menschenmengen, viele Reisegruppen und Schulklassen sind auf dem Burgberg unterwegs und erleben mit uns dieses prächtige Ambiente.
Am letzten Tag fahren wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Außenbezirke und spazieren durch Straßen, über die im Reiseführer nicht berichtet wird. Aber auch das ist interessant und vermittelt einen guten Eindruck.
Im traditionsreichen Café New York - Hungaria lassen wir die Erlebnisse noch einmal an uns vorbeiziehen. Am nächsten Morgen weckt uns ein Taxifahrer rechtzeitig und bringt uns kurz darauf zum Bahnhof.