Durchs Watt nach Neuwerk
Was haben wir für ein Glück! Tage vorher regnet es und die Sonne zeigt sich nur so dann und wann. Doch jetzt, gegen Mittag des 19. August 2006, scheint sie vom Himmel, als ob sie was gutzumachen hätte, keine Wolke trübt das Bild.
Wir sind insgesamt 39 Personen. Michael hat die Reise geplant und organisiert und freut sich über die gewaltige Resonanz. Die Werbung für diesen Ausflug bei den Veranstaltungen seines Coaching Centers muss wohl doch erfolgreich gewesen sein.
Um 12.30 Uhr setzt sich der Bus in Bewegung und nach gut 90minütiger Fahrt erreichen wir Sahlenburg, den Ausgangspunkt unserer Wattwanderung. Doch was ist hier los! Etliche andere Gruppen verfolgen dasselbe Ziel wie wir, das kann ja heiter werden, meine Laune kriegt einen kleinen Dämpfer.
Jetzt noch etwas Sonnencreme auftragen, die Mütze auf den Kopf, und schon setzen wir uns in Bewegung. Die meisten unserer Reisegruppe gehen mit ihren Nordic-Walking-Stöcken, einige ohne diese Hilfsmittel, andere fahren mit der Pferdekutsche über das Watt.
Vor uns liegen gut 11 oder knapp 12 Kilometer, der Wanderweg ist durch Sträucher gekennzeichnet und Neuwerk vom Festland gut sichtbar. Sofort legen Karin, eine pensionierte Lehrerin, und ich etwas Tempo vor und überholen so lange die vor uns gehenden Wattläufer, bis wir freie Sicht auf die Insel haben und sich niemand mehr vor uns befindet.
Die Wanderung ist hervorragend, besonders nachdem wir die restlichen Teilnehmer hinter uns gelassen haben. Sonnenschein, das Wasser, die Ruhe, ich weiß nicht, was mir am besten gefallen hat, es ist jedenfalls ein großes Erlebnis, durch den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer zu gehen.
Einige Leute, die wir unterwegs überholen, laufen barfuß und haben manchmal Probleme mit den scharfen Muschelkanten oder mit dem Gestein. Der erste Priel, den wir durchqueren, hat eine relativ starke Strömung und ich freue mich, dass die Walking-Stöcke auch hervorragend geeignet sind, um die Balance im Wasser zu halten, das an einigen Stellen bis über das Knie reicht.
Hin und wieder werden wir von Reitern überholt. Eine, wahrscheinlich ungeübte, Reiterin soll, so höre ich später, mit dem Pferd gestürzt und unter das Tier gefallen sein. Manchmal begegnen uns Pferdefuhrwerke mit Gästen oder Treckergespanne, die das Gepäck der Inselbesucher transportieren.
Das Gehen ist relativ einfach, der Boden ist meistens hart und fest, nur an einigen Stellen sackt man etwas ein und kommt nicht so zügig voran, bei den Prielen ist manchmal etwas Vorsicht angesagt. Auf wie viele Wattwürmer, die mit der Farbe des Bodens getarnt sind, mögen wir getreten haben?
Ein paar Kilometer sind noch zu laufen, als die "Watt-Oase" vor uns auftaucht, ein Gummiwagen mit Bier und anderen Getränken, den ein findiger und geschäftstüchtiger Inselbauer ins Watt gefahren hat. Einige Gäste erfrischen sich, ich persönlich halte diesen Service für mehr als überflüssig.
Nach einer Stunde und vierzig Minuten sind wir am Ziel und betreten die Insel Neuwerk. Glücklich und auch ein wenig stolz ob dieser Zeit geben Karin und ich uns die Hand und gratulieren uns gegenseitig. Michael, ein jüngerer Teilnehmer aus unserer Gruppe, hatte uns überholt und wartet bereits auf dem Deich. So nach und nach stellen sich die anderen ein und sind ebenfalls erfreut, eine gute Zeit erreicht zu haben.
Nachdem wir uns an einer Waschstelle reinigen und erfrischen konnten, orientieren wir uns zum Hof von Hans-Werner Fock, der dort "Das alte Fischerhaus" betreibt.
Die Kaffeetafel ist schon gedeckt und so gönnen wir uns eine kleine Pause. Zwischendurch möchte ich mich über die Bundesliga informieren, aber mein Handy hat Empfangsprobleme. Auf dem Deich geht es besser und so erfahre ich, dass Werder gegen Leverkusen souverän gewonnen hat.
Nun haben wir noch etwas Zeit zur freien Verfügung und zusammen mit Ingrid laufe ich ein Stück auf dem Deich entlang und genieße die Spätnachmittagssonne, den Blick auf die Insel und auf das glitzernde Wattenmeer bei einsetzender Flut. Später steigen wir noch auf den Wasserturm und treffen hier auf Karin und Mechthild. Die Aussicht von hier oben ist berauschend. Der Turm ist, so erfahren wir, Hamburgs ältestes Bauwerk, denn Neuwerk gehört zur Stadt Hamburg. Ein Tatort, an den ich mich zu erinnern glaube, mit Manfred Krug und Charles Brauer, wurde hier teilweise gedreht. Grund genug, um in dem Turmlokal noch ein Getränk zu bestellen.
Im Internet lese ich später, dass die Insel rund drei Quadratkilometer groß ist und man etwa eine Stunde benötigt, um sie auf dem Hauptdeich zu umrunden. Bademöglichkeit bieten ein paar kleine Strände in der Nähe des neuen Radarturms.
Zum Abendessen treffen wir uns wieder im "Alten Fischerhaus", das Menü hatten wir schon im Bus auf der Hinfahrt ausgewählt. Ich bekomme fangfrischen Seelachs mit Salat und Bratkartoffeln und es schmeckt hervorragend. Später verteilt der Wirt noch Nachschlag auf Wunsch. Das Bier steht binnen kurzer Zeit auf dem Tisch, die Bedienung weiß, dass die meisten Gäste nur begrenzt Zeit haben und mit dem Schiff zurückfahren müssen, alles ist bestens und sehr professionell organisiert. Ein Heuhotel gehört zum Haus.
Die Fahrt mit dem Schiff nach Cuxhaven dauert etwa 1,5 Stunden und wir erleben einen Sonnenuntergang, den ich in Deutschland ganz selten gesehen habe, die Fotos könnte ich auch meinen Karibik-Bildern untermischen, ohne dass jemand Verdacht schöpft, einfach wunderschön.
Unser Bus wartet bereits am Hafen, zufrieden und in der Gewissheit, einen tollen und erfolgreichen Nachmittag erlebt zu haben, treten wir die Heimfahrt an. Unterwegs auf dem Weg zurück nach Bremen werden wir von einem Gewitter überrascht und es regnet heftig, aber wen stört das schon …