Auf nach Nordzypern
Famagusta
Ungemütlich und nass ist das vorherrschende deutsche Wetter, also ab in südlichere Gefilde. Glücklicherweise streikt die GdL am 26. Februar 2024 nicht und so fahre ich mit der Bahn nach Hamburg und von dort fliege ich mit der mir bisher unbekannten Gesellschaft „Firebird“ nach Antalya. Die südtürkische Stadt empfängt uns mit heftigem Regen. Von dort geht es nach kurzer Pause weiter zum Zielflughafen Ercan, denn Nordzypern darf nur von der Türkei aus angeflogen werden, das soll einer verstehen. Im Flugzeug sitzen rund 170 Passagiere, alles Kunden von Reise Service Deutschland (RSD), alles Teilnehmer der einwöchigen Rundfahrt durch den türkischen Teil Zyperns. Zu den Gästen gehören u. a. 18 Bremer Frauen türkischer Herkunft, mit denen ich häufiger Kontakt haben werde. Der Airbus 320 ist nicht besonders komfortabel, so fehlt das Gepäcknetz am Vordersitz, der Bildschirm bleibt aus und zum Schluss sind auch noch Toilette und Waschbecken verstopft.
Nach dem Auschecken, ich bin als erster draußen, werden wir auf fünf Busse verteilt. Unser Reisebegleiter heißt Mesut, der Fahrer Ibrahim. An den nächsten Tagen werden wir von Mesut, der geschichtlich sehr gut informiert ist, viele Details über Zypern insgesamt, über die Geschichte und die Lebensumstände in Nordzypern erhalten, über die soziale Situation, über Bildung und Kultur. Dann ist unser Hotel „Grand Sapphire City“ in Famagusta erreicht, hier werden wir die nächsten drei Nächte verbringen. Mein Zimmer gefällt mir, so habe ich einen tollen Ausblick auf den Pool, allerdings stört ein permanent kläffender Hund meine Nachtruhe etwas. Die meisten Mitreisenden haben das sog. Genusspaket gebucht, das ein Abendessen mit einschließt, ich gehe lieber zum Dinner in umliegende Restaurants, wobei mir das „Califorian“ in besonders guter Erinnerung bleiben wird. In der Hotelbar bin ich häufig einziger Gast, einmal streikt die Zapfanlage und um 23:00 Uhr wird das Licht gelöscht.
Am nächsten Morgen freue ich mich über das reichhaltige Frühstücksbuffet, bin allerdings leicht irritiert, dass mein Teller und meine Tasse sofort abgeräumt werden, sobald ich aufstehe, um mir Nachschub zu holen. Doch nun genug der kritischen Anmerkungen, denn wir werden eine wunderbare Kultur kennen lernen und uns 15 Tage lang über blauen Himmel und warmen Sonnenschein freuen. Im Sommer 2003 hatte ich Zypern erstmalig bereist, allerdings den griechischen Teil, abgesehen von ein paar Stunden in der türkischen Zone von Nikosia, der damals und heute einzigen geteilten Stadt Europas.
Unser heutiges Programm ist prall, so dass wir bereits um 8:15 Uhr losfahren, es herrscht Linksverkehr. Mesut nutzt die Fahrzeit, um uns mit Nordzypern vertraut zu machen und ich bemühe mich, alles zu notieren, was bei fahrendem Bus gar nicht so einfach ist. So erfahren wir, dass Nordzypern etwa 400.000 Einwohner hat, der griechische Teil über 900.000. Mesut, gebürtiger Türke, meint, dass die Nordzyprioten einen anderen Dialekt sprechen als die Türken und auch eine andere Mentalität haben. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre, die sich nach der Pandemie noch erhöht hat. Ab 1878 regierten die Briten, 1960 wurde Zypern nach mehrjährigem Freiheitskampf ein selbständiger Staat. Doch es folgten Auseinandersetzungen zwischen den türkischen und griechischen Zyprioten. Am 15. November 1983 wurde die Türkische Republik Nordzypern proklamiert und betrachtet sich als souveräner Staat, wird jedoch nur und einzig von der Türkei als autonomer Staat anerkannt. Bezahlt wird in Türkischer Lira, für einen Euro erhält man derzeit rd. 33,40 TL. Der Südteil der Insel ist als Republik Zypern bekannt und Teil der Europäischen Union. Bewohnt wird er von griechisch stämmigen Menschen, von daher spricht man auch vom griechischen Teil Zyperns. Die EU endet quasi an der Green Line, der Grenze, die beide Teile trennt. Dann ist unser erstes Ziel erreicht: das antike Salamis, lateinisch Constantia.
Die Gründung wird auf das 11. Jahrhundert v. Chr. geschätzt, in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends v. Chr. war Salamis das mächtigste Stadtkönigreich der Insel. Aufgrund seiner Hafenlage entwickelte sich die Stadt zu einem Handelszentrum und zählte 45 n. Chr. bereits 100.000 Einwohner. Allerdings sorgten Erdbeben und Kriege immer wieder für Zerstörung. Dann verlandete der Hafen und im Jahre 647 kam eine Araberflotte mit 1.700 Schiffen und legte alles in Schutt und Asche, die Bewohner flüchteten nach Famagusta. Langsam schlendern wir durch die Anlage und schauen uns die bisher freigelegten Ruinen, die sich teilweise im satten Grün verstecken, an.
So sehen wir uns die Therme an, die Latrinen, das Gymnasion und das Römische Theater, das Amphitheater und Reste der Basiliken. Die meisten Statuen bestehen nur noch aus dem Rumpf. Bei den Schwimmbecken kann man noch die frühere Pracht erahnen, so fand man Mosaiken, Fresken und Überreste der Thermalanlagen, die durch das Hypokaustum beheizt wurden. Im Fußboden und in den Wänden befand sich ein Netz von Leitungen, die die heiße Luft transportierten. Sklaven waren für die Befeuerung der Heißluft zuständig.
Das Gymnasion oder Gymnasium, früher ein Ort der Erholung und der Entspannung, fiel ebenfalls einem Erdbeben zum Opfer, wurde Anfang des 1. Jahrhunderts n. Chr. wieder aufgebaut und entwickelte sich mit seinen Marmorsäulen zu einem über Zypern hinaus bekannten Prachtbau.
44 Gäste fanden Platz in der feudalen Latrine, einer öffentliche Bedürfnisanstalt mit Marmorsitzen und einem von Marmorsäulen getragenen Dach. Trennende Wände, die eine mögliche Unterhaltung stören könnten, gab es nicht. Ein Brunnen sorgte für Abkühlung, in langen Rillen wurde das „was raus musste“ weggespült und das Spülwasser diente auch noch der Gesäßreinigung, d. h. die an Stöcken befestigten Schwämme wurden hier ausgewaschen.
Das Amphitheater ist noch nicht vollständig freigelegt, es sind nur ein paar Sitze erkennbar. Anders beim Römischen Theater, das von 1952 bis 1974 ausgegraben wurde. Erbaut in der Zeit von Kaiser Augustus passten damals rund 15.000 Zuschauer in das Odeon, nach der Zeitenwende eines der größten seiner Art im Mittelmeerraum. Selbst der Orchestergraben war mit einem Marmorboden ausgestattet.
Beeindruckt gehen wir zum Bus, der erstaunlicherweise nur vorne einen Eingang hat und fahren zum benachbarten Barnabas-Kloster. Mesut erklärt uns die Flora und macht auf Lorbeer- und Gummibäume aufmerksam. Das Kloster ehrt den Märtyrer Barnabas, der im Jahre 45 n. Chr. zusammen mit Apostel Paulus nach Zypern gekommen sein soll und hier seine Grabstelle entdeckt wurde. Im Jahre 1974 verließen die letzten Mönche die Abtei. In der Klosterkirche befindet sich ein Ikonenmuseum, im Klostergebäude ein archäologisches Museum mit zahlreichen Ikonen. Draußen brennt die Sonne vom Himmel und so gönne ich mir ein Glas frisch gepressten Granatapfelsaft.
Auf dem Weg in die Hauptstat Nikosia, auch Levkosia (griech.)oder Levkoşa (türk.) genannt, erfahren wir von unserem geschichtlich sehr gut informierten Reiseführer, dass Gerste oder Weizen zweimal im Jahr geerntet werden könnte, Gerste wegen Wasserknappheit jedoch nur einmal. Ende Mai endet die Erntezeit. Die meisten Häuser verfügen über einen Wasserspeicher auf dem Dach und haben, da an etwa 330 Tagen die Sonnen scheint, permanent Warmwasser. Waren in touristischen Läden haben ihre Preise in Euro ausgezeichnet. Die Kriminalitätsquote im Lande soll relativ gering sein. Viele Nordzyprioten haben einen britischen Zweitpass. Früher legten zahlreiche Seefahrer einen Zwischenstopp auf Zypern ein. Das hiesige Parlament soll lt. Mesut aus 50 Personen bestehen, fünf Minister regieren Nordzypern. Bei einer Tankstelle traue ich meinen Augen nicht: ein Liter Normalbenzin kostet lediglich einen Euro, in Deutschland zu dieser Zeit rund 80 Prozent mehr. Unser Fahrer darf als Südzypriot in den griechischen Teil der Insel, Mesut als Türke nicht, ich kann es nicht verstehen. An einem Berg erkennen wir die aus kleinen Steinen hergestellte nordzyprische und die türkische Flagge auf einer Fläche von mehreren Fußballfeldern.
Am Girne-Tor verlassen wir den Bus und machen uns auf den Weg durch die einzige geteilte Hauptstadt der Welt, in der insgesamt knapp 120.000 Menschen wohnen. Vorbei an einigen Museen schauen wir uns das Gerichtsgebäude und die venezianische Säule auf dem Atatürkplatz an und streben dann zur alten Karawanserei mit ihren Shops, Dönerbuden und Orten, die zum Konsum animieren. Danach gehe ich für einen Moment über die Grenze in den griechischen Teil und erhole mich mit einem kühlen Getränk.
Zurück auf der anderen Seite speise ich draußen unter einem Sonnenschirm und gönne mir eine Flasche Efes. Es wundert mich, dass so viele Autos der Marke Mercedes auf der Straße fahren. In der Nähe des Girne-Tores, in dem sich ein Tourist Office befindet und Derwischtanzen am Abend für sieben Euro anbietet, warte ich auf die Abfahrt des Busses. Zwei Denkmäler erwecken meine Aufmerksamkeit: Atatürk und Dr. Fazil Kücük. Mustafa Kemal Atatürk, Vater der Türken, als Begründer der Republik ist mir bekannt. Vom Vizepräsident der Republik Zypern, Dr. Kücük, hatte ich bisher nichts gehört. Als studierter Mediziner setzte er sich für die Rechte der Zyperntürken ein und besuchte am sechsten Geburtstag meines Bruders sogar Berlin.
Auf der Rückfahrt nach Famagusta staune ich über die Hala Sultan Moschee vor den Toren der Stadt, aber auch über die zahlreichen Spielcasinos oder Betting Clubs in mondänen Hotels. Gelb leuchten der blühende Raps und der Ginster, Akazien bewegen sich im Wind. Zum Abendessen gehe ich über voll geparkte Bürgersteige und Gehwege mit Schlaglöchern zum „Califorian“, speise ausgezeichnet und verlebe ein paar schöne Stunden unter dem Schutz eines Baldachins. Zurück im Hotel warte ich in der Bar als einziger Gast wieder geraume Zeit auf mein Bier, und den einheimischen Wein gibt es nur flaschenweise.
Am nächsten Morgen fahren wir zum Miniaturenpark, nach Minia Kibris. Hier erwarten uns neben einer Kirche aus dem 11. Jahrhundert 15 interessante Sehenswürdigkeiten des Landes en miniature. Aber natürlich kann man sich hier auch stärken. Die kleinen Nachbildungen liegen fotogen zwischen Lavendelfeldern, flankiert von Maulbeerbäumen. Weiter geht es über die Karpaz-Halbinsel, vorbei an einer wunderschönen Küstenlandschaft mit Dattelpalmen und Wacholderbüschen.
Unser nächstes Ziel heißt Dip Karpaz. Dieses auch Rizokarpaso genannte Fischerdörfchen mit etwa 5.500 Einwohnern besticht durch eine griechische Kirche, etwa 250 Zyperngriechen wohnen hier, und durch eine Moschee mit einer wunderschönen Inneneinrichtung. Vor vielen Häusern steht ein Zitronenbaum, meistens auch ein Ofen zum Brotbacken. An einem Stand erwerbe ich Johannisbrot, mag es roh aber nicht besonders. Aufgrund der starken Auslandsnachfrage nach dieser Frucht wird das Johannisbrot auch „schwarzes Gold“ genannt, denn es bringt satte Devisen. Olivenbäume stehen am Wegesrand und Mesut meint, er könne sich ein Frühstück ohne diese Früchte gar nicht vorstellen. Weiter geht es an leeren malerischen Sandstränden vorbei bis zum Golden Beach, wo wir einen kurzen Fotostopp einlegen.
Plötzlich geht es nicht mehr weiter und unser Bus muss vor einem Tor anhalten. Man glaubt es kaum, wilde Esel versperren den Weg und können nur mit ein paar Möhren weggelockt werden. Es ist ein tolles Erlebnis, etwa 350 Tiere leben in diesem eingezäunten Gebiet und hier nutze ich die Gelegenheit, mein Johannisbrot an die Grautiere zu verfüttern, sie scheinen es zu mögen. In dieser Gegend gibt es Alpenveilchen, Weinstöcke und Pistazien. Unser nächster Halt erfolgt beim Andreaskloster, einem der wichtigsten Wallfahrtsorte der zypriotisch-orthodoxen Kirche. Apostel Andreas wird als großer Wundertäter verehrt. Wurde dieser Ort nach Teilung der Insel von den im nördlichen Teil verbliebenen Zyperngriechen besucht, so haben seit den 90er Jahren auch Bewohner Südzyperns an bestimmten Tagen die Möglichkeit, für eine Andacht hier her zu kommen.
Unser nächster Besuch findet in einem Fischerdorf mit dem leicht auszusprechenden Namen Büyükkonuk, einem Vorzeigeort, statt. Hier besichtigen wir die Kirche Agios Afksentios, sie wurde durch ein Kulturprojekt der EU restauriert. Mich interessiert aber mehr die hiesige Produktion von Zivania, einem Tresterschnaps, der auch Cyprus Whisky genannt wird. Es gibt ihn in verschiedenen Farben mit unterschiedlichen Zusätzen. Selbstverständlich darf eine Probe nicht fehlen. Aber auch das hier gepresste Olivenöl sagt mir sehr zu. Eine Frauenkooperative verkauft an verschiedenen Ständen einheimische Produkte und der Marzipantee, den ich mir hier gönne, ist unübertrefflich. Viele Hunde laufen zwischen unseren Beinen herum und erwarten ein kleines Leckerli. Bei der Rückfahrt weist uns Mesut auf Mimosen und Passionsfruchtbäume hin, den Palastbau „Lions Garden“, an dem wir schon öfter vorbeigekommen sind, verschweigt er. Es ist ja auch nur ein Hochzeitspalast der Gegenwart.
Zum Abendessen bin ich mit Beatrice verabredet. Über schlecht begehbare Bürgersteige, wie oben beschrieben, machen wir uns auf die Suche, kehren dann aber um und speisen in einer normalen Dönerbude in der Nähe des Hotels. Beatrice fragt nach einer Artischocke, am Nebentisch wird gerade eine verspeist, und Minuten später haben wir unser veganes Mahl, nur wir wissen nicht, wie man damit umgeht, ein Mitarbeiter zeigt es uns. Es sagt uns aber nicht sonderlich zu. Ein Grinsen kann ich mir nicht verkneifen, die Artischocke und meine zwei Flaschen Bier wurden extra vom Supermarkt gegenüber geholt. Wenn das kein Service ist!
Der nächste Tag beginnt mit dem unvermeidlichen Besuch einer Teppichfabrik im Freihafen. Mir sagt es überhaupt nicht zu und so ergreife ich die erste Möglichkeit und „fliehe“ aus dem Vorführraum. Andere Mitreisende sind ebenfalls meiner Meinung. Dann fahren wir in die Altstadt von Famagusta und halten uns dort geraume Zeit auf. Die Stadt, auch Gazimağusa oder auf Griechisch Ammochostos genannt, zählt etwa 40.000 Einwohner und gehörte im 14./15. Jahrhundert zu den reichsten am Mittelmeer. Wir haben ausreichend Zeit zur Verfügung und so schauen wir uns in aller Ruhe die Lala-Mustafa-Moschee an, die als gotische Nikolaus-Kathedrale im 14. Jahrhundert fertig gestellt wurde. Im Jahre 1571 durch Osmanen zerstört, wurde auf den Sockel des Nordturms ein Minarett gesetzt und so verwandelte sich die dreischiffige Basilika in eine Moschee. Auf einem Platz erinnern bunte Aufsteller an das Erdbeben in der Türkei im Februar 2023
Ein paar Momente wandern wir auf der 3,5 Kilometer langen Stadtmauer und haben eine wunderbare Aussicht auf die verbliebenen 35 Kirchen und auf die Ruinen. Ein Besuch des Othello-Turms darf natürlich nicht fehlen. Als Teil der Stadtbefestigung war William Shakespeare der Meinung, dass hier der Schauplatz des Dramas zwischen Othello und Desdemona angesiedelt war. Abends beobachte ich auf meinem Balkon, wie Gabi im Pool anmutig ihre Runden dreht, später spielen wir bei mir zusammen mit Beatrice noch ein paar Runden Rummycub. Gabi´s im Duty Free Shop erworbener Likör und mein türkischer Wein leisten uns Gesellschaft.
Anderntags, auf der Weiterfahrt nach Girne, hören wir von unserem Reiseleiter, dass der Lebensstandard hier etwas höher ist als in der Türkei. So soll es wenige Bettler geben und wenn, sind es keine Einheimischen. Der Durchschnittslohn soll monatlich 800,- bis 900 Euro betragen und, so Mesut, „Beamte verdienen mehr und arbeiten weniger“. Wegen Nachwuchsproblemen auf dem Arbeitsmarkt ist man auf der Suche nach Gastarbeitern. Auch erklärt er uns ausführlich, wie es seiner Mutter gelungen ist, ihn mit einer ihr zusagenden Frau zu verkuppeln. Mütter sollen immer noch großen Einfluss bei der Auswahl von Schwiegertöchtern haben. In der Ferne können wir das Haus von Erzbischof Makarios erkennen. Leider folgt dann ein Stopp in einer Lederfabrik, wo ich mich ebenfalls davonschleiche.
Die Ruine des Klosters Bellapais, gut sechs Kilometer vor Girne, interessiert mich da schon mehr. Der britische Schriftsteller Lawrence Durrell, der hier in den 50er Jahren lebte, beschrieb den Ort als eines der schönsten Flecken der Erde. Seine Eindrücke hat er im Buch „Bittere Limonen“ verarbeitet. Der Ort mit seiner Abtei, einer gotischen Klosterruine, gefällt mir. Keine Hektik, ruhiges Herumgehen, kein Vergleich mit Famagusta. Erbaut im 13. Jahrhundert, wurde sie später von katholischen Genuesern und türkischen Eroberern zerstört und die Einwohner nutzten den Steinbruch als Baugut für ihre Häuser. Heute finden hier Konzerte und andere Aufführungen statt. An einem Kiosk probiere ich einen empfohlenen Brandy sour und werde nicht enttäuscht. Dann ist Girne, griech. Kyrenia, erreicht und wir checken ein im relativ zentral gegenüber einem Denkmal für Geschlechtergleichheit gelegenen Hotel „Pia Bella“.
Girne
Nachmittags besichtigen wir noch die Burg oder Festungsanlage und haben von der Mauer einen imposanten Blick auf das Pentadaktylos-Gebirge. Im Museum begeistert mich ein vor etwa 2.300 Jahren gesunkenes Wrack. Ein paar der über 400 Weinamphoren, die das Handelsschiff als Fracht transportierte, sind ebenfalls ausgestellt. Den Kerker sehen wir uns ebenfalls an. Gleich neben der Burg liegt der hufeisenförmige Alte Hafen mit Segelschiffen, Booten usw. Gemütliche Bars und Fischrestaurants warten auf Gäste. Abends esse ich im „avanti“ nebenan, im Nebenzimmer wird gerade ein Kindergeburtstag gefeiert. Später zeigt mir ein Mitarbeiter, wir man hier Raki trinkt, nämlich verdünnt mit Eis und Wasser – ich mag beide Versionen. Zum Schluss noch ein paar Runden Rummycub und wieder einmal freue ich mich, viele interessante Stunden erlebt zu haben.
Der nächste Tag steht zur freien Verfügung, einige Mitreisende haben sich einer fakultativen Inseltour angeschlossen, ich mache nach einem sehr gemütlichen Frühstück im Hotel einen längeren Spaziergang zum Hafen, gönne mir eine Massage, esse in der Nähe meines Hotels mit zwei Mitreisenden aus der Nähe von Hannover zu Abend und verbringe den Rest des Tages zusammen mit Hong und Olaf in der Hotelbar. Der Distrikt Girne hat gut 33.000 Einwohner. Hier fallen mir besonders die hübschen dunkelhaarigen Frauen im Minirock auf, auch meine ich, in dieser Gegend mehr Dolmuşe, also Sammeltaxis, als vorher zu begegnen.
Heute ist Sonntag und ich schließe mich einer fakultativen Landtour an. Mit Jeeps nebst Anhänger machen wir uns auf den Weg. In der Nähe von Akdeniz dürfen wir beim Brotbacken zusehen und selber einen Teig kneten, das Produkt wird in den Ofen geschoben und uns zum Lunch gereicht. Auch wird uns die Zubereitung von Schafskäse gezeigt und erklärt, das Produkt habe ich aber nicht genossen, wohl aber das mit anderen Zutaten geröstete Johannisbrot. In einem Gehege werden Ziegen mit teilweise überlangen Ohren und Schafe gehalten. In der Nähe des Hofes schauen wir uns noch alte Königsgräber an und fahren dann zum Carettastrand. Während der Schlüpfzeit ist er für Besucher gesperrt. Wir erfahren, dass nur ein Prozent der kleinen Schildkröten diese Wanderung ins Meer überlebt - und dann ist die Rundreise beendet. Zum Abendessen gehe ich in den Alten Hafen und genieße unter freiem Himmel den leckeren Fisch.
Nun haben wir noch eine Woche Zeit, um uns von der Reise zu erholen. Wo wir die nächsten sieben Tage unterkommen werden wird uns erst jetzt gesagt. Wir bleiben in Girne und belegen unsere Zimmer im etwa einen Kilometer vom PiaBella entfernten OSCAR Resort Hotel. Mein Zimmer gefällt mir nicht unbedingt, auch wundere ich mich, dass mein Telefon während des gesamten Aufenthaltes nicht funktioniert und in der Bartoilette Papier fehlt, jedenfalls in der Herrenabteilung. Es ärgert mich, dass während dieser Zeit nur Halbpension oder all inclusive gebucht werden kann, aus Trotz habe ich es verweigert und im Nachhinein auch nicht bedauert. Doch nun genug des Meckerns.
Wir haben wieder täglich herrlichen Sonnenschein und blauen Himmel, können im Mittelmeer baden, was sogar jetzt Anfang März möglich ist. Das Wasser ist 19 Grad warm und ich komme dieser Gelegenheit gerne nach. Mit einem Shuttle können wir täglich dreimal kostenlos ins Zentrum und zurück fahren. Einige Male esse ich am Hafen in freier Natur zu Abend, manchmal im „avanti“, wo der Raki zur Neige gegangen ist. Ein paar Damen mieten sich ein Auto und berichten hoch erfreut, dass sie im Gebirge Wildorchideen erblickt haben.
An einem Abend bittet ein Duo zum Tanz, am nächsten Tag wird Bingo angeboten, wo Mario den ersten Preis ergattert, an den folgenden Tagen dürfen wir am Karaoke teilnehmen oder bekannte Melodien erraten, es wird nicht langweilig. Mit Hong und Olaf treffe ich mich ein paar Male zum Essen oder zum Spaziergang ins Zentrum, hier kann man es gut aushalten.
Schade, dass am nächsten Morgen gegen 2:00 Uhr die Nacht vorbei ist …
PS: Ein Video von dieser Reise kann bei YouTube unter
https://youtu.be/Z8P9fjFOTEM
angesehen werden. Viel Spaß dabei!