Ostern auf Usedom
Warme Sonnenstrahlen in der Karwoche ermuntern mich, einen Kurzurlaub einzulegen und das Osterfest 2005 auf Usedom zu feiern. Es ist zwar erst März und wahrscheinlich wird die Insel auch voller Besucher sein, aber während der Feiertage braucht man wenigstens das eigene Urlaubskonto nicht anzugreifen.
Spätnachmittags am Karfreitag beginne ich die Fahrt, es ist kühl und regnerisch. Die erste Nacht verbringe ich in Rostock in der Pension "Altes Hafenhaus" in der Strandstraße an der Warnow. Von der Inhaberin werde ich sehr freundlich empfangen und sie gibt mir einige Tipps für die Gestaltung des Abends.
Die Autobahn bis Usedom ist noch nicht komplett ausgebaut, einige Male wird der Weg durch kleine Ortschaften gelenkt. Mir gefällt es, in einigen Dörfern ist der Charme der DDR noch zu spüren, aber manchmal auch die Tristesse. Aber wo findet man in Westdeutschland an Autobahnverbindungen bzw. –zubringern noch Bäume am Wegesrand. Manchmal wähle ich bewusst einen kleinen Umweg und fahre durch Orte mit Kopfsteinpflaster, das noch aus der Vorkriegszeit zu stammen scheint.
Über Greifswald geht es bis Wolgast, dann über die Peenebrücke und schon habe ich die zweitgrößte deutsche Insel erreicht, die, so steht es im Reiseführer, zur sonnenreichsten Ferienregion des Landes gehört. Jetzt allerdings ist es kühl und neblig, den Wetterbericht im Auto kann ich schon gar nicht mehr hören, denn demnach ist das Wetter im restlichen Norddeutschland angenehmer.
Usedom hat eine große touristische Vergangenheit. So residierten hier Könige und Kaiser, hohe Politiker und bekannte Künstler, Persönlichkeiten von Rang und Namen. Der weiße feine Sandstrand war immer vorhanden, die edlen Villen wurden mittlerweile renoviert bzw. ist man dabei, die alte Pracht wieder zum Vorschein zu bringen.
Vor dem Zweiten Weltkrieg stellten die Berliner den größten Gästeanteil. Aus der Zeit stammt auch die damals sicher nicht unzutreffende Bezeichnung "Badewanne der Berliner". Danach, in Zeiten des Arbeiter- und Bauernstaates, kamen die Sachsen, die auch heute noch sehr präsent sind.
Zunächst fahre ich, vorbei an den Seebädern Zinnowitz, Koserow, Ückeritz und Bansin, nach Ahlbeck. Vor einigen Tagen hatte ich ein Zimmer in der Pension "Carlsburg" reserviert. Auch hier werde ich von Frau Persian, der Inhaberin, überaus freundlich empfangen. In einer Minute ist man am Strand bzw. an der Promenade. Das Haus ist seit über 100 Jahren im Dienst der Feriengäste.
Leider ist das Wetter immer schlechter geworden und so greife ich zu meiner dicken Jacke, eine Sonnenbrille ist nicht notwendig. Gestern soll es noch, so Frau Persian, sonnig und frühlingshaft warm gewesen sein.
Langsam schlendere ich die Promenade entlang, gehe manchmal kurz an den Strand, der hier bis zu 70 m breit wird, und lasse mich einfach treiben. Kleine Imbisslokale locken mit leckeren Fischbrötchen und ich bestelle eines mit Heilbutt, es schmeckt köstlich.
Wahrzeichen von Ahlbeck ist die Seebrücke. Sie wurde ursprünglich 1882 als Aussichtsplattform errichtet. Die Brücke ragt 280 m weit ins Meer. Im Inneren wird ein Restaurant betrieben, abends kann zu dieser Zeit nach den Klängen eines polnischen Duos getanzt werden. Einige Male bin ich Gast in der Bar und führe angenehme aber auch informative Gespräche mit dem Barkeeper und anderen Einheimischen. So wird mir erzählt, dass es für jüngere Menschen keine interessante Gastronomie gibt, keinen Club und keine Diskothek. Livebands sind in den Häusern an der Promenade nicht geduldet, sie stören die Abendruhe der älteren Herrschaften.
Seit einigen Wochen gibt es im Zentrum von Ahlbeck das Lokal "winners". Es wird Livemusik angeboten, große Bildschirme an den Wänden bieten nach amerikanischem Vorbild Unterhaltung. An zwei Abenden unterhalte ich mich hier einige Zeit mit einem Koch, den es von Thüringen auf die Insel verschlagen und der sich sofort in Usedom verliebt hat und nicht mehr weg möchte. Er arbeitet in einem größeren Haus zwischen Ahlbeck und Heringsdorf und an manchen Tagen kann sich sein Lokal angeblich vor Gästen kaum retten.
Ansonsten kehre ich in verschiedene Restaurants entlang der Promenade ein und genieße den frischen Ostseefisch. Einmal bestelle ich gebratenen Hering. Er wird mit einer braunen süßen Soße serviert, schmeckt aber, auch in dieser Kombination, sehr gut. Auf fast allen Speisekarten wird auch Soljanka angeboten, möglicherweise ein Relikt aus früherer sowjet-verbundener Zeit.
Eigentlich wollte ich auch einer Empfehlung des Reiseführers folgen und ein Abendessen in der "Brasserie" einnehmen. Die Tische sind nur zur Hälfte besetzt, aber der Kellner meint, dass er diese Plätze seinen Hausgästen vorbehalten müsste, man hätte ja auch reservieren können und vielleicht hätte ich anderntags mehr Glück. Nein danke.
Ein Teil des Loriot-Films "Papa ante portas" wurde vor Jahren auf der Seebrücke gedreht. Ebenfalls sehenswert in Ahlbeck ist die Ostseetherme. Verschiedene Schwimmbecken, Rutschen und Wellnessbereiche stehen dem Gast zur Verfügung. Vom Aussichtsturm soll man einen herrlichen Blick auf die Umgebung haben, ich probiere es erst gar nicht, bei diesem Wetter hätte es eh keinen Zweck.
Nun noch einige Kilometer am Strand entlang und schon ist man an der polnischen Grenze. Swinemünde, Usedoms größter Ort, gehörte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zu Deutschland. Gleich nach dem Grenzübergang hat man Gelegenheit, auf dem sogenannten Polenmarkt einzukaufen. Bekleidung, Textilien, Lebensmittel, es herrscht ein lebhafter Handel. Auch ein Trikot des Werderspielers Klose mit der Rückennummer 11 wird angeboten. Pferdekutschen stehen für eine Stadtbesichtigung zur Verfügung, die Fahrer buhlen um Kundschaft. Auf dem Weg zurück zur Grenze wird der Preis immer günstiger. Bezahlt wird in Euro. In der Innenstadt, wo polnische Währung zu entrichten ist, soll es noch erheblich preiswerter sein.
Swinemünde ist auf dem Landweg nur zu Fuß zu erreichen, ein Fahrzeugübergang besteht nicht. Dennoch, so höre ich vom schon genannten Barkeeper, fahren viele Einwohner zum Einkauf in andere polnische Orte, er hat dort beispielsweise seine ganzen Badezimmerfliesen erworben.
Schiffe der Adler-Linie pendeln von Ahlbeck oder Heringsdorf mehrmals täglich nach Swinemünde, aber auch nach Misdroy, Kolberg, Stettin und Wollin.
Der Spaziergang von Ahlbeck nach Heringsdorf ist sehr schön, viele Leute sind vormittags schon unterwegs, einige walken mit entsprechendem Outfit und Equipment.
Entlang der Promenade stehen herrliche Villen, auf Tafeln kann man nachlesen, welcher Prominente wann in diesem herrschaftlichen Gebäude residierte. Ich gehe zum Ende der Seebrücke und es ist mittlerweile so neblig geworden, dass ich die Häuser am Ufer nicht mehr erkennen kann. Dennoch ist es ein romantisches Bild, wenn Strandkörbe im Nebel versinken.
In einigen Pensionen wäre noch ein Zimmer frei gewesen.
Nachmittags fahre ich mit dem Auto die Insel entlang, mache bei einigen Seebädern einen Abstecher zum Strand, lasse es gemütlich angehen und genieße den Tag.
Manchmal weisen Verkehrsschilder auf Fischotter hin, ich habe aber keines dieser Tiere gesehen.
In Peenemünde lege ich eine längere Pause ein. Zunächst besichtige ich im Maritim-Museum das Tiefsee-Schlachtschiff U-461. Dieses 1969 gebaute U-Boot der sowjetischen Kriegsmarine zeigt innen die gesamte Technik und um sich hier drinnen zu bewegen, bedarf es schon einer gewissen Gewandtheit.
Anschließend fahre ich zum Historisch-Technischen Informationszentrum. Im Kraftwerk kann man sich über die Raketenentwicklung informieren. Peenemünde war im Zweiten Weltkrieg Zentrum der Forschung. Draußen stehen russische Kampfflugzeuge und Raketen, im Wasser liegt ein Kriegsschiff. Leicht fröstelnd gehe ich zum Ausgang.
Auf der Weiterfahrt orientiere ich mich in Richtung Wolgast und überquere wieder die Peene.
Die "Blaues Wunder" genannte Brücke wird zu bestimmten Zeiten hochgezogen und ist nicht passierbar. Zu beiden Seiten der Straße bilden sich dann lange Autoschlangen, aber ich habe Glück und brauche nicht zu warten.
Von weitem ist die Peene-Werft zu sehen. Sie wurde nach der Wende vom Bremer Kaufmann Detlef Hegemann übernommen und saniert. Auf einer Anhöhe erhebt sich die trutzige Backsteinkirche St. Petri.
Ich fahre weiter bis Freest. Hier halte ich mich eine ganze Weile am malerischen Fischereihafen auf und sehe den Fischern beim Entladen ihres Fanges, meist Hering, zu. Frischer Fisch kann im Laden nebenan erworben werden und ich nehme das Angebot gern an.
Am nächsten Tag ist das Wetter angenehmer und die Sonne lacht vom Himmel. Zu spät, für mich heißt es den Heimweg antreten.