Polens Norden
Zoppot im zweiten Versuch
Danzig ist mit Zoppot (Sopot) und Gdingen (Gdynia) zu einer Metropole, auch Dreistadt genannt, verschmolzen. Im gesamten Gebiet leben etwa 750.000 Einwohner, davon in Danzig ca. 460.000. Fast alle, 95 Prozent, sind römisch-katholischer Konfession. Günter Grass, Fahrenheit und Hevelius sind bedeutende Bürger der Stadt, aber auch Lech Walęsa ist untrennbar mit Danzig verbunden. Wer erinnert sich nicht an den Aufstand der Werftarbeiter und an die Gewerkschaft Solidarität bzw. Solidarność.
Zoppot liegt etwa 14 Kilometer von Danzig und schmückt sich mit dem Titel, Polens schönstes Seebad zu sein. Gdynia, so wird meine Freundin Mariola mir später erzählen, verblasst etwas neben den beiden „Schwestern“. Also auf nach Zoppot, warum eigentlich nicht zu Fuß? Unsere Landkarte ist nicht sehr hilfreich und so entschließen wir uns zu einem Kompromiss, zunächst bis zur Westerplatte mit dem Ausflugsschiff und dann auf eigene Faust weiter.
Gesagt, getan. Die Fahrt beginnt pünktlich auf die Minute und nun können wir uns die schönen Tore entlang der Langen Brücke genüsslich vom Wasser aus ansehen und das einmalige Panorama auf uns einwirken lassen. Die Erklärung der zu sehenden Attraktionen erfolgt auch in deutscher Sprache. So erfahren wir, dass früher auf der Lenin-Werft, die nun unter Danzig-Werft firmiert, 17.000 Personen beschäftigt waren und sich die Anzahl auf 3.000 verringert hat. Dann verbindet sich die Mottlau mit der Weichsel. Auf der rechten Seite wird uns die Westerplatte angekündigt, hier begann 1939 der Zweite Weltkrieg. Ein Denkmal erinnert an dieses schreckliche Ereignis. Wir wenden und legen südlich dieser Stätte an. Aber wie geht es hier weiter? Ein Crewmitarbeiter schickt uns zu einer entfernten Fähre, die diese Bucht überquert, aber ist das tatsächlich unser geplanter Weg? Etwas missmutig machen wir uns auf den Weg. Nach etwa einem Kilometer treffen wir auf zwei Frauen und versuchen, unser Problem zu erklären, nur, sie sind der deutschen Sprache nicht mächtig, bringen uns aber zu einer Bushaltestelle und sind auch beim Bezahlen des Fahrpreises so gut es geht behilflich. Eine Schulklasse, die Kinder mit einer gelben Warnweste bekleidet, belegt die Plätze. Irgendwann erreichen wir den Danziger Hauptbahnhof, besagte Frau winkt uns heran, eilt mit uns zu einem Fahrkartenschalter und begleitet uns zum richtigen Gleis. Was für eine einmalige noble Geste und welch herrliche Begegnung!
Zoppot ist mit dem Zug schnell erreicht, wenngleich wir auch eine Station zu früh aussteigen. Aber kein Problem, eine angenehmer Promenadenweg führt direkt an der Ostsee zum Zentrum. Dort bezahlen wir, nachdem wir uns wieder mit köstlichem Fisch gestärkt haben, eine Gebühr und dürfen die berühmte Seebrücke betreten. Beim Blick auf die Stadt fallen das berühmte Kurhaus und eine moderne Hotelanlage in den Fokus. Es hätte Möglichkeiten gegeben, mit dem Schiff zurück zu fahren, aber die Ablegezeiten gefallen uns nicht. So spazieren wir gemächlich durch den mondänen Ort und steigen im Bahnhof in den Zug.
Abends stärken Werner und ich uns im etwas vornehmeren Restaurant „Velvetka“ mit dem traditionellen polnischen Gericht Bigos, sind aber beide nicht begeistert. Mir haben die Würste nicht geschmeckt. Schimmi erhält eine Schweinshaxe, die zwei Personen gesättigt hätte. Nun noch ein paar Skatrunden im nahen Brauereikeller „Browar Piwna“ und eine wunderbare und total angenehme Reise geht dem Ende zu.
Die letzte Nacht wird mir als sehr laut in Erinnerung bleiben. Am nächsten Tag feiert man in Polen Fronleichnam und viele junge Menschen läuten das lange Wochenende lautstark ein. Kann man es ihnen verdenken? Ein Prozessionszug, angeführt von einem 20köpfigen Posaunenchor, schreitet am späten Vormittag andächtig am Hotel vorbei, gefolgt von einer Straßenputzkolonne, die sich sofort über die Blüten und anderen Hinterlassenschaften hermacht. Nun noch eine Runde Skat an der frischen Luft und dann fährt auch schon das Taxi vor.