Prag
Nach knapp einstündigem Flug verlässt der Airbus die dicke Wolkendecke und setzt zur Landung in Prag an, das Gelb der Rapsfelder unter uns sticht sofort ins Auge und erweist sich als beliebtes Fotomotiv. Der Service des Billigfliegers easyjet hat mir gefallen, es ging zügig und reibungslos vonstatten, außerdem ist mein diesmaliger Abflughafen Dortmund verkehrsgünstig an der Autobahn gelegen und ein Shuttlebus pendelt im Abstand von 20 Minuten zwischen Parkplatz und Terminal.
Während ich auf mein Gepäck warte, lese ich an der Kurstafel der Wechselstube, dass ein Euro etwa 22 Kronen (Kč) entspricht, Reiseschecks werden akzeptiert.
Da der Ruf der Prager Taxifahrer nicht schlechter sein könnte, man spricht von Betrug, Nepp, Abzocke und Tagedieben, fahre ich mit dem Bus 119 zur Haltestelle "Dejvicka" und von dort mit der Metro Linie A zur Station "Museum". Nun sind es nur noch ein paar Schritte zum Hotel "MUŠKETÝR" in der Mezibranska, sehr zentral und in unmittelbarer Nähe zum Nationalmuseum oder Wenzelsplatz. Auch diese relativ preiswerte Unterkunft im Herzen der Stadt hatte ich im Internet gebucht.
Nun also hinein ins Geschehen. Die Wolken haben sich verschoben und der Himmel zeigt sich in seinem besten Blau. Was liegt also näher, als die ersten Eindrücke der Stadt in der warmen Nachmittagssonne auf sich einwirken zu lassen. Und schon habe ich den letzten freien Platz auf der Terrasse des ehrwürdigen Hotel Europa belegt, bestelle mir eine Portion Prager Schinken und ein tschechisches Bier und beobachte das Treiben auf dem Wenzelsplatz.
Vieles kommt mir bekannt und vertraut vor, die Würstchenbuden, die vielen Wechselstuben, die Buchläden und die zahlreichen Bier- und Weinlokale. Elegante Frauen stehen vor den Schaufenstern der Mode-Boutiquen und lassen sich vom Angebot inspirieren.
Selten habe ich in einer Stadt so viele Reisegruppen gesehen, permanent kommen mir Führer mit hochgehaltenem Regenschirm oder Stock entgegen, dahinter ihre wissenshungrigen Gäste.
Der Altstädter Ring, mein nächstes Ziel, ist total in touristischer Hand. Besonders zur vollen Stunde, wenn sich einzelne Apostelfiguren im Fenster der Astronomischen Uhr im altehrwürdigen Altstädter Rathauses zeigen, bildet sich eine unvorstellbar große Menschentraube vor dem Gebäude. Aber der Platz ist es auch wert, die Theinkirche, das besagte Rathaus, die St. Nikolauskirche, das Hus-Denkmal und die alten und hervorragend renovierten Rokoko- und Renaissancehäuser bilden ein Ensemble, das seinesgleichen sucht. Restaurants und Bistros sind reichlich vorhanden und so kann man bei einem Espresso dieses wunderschöne Panorama auf sich einwirken lassen. Fiakerfahrer bieten sich für eine Stadtrundfahrt an.
In der Nähe des Platzes stehen Oldtimer und auch hier kann man eine Fahrt im offenen Cabriolet zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt buchen. Zahlreiche Geschäfte preisen böhmisches Kristall an.
Nun orientiere ich mich weiter zur Karlsbrücke, gehe durch kleine Gassen mit zahlreichen Souvenirläden und kleinen Lokalen, ab und zu weist ein Schild auf die Aufführung eines Schwarzlichttheaters oder auf ein klassisches Konzert in einer der vielen Kirchen hin. In einer Straße begegne ich Polizisten in einem "Smart", einem idealen Stadtfahrzeug.
Einige hundert Besucher sind bestimmt auf der Brücke, die die Moldau von der Altstadt zur Kleinseite überspannt. Was ist hier nur los: Portraitzeichner, Souvenirhändler, Gitarristen, eine Jazzband, und dann der atemberaubende Blick auf die Prager Burg, den Hradschin.
Lange höre ich der Musik zu, sehe mir die einzelnen Figuren an, die die Brücke einrahmen, und mache etliche Fotos von der Burg, dem Treiben auf der Brücke und auf der Moldau.
In den nächsten Tagen werde ich noch häufiger hier sein. Natürlich besichtige ich auch den Hradschin mit dem St.-Veits-Dom, der Basilika St. Georg, dem Pulverturm, der schönen Garten- und Parkanlage und dem Goldenen Gässchen. Für bestimmte Gebäude auf der Prager Burg muss Eintritt entrichtet werden, so auch für den Besuch des Goldenen Gässchens. Nach Zahlung von 50 Kč, die Preise sind hier und auf vielen anderen Preislisten auch in Euro angegeben, kann die kleine Straße mit den alten und romantischen Häuschen betreten werden. Es hat den Vorteil, dass der interessierte Gast nicht permanent gegen Menschenströme ankämpfen muss, da nicht jeder Tourist bereit ist, für diese paar Meter Geld auszugeben.
Bei meinem letzten Besuch der tschechischen Hauptstadt im Oktober 1991 war der Eintritt noch frei, dementsprechend groß der Andrang und ich habe verzagt und mir den Besuch des Goldenen Gässchens versagt. Erstmalig war ich 1974 hier, an das Treiben in dieser Straße erinnere ich mich nicht mehr, wohl aber an die Hinfahrt. Damals herrschte noch der kalte Krieg. Mein Aussehen entsprach nicht dem Passbild und der Busfahrer, der im Rhythmus von 2 Wochen nach Prag fuhr und die Situation und Schikane an der Grenze kannte, war sicher, dass ich mit Vollbart nicht in die damalige Tschechoslowakei einreisen dürfte.
So hielten wir auf einer Autobahnraststätte in der Nähe von Würzburg an, wo er eine Toilettenfrau mit Schere und Rasierer kannte, ich rasierte mich und ließ kurz vor der Grenze in Waidhaus in einer Drogerie, die dem Fahrer auch bekannt war, neue Visumbilder anfertigen.
Beim Grenzübergang schwitzte ich Blut und Wasser, hatte ich doch mein in Deutschland getauschtes Geld im Strumpf versteckt, mein Mitreisender hatte die Kronenscheine in seinem Fön untergebracht. Aber es ging alles glatt. Später vor Ort konnten wir auf dem Schwarzmarkt noch bessere Kurse erlösen.
Ein anderer Spaziergang führt mich durch den Boulevard Pařížská (Pariser Straße) in der Josefstadt zum Rudolfinum, auch Haus der Künstler genannt. Heute finden in diesem ehemaligen Parlamentsgebäude Konzerte statt. Auch hier ist der Blick auf die Burg begeisternd. Ich gehe am Moldauufer zurück und besichtige dann das Smetana-Museum.
Mit der Metro fahre ich anderntags auf den Vyšehrad und genieße von der Aussichtsplattform auf dem Hügel die wirklich einmalige Sicht auf Stadt und Moldau, allein fünf Brücken liegen im Blickfokus. Die Kirche ist nur gegen Eintrittsgeld zu besichtigen und so bleibe ich draußen. Auf dem nahen Friedhof wurden viele Prager Persönlichkeiten begraben.
Während des Rückwegs überquere ich einige Male die Moldau und besichtige zum Schluss "Ginger und Fred", das Tanzende Haus, das tatsächlich mit ein wenig Phantasie an ein tanzendes Paar erinnern lässt. Am Ufer des Flusses liegen zwei deutsche Flusskreuzfahrtschiffe, darunter die "Johannes Brahms" aus Hamburg.
Ganz in der Nähe befindet sich das vielleicht bekannteste Lokal Prags, das "U Fleků", ich trinke ein Glas Schwarzbier und mache mich dann wieder auf den Weg, hier ist mir doch zu viel Rummel und mittags schon nach der Melodie "Schwarzbraun ist die Haselnuss" zu schunkeln, ist auch nicht mein Ding.
In anderen Lokalen bin ich hingegen gern gewesen und gerade in den nicht ganz so frequentierten Seitenstraßen ist die Krone noch ihr Geld wert, so zahle ich dort beispielsweise für zwei große Biere und eine Flasche Wasser drei Euro. Auch im rustikalen Kellerrestaurant meines Hotels ist der Verzehr recht preiswert und ich kehre hier öfter ein, aber auch wegen der Atmosphäre. Viele tschechische Gäste kommen zum Abendessen in dieses urige Gewölbe.
Knödel verzehre ich in allen Variationen, dazu meist Schweinefleisch, aber auch Ente auf böhmische Art ist sehr beliebt und fehlt auf keiner Speisekarte. Zu allen Mahlzeiten wird leckeres Graubrot in dicken Scheiben gereicht. Und zum Schluss darf natürlich ein Palatschinken und ein Glas Becherovka nicht fehlen.
Einen Abend gehe ich zum Essen ins Restaurant "Pelikan", hier ist es etwas teurer als in den vorherigen Lokalen, aber dennoch preiswerter als in Deutschland. Das Haus wird im Reiseführer empfohlen und ist dementsprechend von ausländischen Gästen besucht.
Mehrere Stunden verbringe ich bei einer Tasse Kaffee oder einem Glas Bier in den traditionellen Cafés der Stadt, so im "Slavia" oder im "Hotel Europa", aber auch im "Louvre", daneben befindet sich der Jazzclub "Reduta", wo ich mich ebenfalls an einem Abend aufhalte und den Klängen eines Trios lausche.
Bei meiner zweiten Pragreise war ich auch in der Laterna magika, kann mich aber nicht mehr an Einzelheiten erinnern, so entschließe ich mich, den Besuch zu wiederholen und ich habe es nicht bereut. Der Eintritt kostet 680 Kronen, Kreditkarten werden akzeptiert. Auf dem Programm steht "Don Giovanni", die Vorführung gefällt mir sehr, das Zusammenspiel von Theater, Kino und Musik ist einfach außergewöhnlich unterhaltsam und interessant. Viele Gäste der Stadt sind meiner Meinung und ich habe bei einem Theaterbesuch noch nie so viele Besucher in Outdoor-Kleidung und mit Tagesrucksack gesehen.
Anschließend verbringe ich die letzten Stunden des Abends in einem der vielen Cabarets am Wenzelsplatz. Bei den meisten Besuchern handelt es sich um Ausländer, aber auch ein paar einheimische Männer wagen sich hierher und feiern Junggesellenabschied.
Am letzten Tag gehe ich vom Altstädter Rathaus über die celetná zum Pulverturm aus dem 15. Jahrhundert und sehe mir dann das Repräsentationshaus mit der schönen Frontfassade an. Etwas weiter, in der St. Jakobskirche, findet ein Gottesdienst statt, der von einem sehr guten gemischten Chor musikalisch umrahmt wird.
Auf dem Altstädter Ring baut man gerade eine Großleinwand zur Übertragung des Hockeyfinales auf.
Wieder geht es mit Metro und Bus zum Flughafen, ein Taxi habe ich während meines gesamten Aufenthalts nicht gebraucht. Das Flugzeug ist nur zur Hälfte belegt. Noch ein letzter Blick auf die gelben Farbflecken der Rapsfelder und schon sind wir über den Wolken.
Fazit: Prag lohnt und ist unbedingt empfehlenswert.