Rügen
Ich weiß es nicht. Es ist nicht einfach, diese Superlative einzusetzen oder zu verwenden. Auf alle Fälle finde ich die Insel wunderschön und habe den Besuch voll genossen.
Wahrscheinlich rührt diese emotionale Einschätzung noch von früher, denn ich meine mich zu erinnern, dass ein Geografielehrer zur Zeit des Kalten Krieges in den 60er Jahren, als Mecklenburg noch hinter dem Eisernen Vorhang lag, diese Bezeichnung einmal wehmütig verwendet hat. Und so habe ich Rügen am Tag der Wiedervereinigung auch sofort erstmals bereist und fand alle Vorurteile bestätigt.
Nun, im Mai 2007, geht es zum 3. Mal auf die Insel. In Rostock lege ich einen Zwischenstopp ein und bleibe über Nacht. Die Stadt gefällt mir, u. a. wegen des hanseatischen Charmes, den anmutigen Giebelhäusern auf dem Rathausplatz, aber auch wegen der schönen Stadttore und der günstigen Lage an Warnow und Ostsee.
Am nächsten Morgen fahre ich dann weiter und verlasse bei Stralsund das norddeutsche Festland. Auf der Insel angekommen fotografiere ich gleich einige der riesigen, eindrucksvollen Rapsfelder. Das leuchtende Gelb ist weithin sichtbar.
Eigentlich wollte ich mein Quartier in Sassnitz aufschlagen, aber eine wohlmeinende Kollegin empfahl mir die Badeorte Sellin oder Binz.
So ist denn in Sellin auch mein erster längerer Halt. Das Wetter ist noch nicht auf meiner Seite, es ist trübe, etwas kühl und gar nicht so, wie man es sich wünscht. Ich spaziere am Strand entlang, besichtige die 1998 wieder neu eingeweihte Seebrücke und schaue mir den Ort an. Eine Kurbahn verbindet die wichtigsten Punkte des Ortes und, da ich gerade Rekonvaleszent nach einer Knieoperation bin, habe ich mich über diesen Service sehr gefreut.
Am Nachmittag sind die Wolken verzogen und die Insel erstrahlt im herrlichsten Sonnenschein. An den folgenden Tagen wird es wieder so sein, morgens trübe und nach dem Mittagessen klar und heiter.
Binz ist mein nächstes Ziel und hier suche ich dann auch, dem Rat folgend, eine Unterkunft. In der Pension "Anker", fünf Gehminuten vom Strand entfernt, werde ich die nächsten Nächte verbringen. Der relativ mondäne Ort hat knapp 6.000 Einwohner und wird auch "Nizza des Ostens" genannt. Von der langen Strandpromenade hat man einen guten Blick auf das restaurierte Kurhaus und auf die 370 m ins Meer führende Seebrücke.
Beeindruckt bin ich von den weißen Villen mit ihren Türmchen und Balkonen, sie erinnern mich entfernt an das French Quarter in New Orleans. Diese Bäderarchitektur verleiht Binz einen eleganten Charme und eine wunderbare Ausstrahlung.
An Cafés, Restaurants und anderen gastronomischen Betrieben mangelt es nicht und so komme ich jeden Abend in den Genuss einer leckeren Fischmahlzeit. Obwohl die Saison noch nicht begonnen hat, sind doch schon relativ viele Besucher unterwegs und besichtigen Binz und die anderen Orte. Etliche Gäste lassen sich die Chance einer Fahrt mit dem "Rasenden Roland", einer Kleinbahn mit Dampflokomotive, nicht entgehen. Im hiesigen Bahnhof kann zugestiegen werden.
Ansonsten verbindet auch hier eine Kurbahn die wichtigsten Punkte und ein "Jagdschlossexpress" bringt interessierte Urlauber hinauf auf das Jagdschloss Granitz.
Ich schließe mich einer solchen Fahrt an und hinauf geht es, vorbei an schönen Rotbuchen. Der Turm des Schlosses darf bestiegen werden, aber wegen der schmalen Treppe immer nur in eine Richtung, Gegenverkehr ist ausgeschlossen.
Ich gehe die 154 Stufen hinauf und bin überwältigt von der schönen Aussicht. Unter uns gelbe Rapsfelder, dunkle Wälder, vereinzelte Orte und die Ostsee. Ein weiter Blick über die Insel belohnt die Mühe des Aufstiegs. Bei unserem Besuch im Jahre 1991 konnten wir noch fast bis an das Schloss fahren, dieses Privileg haben jetzt nur noch die Mitarbeiter.
Natürlich möchte ich auch von der Seebrücke aus an einer Schiffstour auf der Ostsee teilnehmen. Es bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, und ich entschließe mich für den Ausflug zum Kreidefelsen. Morgens regnet es und so warte ich lieber, bis sich nachmittags das Wetter gewandelt hat. Die Sonne kommt auch hinter den Wolken hervor, der Ausflugdampfer beendet jedoch seine Fahrt in Binz, denn es finden sich nicht genug Passagiere für die kurze Reise. Etwas enttäuscht gehe ich zurück.
Bei meinen ersten beiden Besuchen war ich immer zum Königsstuhl gefahren und hatte mir den Kreidefelsen vom Ufer aus angesehen, deshalb hält sich mein Missmut auch in Grenzen.
Der Maler Caspar David Friedrich hat die Schönheit dieses weißen Berges in seinem berühmten Gemälde verewigt.
Von Binz aus unternehme ich verschiedene Ausflüge und fahre an der Ostküste entlang, besuche Sassnitz und besichtige Putgarten, die nördlichste Gemeinde der Insel oder auch Ausgangspunkt zum Kap Arkona. Auf einem großen Parkplatz am Ortseingang stelle ich mein Auto ab und marschiere rund 2 ½ km zum Kap, die Minibahn hat leider schon Feierabend. 1991 konnten wir noch mit dem Auto direkt an die Sehenswürdigkeiten heranfahren und brauchten nur einige Schritte zum Schinkel-Leuchtturm und zur alten Nebel-Signalstation zu gehen.
Teilweise bin ich der einzige Gast und ich lasse mir reichlich Zeit und genieße den Blick auf das Meer mit der Steilküste. Es ist eine einzigartige Stimmung und diese Momente im Licht der warmen Abendsonne werde ich nicht vergessen.
Kurze Abstecher mache ich nach Göhren, Putbus und Bergen, trinke hier einen Kaffee, esse dort ein Brötchen mit frischem Fisch, fahre durch schattige Baumalleen, halte an einem blühenden Rapsfeld oder schleiche über holpriges Kopfsteinpflaster.
Rügen, vom Dichter Adalbert von Chamisso auch "Capri des Nordens" genannt, ist Deutschlands größte Insel. Der Urlauber findet alles, was sein Herz begehrt, vor, feine Sandstrände, dunkle Wälder, malerische Dörfer, Steilküsten, durch Schilf geschützte Buchten, geschwungene Hügelketten und lebhafte Badeorte.
Rund 74.000 Einwohner leben auf der Insel. Nach der Wiedervereinigung wurden gewaltige Anstrengungen unternommen, um den Glanz der Vorkriegszeit wieder herzustellen.
Und ich stelle wieder fest: Rügen ist wunderschön.