Schönes Deutschland VII
Wiesbaden
Die knapp fünfstündige Zugfahrt nach Mainz gefällt mir, von dort nehme ich die S-Bahn. Einen Platz hatte ich wie gewöhnlich nicht reserviert, aber der ICE ist ja mit einem Bordbistro ausgestattet, und dort mache ich es mir, jetzt im September 2022, gemütlich. Ab Bonn fahren wir geraume Zeit am Rhein entlang und wohlig entspannt lese ich die Namen der Orte durch die wir fahren und an die ich gute Erinnerungen habe: Remagen, Koblenz, Boppard, St. Goar, Bacharach und Bingen, wir sehen die Loreley, Burg Pfalzgrafenstein und das Niederwalddenkmal – was für eine schöne und interessante Art des Fortkommens …und relativ pünktlich sind wir auch am Ziel.
Ein Video über diese Reise steht bei YouTube unter
https://youtu.be/5-NMrUnHAPU
zur Verfügung.
Das reservierte Hotel „Jägerhof“ ist nach gut 10 Gehminuten erreicht, sauber, zentral und preiswert, hier werde ich drei Nächte verbringen. Zwar hat sich die Sonne versteckt, aber zum Glück brauche ich den Regenschirm nicht aufzuspannen. Auf der Wilhelmstraße mit den eleganten Geschäften und Villen gehe ich bis zum Kurpark, es sind nur ein paar Meter, und dann erblicke ich auch schon das Hessische Staatstheater. Im Jahre 1894 auf Anordnung von Kaiser Wilhelm II. gebaut, gehört dieses Haus zu den bedeutsamsten Bühnen Deutschlands. Sein Eingang in den Theater Kolonnaden liegt direkt am Bowling Green, einer Grünanlage mit zwei Kaskadenbrunnen, die an das Kurhaus grenzt.
Und dann ist auch schon selbiges zu Beginn des 20. Jahrhunderts im klassizistischen Stil errichtete Gebäude im Fokus, es dient als Veranstaltungsort für Kongresse, Galas, Seminare und Konzerte, ist aber vor allem bekannt wegen des Casinos. Hier versuchte schon Richard Wagner sein Glück, Dostojewski verspielte an diesem Ortsein Hab und Gut und ließ sich nebenbei zu seinem Werk „Der Spieler“ inspirieren. Mangels adäquater Kleidung darf ich diese heiligen Hallen nicht betreten, wohl aber einen Blick hineinwerfen. Mit 129 Metern gilt die benachbarte Kurhaus Kolonnade als längste Säulenhalle Europas.
Wiesbaden gefällt mir, der erste Eindruck ist phantastisch, die hessische Landeshauptstadt, ca. 280.000 Einwohner, verfügt über 26 heiße Quellen und ist deshalb als Kurort sehr begehrt. Das Bundeskriminalamt und das Statistische Bundesamt haben hier ihren Sitz. Bis zum Ersten Weltkrieg verbrachte hier der Kaiser mit seinem Hofstaat den Sommer, Wagner arbeitete an seinen Meistersingern, auch Brahms komponierte hier, verschiedene Zaren und Enrico Caruso verbrachten in Wiesbaden ihre Ferien. Weitere prominente Gästenamen gefällig? Goethe, Liszt, Strawinsky, Balzac und Kaiserin Sissi!
Auf dem Weg in die wegen ihrer schmalen und verwinkelten Gässchen beliebten Altstadt komme ich am Hotel „Nassauer Hof“ vorbei, davor erhebt sich ein Denkmal von Kaiser Friedrich III. Dann ist der Kochbrunnen erreicht, die 66 Grad heiße Natrium-Chlorid-Therme soll die bekannteste Quelle der Stadt sein. Täglich sprudeln 500.000 Liter Wasser aus 2.000 Metern Tiefe aus diesem Brunnen. Die Heidenmauer als ältestes Bauwerk der Stadt und das Römertor sind mein nächstes Ziel, danach schreite ich durch die Goldgasse, beliebt wegen der umfangreichen Gastronomie und der Goldschmiede. Kern der Altstadt bildet die Häuserzeile „Schiffchen“ zwischen der Graben- und Wagemannstraße. Ihre Form soll von oben betrachtet an ein Bötchen oder Schiffchen erinnern.
Das im klassizistischen Stil errichtete Stadtschloss ist mein nächstes Ziel. Früher Residenz der Herzöge von Nassau beherbergt es heute den Hessischen Landtag. Zeitweise residierten hier auch preußische Könige und deutsche Kaiser. Gegenüber erkennt man das Alte Rathaus aus dem Jahre 1610, heute als Standesamt genutzt. Das Neue Rathaus, ebenfalls am Schlossplatz gelegen, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Zum Schluss schaue ich mir noch die rote Marktkirche, das höchste Gebäude der Stadt, an, eine neugotische dreischiffige Basilika, davor erinnert das Denkmal „Wilhelm der Schweiger“ an Wilhelm von Oranien. Eine weitere Sehenswürdigkeit, die größte Kuckucksuhr der Welt, kann derzeit nicht besichtigt werden. Gegen 18:30 Uhr beginnt es zu regnen, Zeit für mich, in den „Andechser“ im Ratskeller zu eilen. Hier verbringe ich den Abend, lande schließlich noch an der Bar des Hotel „Hansa“ und unterhalte mich prächtig mit einem einheimischen Gast.
Mainz
Mit der S 8 geht es am nächsten Morgen nach Mainz, einmal über den Rhein. Auf dem Weg zum Domplatz komme ich am Haus der Landesdenkmalpflege, dem Proviantmagazin, am Schillerdenkmal auf dem Schillerplatz und dem Fastnachtsbrunnen vorbei. Er symbolisiert natürlich das närrische Karnevalstreiben und wurde 1967 enthüllt. Dann ist auch schon der Gutenbergplatz erreicht, der bedeutendste Platz der Mainzer Altstadt. Er wird u. a. vom Staatstheater beherrscht und natürlich vom Gutenbergdenkmal. Während meines Besuchs wird es gerade gesäubert.
Nun bin ich also in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt mit über 215.000 Einwohnern angekommen, im Zentrum des rheinischen Weinhandels, in der Universitätsstadt, dem alten Kurfürsten- und Erzbischofssitz und, natürlich, in einer der Hochburgen des närrischen Treibens, denn die „Määnzer Fassenacht“ ist nicht nur im Rheingau bekannt. Zu den berühmten Persönlichkeiten der Stadt gehören außer Johannes Gutenberg, dem Erfinder des Buchdrucks, u. a. noch die Schriftsteller Anna Seghers und Carl Zuckmayer. Nicht zu vergessen, das Zweite Deutsche Fernsehen hat hier ihren Sitz.
Die Mainzer Altstadt imponiert mit mittelalterlichen Plätzen und alten Fachwerkhäusern. Geraume Zeit halte ich mich auf dem Domplatz auf, denn hier gibt es viel zu besichtigen. Zunächst schaue ich mir den sechstürmigen Dom St. Martin an, mit seinem Bau wurde im 10. Jahrhundert begonnen, der Ostchor ist dem Hl. Stephan gewidmet. Im Innenraum des zu den Kaiserdomen zählenden Bauwerks befinden sich Grabmäler bedeutender Erzbischöfe. An der nördlichen Seite des Platzes ist der Marktbrunnen ein beliebtes Fotomotiv. Er stammt aus dem Jahr 1526 und soll einer der bedeutendsten Renaissancebrunnen Deutschlands sein. Nun ist es nicht mehr weit bis zum Gutenberg Museum, dem „Weltmuseum der Druckkunst“. Vor dem Eingang kann das Letterndenkmal bewundert werden, neun Sandsteinwürfel mit Buchstaben, die den Namen „Gutenberg“ ergeben. Im Museum selber herrscht hektisches Treiben, zahlreiche Gruppen sind unterwegs und belagern die einzelnen Exponate. Auf mehreren Etagen wird hier über die Buchdruckkunst informiert, Druckmaschinen sind hier ausgestellt, eine Werkstatt nachgebaut und als Höhepunkt kann die berühmte Gutenberg Bibel, entstanden in der Mitte des 15. Jahrhunderts, besichtigt werden, das erste mit beweglichen Lettern gedruckte Buch.
Danach schlendere ich noch etwas durch die wirklich sehr ansprechende Altstadt, schaue mir die Universität an und bleibe ein paar Minuten in der Kirche St. Quintin, dem ältesten Gotteshaus der Stadt. Zufrieden steuere ich den Bahnhof an und mache mich auf den Heimweg, hierher möchte ich gern noch einmal zurückkehren.
Zurück in Wiesbaden, dem „Nizza des Nordens“, fahre ich mit dem Bus zur Talstation Neroberg und dann mit der Bahn auf genannten Berg. 83 Höhenmeter gilt es zu überwinden. Einer Broschüre entnehme ich, dass sich dank einer raffinierten Technik beide Wagen gegenseitig hinaufziehen. Der talwärts fahrende Wagen wird oben mit 7.000 Litern Wasser gefüllt und zieht den anderen mittels Stahlseil hinauf. Unten wird das Wasser abgelassen und wieder hinaufgepumpt. Oben angekommen sehe ich mir den Tempel an, habe einen wunderbaren Blick auf die Stadt und besichtige dann die so genannte Griechische Kapelle, eine russische Kirche mit goldenen Zwiebeltürmen. Erbaut wurde sie im Jahre 1855 zu Ehren einer Nichte des russischen Zaren. Auf dem Weg zur Bergstation komme ich am Opel-Bad vorbei, aber wetterbedingt steht mir nicht der Sinn nach einer kühlen Erfrischung.
Zum Abendessen kehre ich im gemütlichen und freundlichen Bier- und Weinlokal „Der kleine König“ ein und beende den interessanten Tag mit ein paar Gläsern Wein im „Laquai“.
Eltville
13 Minuten braucht der Zug am nächsten Morgen für die Fahrt nach Eltville. Nun bin ich also in der mit ca. 17.000 Einwohnern größten Stadt im Rheingau, malerisch zwischen Weinbergen gelegen. Sie schmückt sich mit den Titeln Wein-, Sekt-, Rosen-, Gutenberg- und Nachhaltigkeitsstadt. Im „Gelben Haus“ neben der Burg, einem Weinlokal mit prächtigem Panoramablick, wäre ich gern eingekehrt, aber es hat noch geschlossen. Also erwerbe ich eine Eintrittskarte und beginne die Besichtigung des Wahrzeichens der Stadt, der kurfürstlichen Burg aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Früher residierten hier die Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten. Bis ganz nach oben zur Wehrplatte sind 118 Stufen zu bewältigen. Im 1. Obergeschoss schaue ich mir die Grafenkammer an, darüber die Gutenbergausstellung. Historische Dokumentensammlungen befinden sich im 3. Obergeschoss in der Domherrenkammer und dann, endlich, ist die Aussichtsplattform erreicht. Von hier genieße ich den grandiosen Ausblick auf den Fluss, die Altstadt, den Rheingau und die umliegende Landschaft. Nun noch 40 Stufen hinab ins Verlies und dann verlasse ich die Burg. Weiter geht es durch den Rosengarten, vorbei am Palas, der früheren Wohnanlage, wo nur noch die Außenmauer erhalten ist, an die Rheinuferpromenade.
Am Fluss entlang schlendere ich gemächlich zur Burg Crass, dem ältesten Bauwerk der Stadt, heute eine Eventlocation. Nun lasse ich es etwas ruhiger angehen, gehe am Rathaus vorbei, schaue mir die gotische Kirche St. Peter und Paul an und erfreue mich an den alten Fachwerk- und Patrizierbauten. Am Marktplatz halte ich mich eine Weile auf und gehe dann am Stadtturm, der dem Turm der Kurfürstlichen Burg ähnelt, vorbei zum Bahnhof.
Auf der Rückfahrt verlasse ich den Zug in Biebrich, dem mit rund 39.000 Einwohnern größten Stadtteil von Wiesbaden. Eine freundliche Frau erklärt mir den Weg zum Schlosspark und dann meine ich auch schon, am Ziel zu sein, aber ich stehe nicht vor dem Schloss, sondern vor der Mosburg, einer künstlichen Ruine am Mosburgweiher. Etwa einen Kilometer wandere ich durch den wunderbar angelegten Park und stehe dann vor dem Schloss. Früher diente der barocke Prachtbau als Residenz der Fürsten und Herzoge von Nassau, heute ist er Sitz des Hessischen Landesamts für Denkmalpflege und steht der Landesregierung für Repräsentationszwecke zur Verfügung. Auch während meines Besuchs findet innen eine Tagung statt und ein Besuch der Räume ist nicht möglich. Was für eine herrliche Lage, der Schlosspark grenzt direkt an den Rhein. Auf dem Weg zum Bahnhof wundere ich mich über grüne exotische Vögel in einem Baum des Parks, es sollen wohl Halsband- oder Alexandersittiche sein, so jedenfalls erklärt es mir ein vogelkundiger Bekannter.
Abends im „Kleinen König“ werde ich schon wie ein Stammgast behandelt.
Münster
Relativ pünktlich fährt der Zug am nächsten Nachmittag in den Bahnhof ein. Die nächste Nacht werde ich im „prizeotel“, modern und zentral, verbringen, es liegt direkt neben dem Hauptbahnhof, nur hatte ich es nicht auf Anhieb gefunden und einen relativ langen Umweg gemacht. Gespannt und voll motiviert beginne ich mit der Stadterkundung, die Wolken haben sich verzogen und die Sonne lacht vom Himmel. Durch die altehrwürdige Universitäts- und Bischofsstadt war ich diverse Male mit dem Zug gefahren, aber halt nie ausgestiegen. Allerdings hatte ich vor über 20 Jahren mal ein Date am Aasee. Das wirtschaftliche Zentrum des Münsterlandes besticht durch seine Bürgerhäuser, ist natürlich auch wegen der hier gedrehten Fernsehkrimis bekannt geworden und gilt als Fahrrad-Hauptstadt. Aber natürlich ist Münster, ca. 300.000 Einwohner, bekannt als Stadt des Westfälischen Friedens.
Münsters gute Stube, der Prinzipalmarkt mit seinen Lauben- bzw. Bogengängen und Giebelhäusern, ist mein erstes Ziel. In einer ZDF-Sendung wurde er als einer der schönsten Plätze Deutschlands gekürt. Hier, im Herzen der Stadt, findet man das historische Rathaus und die St. Lambertikirche, aber auch erlesene Geschäfte und bekannte Gastronomiebetriebe. Es kann flaniert, eingekauft und gefeiert werden. Nach Entrichtung einer geringen Gebühr betrete ich den Friedenssaal im gotischen Rathaus aus dem 14. Jahrhundert, denn selbstverständlich muss ich mir den Raum ansehen, in dem 1648 mit der Unterzeichnung des Westfälischen Friedens der 30-jährige Krieg beendet wurde. Rundherum holzgetafelt sieht man an der Westwand u. a. Bildnisse von Jesus und seinen Jüngern, eine große Schrankwand dominiert die Nordseite, ein mächtiger Kamin ziert die Südwand.
Neben dem Rathaus erkenne ich das Stadtweinhaus, ein Giebelhaus aus der Spätrenaissance. Nun ist es nur noch ein Katzensprung bis zur Markt- und Stadtkirche St. Lamberti. Am nördlichen Ende des Prinzipalmarktes erhebt sich der bedeutendste Sakralbau der westfälischen Spätgotik. Kardinal von Galen hielt hier während der Nazizeit mutige Reden. Von 21:00 Uhr bis Mitternacht bläst ein Türmer, z. Zt. eine Türmerin, an bestimmten Tagen das Horn vom „höchsten Dienstzimmer“ der Stadt. Vor allem aber wurde diese Kirche bekannt wegen der drei Käfige am Turm, die ich erst beim zweiten Hinsehen erkenne. In diesen Eisenkörben hingen Mitte des 16. Jahrhunderts die Leichen der drei Anführer der Täuferbewegung. Sie wurden hier zur Schau gestellt, nachdem sie öffentlich gefoltert und hingerichtet wurden.
In kirchlicher Mission geht es weiter, nun ist der St. Paulus-Dom an der Reihe, ein Werk des 13. Jahrhunderts. Besonders hervorzuheben sind hier die Apostelfiguren und dann natürlich die Astronomische Uhr, ein Wunderwerk des Spätmittelalters, ich benötige ein paar Anläufe bis ich sie im Blickfeld habe. Mondphasen, der Stand der Sonne und die Position der Sterne sind auf ihr abzulesen. Da nebenan eine Messe gelesen wird, halte ich mich nur einen Moment auf, denn man bat mich, nicht zu stören. Ein paar Schritte weiter ist die Grabkapelle des schon erwähnten Kardinal von Galen zu finden, einem Gedenkstein entnehme ich, dass Papst Johannes Paul II. hier 1987 am Grab gebetet hat.
An der Liebfrauen-Überwasserkirche vorbei stehe ich dann vor meinem nächsten Highlight: dem Antiquariat Solder, seit 1998 ermittelt der Privatdetektiv und Antiquar Georg Wilsberg in Münster und hat hier in diesen Räumen sein Zuhause. Im Verkehrsbüro kann eine Broschüre „Mörderisches Münster“ empfangen werden, sie informiert über die Schauplätze von Tatort und Wilsberg.
Nun auf zur letzten Besichtigung dieses interessanten und gut gefüllten Tages. Das Fürstbischöfliche Schloss, im Barockstil Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts erbaut, beendet die Stadterkundung. Dieses Residenzschloss wurde für Münsters vorletzten Fürstbischof errichtet und wird heute größtenteils von der Universität genutzt. Auf dem Nachhauseweg halte ich dann noch vor dem Kiepenkerl, einer 1,75 Meter hohen Gipsstatue, die an frühere Zeiten erinnert.
Am nächsten Morgen schaue ich mir beim Bahnhof die Fahrrad-Station, ein Parkhaus für „Leeze“, wie die Räder hier gern genannt werden, und gehe noch einmal zum Stadthaus im Zentrum, fahre in den 11. Stock und genieße in der Bar des „1648“ die wunderbare Aussicht auf diese interessante Stadt. Dann wird es Zeit für die Heimfahrt, eigentlich schade, Münster ist auf jeden Fall auch eine zweite Reise wert.