Schönes Deutschland 8
Gengenbach
Endlich ist die alte Reichsstadt Gengenbach erreicht, endlich! Die Autofahrt ist alles andere als angenehm gewesen, Autobahnbaustellen, Staus, Fahrbahnverengung. Es geht durch das Siebengebirge, den Westerwald und Taunus. Dann habe ich die 705 Kilometer geschafft und checke im vorher reservierten „Hotel Pfeffermühle“ ein, leider beginnt es zu regnen. John hatte mir diesen etwa 11.000 Einwohner zählenden Ort im Ortenaukreis empfohlen, und für diesen Tipp bin ich sehr dankbar. Also den Schirm geschnappt und los geht es.
In den Reiseführern wird Gengenbach als eines der schönsten „Städtle“ Deutschlands beschrieben, dem ist nichts hinzuzufügen. Fachwerkhäuser der edelsten Art, verwunschene Winkel und Ecken, Stadttore und eine historische Türmesilhouette, schade, dass Petrus kein Einsehen mit mir hat. Dennoch genieße ich den Aufenthalt hier sehr, manchmal ist es halt nur etwas nervig, unter dem Regenschirm den Fotoapparat zu bedienen. Der Ort liegt an der Badischen Wein-, an der Deutschen Fachwerkstraße und am Kinzigtaler Jakobusweg. An gutem heimischen Wein und erlesener Badischer Küche mangelt es hier nicht.
Ich halte mich vorwiegend im Zentrum auf, schaue mir die Stadtkirche St. Marien, eine ehemalige Klosterkirche aus dem Jahre 1120, an. Das Kloster wurde 1807 säkularisiert und dient jetzt als Fakultät der Hochschule Offenbach. In der Kirche finden aber noch Gottesdienste statt. Dann geht es zum etwa 200 Jahre alten Rathaus, das in der Vorweihnachtszeit zum weltweit größten Adventskalenderhaus hergerichtet wird, und zum benachbarten steinernen Ritter auf dem Marktplatzbrunnen – und immer wieder beeindrucken mich die anmutigen Fachwerk- und Sandsteinhäuser. Etwas außerhalb der Altstadt erblicke ich das Flößer- und Verkehrsmuseum in einem alten Bahnwärterhäuschen, leider hat es bereits geschlossen. Bei besserem Wetter wäre ich noch auf das Bergle geklettert, auf dem sich die Wallfahrtskirche St. Jakob befindet, gar nicht weit von meinem Hotel entfernt, aber dieser beliebte Aussichtspunkt hätte sich heute nicht gelohnt. Auf der Brücke, die über die Kinzig führt, ist kaum die nähere Berglandschaft zu erkennen.
Abends esse ich in der Klosterstube und probiere anschließend noch ein paar heimische Weine in der Schwarzwaldbrasserie „Cocotte“.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne und jetzt erlebe ich den Schwarzwaldort, wie ich es mir gewünscht habe, mache noch einen langen Spaziergang bis zur Kinzig und kehre dann dem „Städtle“ den Rücken. Etwa 90 Kilometer ist der Ort Staufen, mein nächstes Ziel, entfernt. Diese Fahrt durch den Schwarzwald genieße ich sehr.
Staufen
Leider hat das Wetter wieder umgeschlagen, als ich am Rande des Zentrums mein Auto parke. Dennoch fühle ich mich prächtig, als ich in die autofreie mittelalterliche Altstadt gehe, immer an einem „Bächle“ entlang, neben mir ein Irrgarten, links oben auf einem rebenüberzogenen Berg die Burgruine. Aber auch heute lohnt sich aus bekannten Gründen der Aufstieg nicht. Bei gutem Wetter soll man beste Sicht auf den Ort, die Rheinebene und die Vogesen haben. In Staufen, im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald gelegen, leben knapp 8.000 Menschen. Auch hier fühle ich mich, genau wie gestern in Gengenbach, gleich wohl, auch hier reihen sich die Fachwerk- und Steinhäuser wie Perlen an der Schnur. Zahlreiche Brunnen schmücken die Altstadt. Dann wird es Zeit für eine kleine Pause und in einem Café am Rathaus lasse ich mir einen Rüblikuchen, wie das Möhrengebäck hier genannt wird, munden. „Bueble“ und „Maidle“ steht an den Toilettentüren. Bei der Restaurierung des Rathauses wurden Erdwärmebohrungen durchgeführt und seitdem spielt der Boden unter der Altstadt verrückt und erzeugt an verschiedenen Häusern Risse. Manche Bauten ziert ein Schild mit der Aufschrift „Staufen darf nicht zerreißen“.
An der Skulptur „Hirtenjunge“ aus dem Jahr 1954 vorbei steuere ich die spätgotische Kirche St. Martin an und besichtige auch den Innenraum, vor dem Seiteneingang kann die Skulptur „Durchblick“ bewundert werden. Beide Kunstwerke wurden vom Künstler Kurt Lehmann erschaffen. Seine Werke sind vorwiegend in Hannover und hier ausgestellt. Am Rathausplatz darf natürlich ein Besuch des „Gasthaus zum Löwen“ nicht fehlen, denn von hier soll Mephisto im Jahre 1539 Dr. Faustus in die Hölle geholt haben. Der Wettergott hat leider kein Einsehen und so marschiere ich zum Auto zurück, schaue mir noch die Skulptur „Femme debout“ vom bereits genannten Künstler an, und ab geht es nach Freiburg. Marion und Wilfried hatten mir eine Fahrt mit der Seilbahn von Staufen nach Münstertal empfohlen, aber das muss ich beim nächsten Mal nachholen. Am Ortsrand wundere ich mich über Felder mit der Aufschrift „Schladerer“ und erfahre, dass in dieser Gegend nicht nur Wein gekeltert wird, sondern dass sich hier auch Badens berühmteste Brennerei befindet.
Freiburg
Am späten Nachmittag erreiche ich den zu Freiburg gehörenden Stadtteil Opfingen und checke ein im Hotel „Blume“. Abends lasse ich mir leckere Schwarzwald-Tapas im „blümchen“ schmecken. Am nächsten Morgen möchte ich gern mit dem Bus ins Zentrum, aber die nächste Abfahrt ist erst in ein paar Stunden, also nehme ich mein Auto. Der Hotelinhaber meinte bei meiner telefonischen Buchung, der öffentliche Nahverkehr würde gut funktionieren und man könne alle 30 Minuten losfahren …
Leider regnet es wieder, als ich am Theater vorbei ins Zentrum gehe. Freiburg, 230.000 Einwohner, wurde 1120 als Stadt „freier Bürger“ gegründet. So steht hier die Universität, die erstmals Frauen immatrikulierte, Ende des 20. Jahrhundert war die Stadt Hochburg der Grünen.
Trotz des Wetters bin ich begeistert von der historischen Altstadt, es soll sich um eine der besterhaltenen mittelalterlichen in Europa handeln. Das Ensemble Münster, Altes und Neues Rathaus, Alte Wache, historisches Kaufhaus, sandsteinrot mit zwei schönen Erkern und Fassadenskulpturen, und Martinstor ist einmalig, charmant und unbedingt einen Besuch wert. Enge Gassen mit historischen Gebäuden und gemütlichen, malerischen Plätzen prägen das Stadtbild.
Das Münster Unserer Lieben Frau wurde im 13. Jahrhundert erbaut und in der Folgezeit immer wieder erweitert und verändert. Im dreischiffigen Innenraum leuchten die Fenster mit ihren Glasmalereien, der Flügelaltar mit Bildern von Maria ist wohl der Höhepunkt der Kirche. Gern wäre ich auf den 116 Meter hohen markanten Turm gestiegen, die Aussicht von dort soll phänomenal sein, aber bei dieser Witterung …
Die bekannten Bächle habe ich erst gar nicht wahrgenommen, denke ich doch, dass es sich um Gräben handelt und nicht um kleine Wasserläufe, die von der Dreisam gespeist werden. Ursprünglich wurden sie angelegt, um die Stadt mit Wasser zu versorgen, jetzt bieten sie im Sommer sicherlich eine angenehme Abkühlung und im Winter wird daraus eine Eislaufbahn.
Abends bleibe ich in Opfingen und besuche die Straußenwirtschaft des Weingutes Sonnenbrunnen. In rustikaler und gemütlicher Atmosphäre probiere ich heimische Weine und stärke mich mit deftigen Schwarzwälder Köstlichkeiten. Zum Schluss kaufe ich noch jeweils einen Karton Gutedel und Müller Thurgau, die ich am nächsten Morgen mit dem Auto abholen werde, bevor es nordwärts nach Einbeck geht.
Einbeck
Die nächste Nacht werde ich in einem wunderschönen Fachwerkhaus verbringen, nämlich in der Fachwerk- und Kulturpension TangoBrücke. Ein Parkplatz ist schnell gefunden, doch dann benötige ich geraume Zeit, um den Schlüsselsafe zu finden und den Schlüssel zu entnehmen, obwohl ich eine Email mit genauer Handhabung erhalten habe. Sehr zentral gelegen, habe ich doch fast alle Hauptsehenswürdigkeiten direkt vor mir. So schön hatte ich mir Einbeck nicht vorgestellt. Nur ein paar Schritte sind es zum Herzstück der Stadt, dem historischen Marktplatz. Auch hier bestimmen wunderbar erhaltene Fachwerkhäuser das Bild, dazu die Marktkirche mit ihrem 65 Meter hohen und etwas geneigten Turm, dann das Wahrzeichen Einbecks, das Alte Rathaus mit seinen Zierschnitzereien und Türmen bzw. spitzen Kegeldächern. Gleich daneben kann der Till-Eulenspiegel-Brunnen angeschaut werden. Ob der Schelm tatsächlich die Stadt besuchte, ist nicht bewiesen, aber der Legende nach soll er als Brauknecht gearbeitet haben. Ihm soll aufgetragen worden sein, das Bier fertig zu brauen und den Hopfen nicht zu vergessen, er nahm jedoch den Hund namens Hopf und warf ihn in den kochenden Sud, dadurch soll das Sprichwort „Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt“ seinen Ursprung haben.
Natürlich schaue ich mir auch die Ratswaage an und das Brodhaus, eine der ältesten Gaststätten Niedersachsens und früher Gildehaus der Bäcker. Abends ist doch tatsächlich ein Tisch in einer Art Weinfass frei und hier lasse ich es mir gut gehen, heute natürlich mit Einbecker Bier. Später gesellen sich noch zwei Herren aus Hannover zu mir und ich bitte sie später, doch einen Moment zu bleiben, falls ich die umständliche Schlüsselentnahme wegen der Dunkelheit nicht schaffe, aber es hat funktioniert und glücklich falle ich ins Bett. Morgen geht es zurück.
PS: Leider hat diese Fahrt ein Nachspiel. Zwei Wochen später erfahre ich von der Polizei Freiburg, dass eine Anzeige gegen mich wegen Fahrerflucht vorliegt. Angeblich hat jemand beobachtet, wie ich beim Ausparken einen Wagen geschrammt habe. Mir ist allerdings nichts aufgefallen und auch die Polizei in Bremen hat an meinem Auto keine Kratzspuren festgestellt. Wäre ich doch bloß mit dem Zug gefahren …
Ein Video über diese Reise kann bei YouTube unter
https://youtu.be/K4JinEPt15M
angesehen werden.