Spielend durch Deutschland
Bamberg
Wieder treffen wir uns im Bremer Hauptbahnhof. Heute, am 14.Oktober, sind Schimmi und Werner mit von der Partie. Wegen eines liegen gebliebenen Zuges muss der ICE von Hannover bis Göttingen auf der alten, langsameren Strecke fahren und wir verpassen dadurch in Würzburg unseren Anschlusszug nach Bamberg – aber es hat nicht sehr gestört.
Erwartungsvoll gehen wir durch die Luitpoldstraße und betreten das „Best Western Hotel Bamberg“. Nun also hinein ins oberfränkische Vergnügen!
Bis zur Altstadt sind nur ein paar Minuten zu gehen. Sie gilt als größter unversehrt erhaltener Stadtkern Deutschlands und gehört seit 1993 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Der mit vier Türmen versehene Dom ist das beherrschende Bauwerk. Genau wie Rom wurde Bamberg auf sieben Hügeln erbaut, einige hatten wir das Privileg zu besteigen. Gut 70.000 Menschen wohnen in der Stadt, die im Zweiten Weltkrieg zum Glück nur gering zerstört wurde.
Werner war vor Jahren schon einmal hier, kennt bereits einige der rund 400 Kneipen und ist mit guten Tipps gern zur Stelle. Zunächst geht es über den Main-Donau-Kanal, gleichzeitig auch Rechter Regnitzarm, in die nahe Innenstadt.
Absoluter Blickfang ist das spektakuläre Alte Rathaus zwischen Oberer und Unterer Brücke. Dieses mitten im Linken Regnitzarm gebaute Prachtwerk gilt als Wahrzeichen der Stadt. Im mit Fresken reich verzierten Hauptgebäude können heute Sammlungen besichtigt, auf der Brücke Kaiserin Kunigunde bewundert werden.
Dann wird es aber auch endlich Zeit für ein hiesiges Rauchbier. Die Brauereigaststätte „Schlenkerla“ in der Sandstraße eignet sich vorzüglich für dieses Vorhaben. Meines Erachtens nach erinnert der Geschmack des in dieser Region angesagten und durchaus üblichen Getränks an geräucherten Schinken, persönlich ist mir jedoch ein Glas Pils lieber.
Optimal gestärkt geht es weiter. Eine Bekannte von Schimmi schlägt uns einen Besuch der Brauerei „Greifenklau“ vor. Gern kommen wir der Empfehlung nach und klettern den Kaulberg hinauf. Bestürzt stellen wir am Ziel fest, dass heute Ruhetag ist – also wieder zurück in die Innenstadt. Ein freundlicher Herr rät uns, ins „Leo“ einzukehren, man habe von hier den besten Blick auf den Dom. Und er hat Recht, die Aussicht von der Terrasse des Lokals ist tatsächlich einmalig, jedenfalls habe ich in den nächsten Tagen keine bessere Dom-Perspektive erlebt. Auch unser Tippgeber hat mittlerweile draußen Platz genommen und lässt uns weitere Informationen über das kulturelle Bamberg angedeihen.
Aber natürlich darf der kulinarische Aspekt nicht zu kurz kommen und so steuern wir, wiederum auf Empfehlung, die Brauereigaststätte „Klosterbräu“, die älteste Braustätte Bambergs, an. Auf dem Weg dorthin kommen wir noch am Böttingerhaus, einem Stadtpalais in der Judenstraße, vorbei. Seine Eingangsfassade mit dem Blattwerk und den Figuren zeugen vom früheren Reichtum des Hofrats.
Wir haben Glück und ergattern noch einen freien Tisch in der Gaststätte. Es schmeckt vorzüglich und ist auch nicht teuer. Da uns aber das Kartenspiel anschließend nicht gestattet wird, verlassen wir das Haus auf schnellem Wege und steuern das letzte Lokal dieses Tages an, das „Fässla“, ebenfalls eine Brauereigaststätte in der Nähe unseres Hotels. Hier tobt das Leben. Auf dem überdachten Vorhof und auf der Diele stehen viele Gäste mit einem Glas Bier in der Hand. Denken wir zunächst noch, es handele sich um Raucher, werden wir später erfahren, dass es so genannte „Stehgammler“ sind, die ihr Getränk lieber stehend an der frischen Luft einnehmen. Nur mit Mühe gelingt es uns, einen freien Platz zu erwischen, schließlich wird uns der Stammtisch zugewiesen. Viele Gäste spielen Schafkopf, wir nehmen die Skatkarten in die Hand. Später unterhalte ich mich noch mit einem Stammgast, einem Anwalt in Ruhestand, über Gott und die Welt und Amerika.
Den nächsten Tag beginnen wir mit dem üblichen Sightseeing. Wieder geht es durch den Turm des Alten Rathauses ins Zentrum. Als erster Punkt steht der Besuch des ursprünglich im Jahre 1002 gebauten Doms auf dem Programm.
Sein auf den ersten Blick schlichter Innenraum ist nicht unbedingt typisch für katholische Gotteshäuser. In der Nähe des Eingangs ist der Bamberger Reiter, die vielleicht bekannteste Sehenswürdigkeit der Stadt, zu bewundern. Kunsthistoriker rätseln noch immer, wen diese jugendliche Gestalt aus dem 13. Jahrhundert darstellen soll.
Gleich dahinter steht das von Tilman Riemenschneider erschaffene und reich verzierte Hochgrab des heiligen Kaiserpaares Heinrich II. und seiner Gemahlin Kunigunde. Reliefs an den Seiten des Doppelgrabs berichten aus dem Leben der beiden.
Eindrucksvoll sind auch das Gestühl im Westchor und der Bischofsstuhl, die Kathedra. Gleich dahinter erkennt man das einzige bekannte Papstgrab nördlich der Alpen. Clemens II. hatte sein Amt nur kurze Zeit inne, er soll vergiftet worden sein. Bei einer Domführung, der wir uns nicht angeschlossen haben, hätte man einen besseren Blick auf die Tumba. Verschiedene kostbare Altare an den Seiten belegen die Bedeutung dieses Hauses. Draußen wird dann noch das Fürstenportal mit dem „Letzten Gericht“ im Tympanon angeschaut.
Nun geht es weiter durch die Hofhaltung, wo ein Wärter penibel darauf achtet, dass die Stufen des Brunnens nicht betreten werden, zum Rosengarten der Neuen Residenz. Zwar ist die Blütenpracht in den rund 70 Beeten nicht mehr so erhaben wie im Sommer, dennoch gewinnt man einen guten Eindruck. Skulpturen und Putten runden das Bild ab. Den Besuchern bietet sich ein guter Ausblick auf das über der Stadt angelegte ehemalige Benediktinerkloster St. Michael, das wir uns als nächstes anschauen.
Es wurde bereits 1015 als Bollwerk gegen die Heiden gegründet. Leider kann der Innenraum wegen Renovierungsarbeiten nicht betreten werden. Schade, die im Reiseführer gezeigten Bilder vom Gewölbe der Kirche erscheinen sehr verheißungsvoll. Heute wird die Anlage als Städtisches Altenheim, als Bürgerspital genutzt. Vom angrenzenden Garten kann der Blick weit auf die oberfränkische Weinlandschaft, aber auch gut auf Bambergs Innenstadt gelenkt werden.
Nun geht es wieder bergabwärts zur Häuserzeile „Klein Venedig“, einer Schiffer- und Fischersiedlung an der Regnitz. Pittoresk anmutende, mit üppigen Blumen geschmückte und rund 500 Jahre alte Häuser bilden ein beliebtes Fotomotiv.
Zurück im Zentrum ist eine Mittagspause angesagt, ich bestelle mir das hier sehr aktuelle „Schäuferla“, eine Fleischspeise aus der Schweineschulter. Namensgeber dieses Gerichts soll das mit dem Gericht verbundene schaufelförmige Schulterblatt sein. Serviert wird das leckere Mittagessen mit Wirsing und Klößen, dazu ein trockener Frankenwein.
Die Wortendung „la“ scheint in Bamberg sehr angesagt zu sein, Fässla, Schlenkerla, Ahörnla, Schäuferla, um nur einige Beispiele zu nennen. Wohlig gesättigt orientieren wir uns an der Regnitz entlang zu unserem nächsten Ziel, der ebenfalls empfohlenen Brauereigaststätte „Mahrs“. Auch hier gefällt es uns sehr gut, das Bier in den Halbliterkrügen ist preiswert und süffig, die Stimmung im Lokal ausgezeichnet. In der Schankstube wird das Gerstengetränk noch direkt aus dem Bierfass gezapft. An den stabilen Holztischen lässt sich vorzüglich Skat spielen und der Kachelofen vermittelt eine gemütliche Atmosphäre. Mit diesem Pfund können aber auch die bisher besuchten Braugasthöfe wuchern.
Den Abend verbringen wir wieder essend, trinkend und spielend im „Fässla“, später wechsele ich noch ins gegenüber liegende Gasthaus „Spezial“, hier wird allerdings nur Rauchbier gezapft.
Nach ausgiebigem Frühstück geht es am nächsten Morgen erst zum Wochenmarkt und danach zum Anleger am Linken Regnitzarm, wo wir erwartungsvoll das Ausflugsschiff „Christl“ besteigen. Die Fahrt führt zunächst an Klein Venedig vorbei und endet dann für ein paar Minuten in der Schleuse Gaustadt. Hier erleben wir hautnah, wie die unterschiedlichen Wasserspiegel angeglichen werden und das Schiff nach Schließen der Schleusenpforten gehoben bzw. gesenkt wird. Auf dem Main-Donau-Kanal begegnet uns ein Flusskreuzfahrtschiff.
Nachdem es am Montag nicht geklappt hat, versuchen wir unser Glück noch einmal und machen uns auf den Weg zum Lokal auf dem Kaulberg. Unterwegs besichtigen wir noch den Kreuzgang des Karmeliterklosters. Der Brauereigasthof „Greifenklau“ hat heute zum Glück geöffnet und erschöpft greifen wir zur Speisekarte. Auf dem Rückweg ins Hotel halten wir noch bei einer einheimischen Metzgerei und versorgen uns mit regionalen Köstlichkeiten.
Das Abendessen nehmen wir im „Mahrs“ ein, allerdings darf im Restaurant nicht gespielt werden. Uns stört es nicht sonderlich, schließlich liegt das „Fässla“ in absoluter Hotelnähe und dort gehören wir ja auch fast schon zu den Stammgästen.
Nun heißt es den Heimweg antreten. Wir gehen gemütlich zum Bahnhof und fahren bis Würzburg, wo uns noch gut vier Stunden für eine kleine Stadterkundung bleiben. Vor etwa 30 Jahren war ich schon einmal hier, kann mich aber nur noch sehr schwach erinnern.
Die zu Unterfranken gehörende Stadt, etwa 125.000 Einwohner, wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. Eine große Rolle spielt die Bildungspolitik, so ist hier die älteste Universität Bayerns ansässig.
Bis zur Residenz sind es nur ein paar Minuten. Dieses ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Schloss dient heute überwiegend als Museum. Schnell erwerben wir eine Eintrittskarte, betreten das historische Gebäude und sind ergriffen. Das von Balthasar Neumann hergestellte Treppenhaus mit seinem die vier Erdteile darstellenden Deckenfresko von Tiepolo ist für sich allein die Anreise wert. Der Weiße Saal und der Kaisersaal mit den Werken von Bossi und Tiepolo erscheinen mir einmalig. Langsam schlendern wir durch die unbeschreiblich schönen Räume und überlegen, wie es hier in dieser Fülle von Kunst und Prunk wohl früher zugegangen sein mag.
Auch der Hofgarten mit seinen Laubengängen, Pflanzen Skulpturen und Putten ist ein beliebter und interessanter Platz. Gern verweilen wir hier und genießen das Ambiente. Um dem Boden wieder Kraft zu geben, wurden die Rosen durch Gründünger, der momentan in hoher Blüte steht, ersetzt.
Auf dem Weg zurück in die Innenstadt kommen wir an der alten Universität und am Dom vorbei, das Neumünster erkennen wir aus einiger Entfernung. Nach dem Mittagessen unter freiem Himmel gehen wir noch auf die Alte Mainbrücke, die unseres Erachtens an die Karlsbrücke in Prag erinnert, und haben eine wundervolle Aussicht auf die Festung Marienberg. Und dann ist es auch schon an der Zeit, den Bahnhof anzusteuern.
Schade, Würzburg hätte mehr Zeit verdient.