Von Varna bis Jalta
Bulgarien
Der Flug von Hannover nach Bulgarien dauert 2 Stunden und 20 Minuten, am frühen Abend des 22.09.2003 erreichen wir Varna. Im Flughafen tausche ich etwas Bargeld, Reiseschecks werden leider nicht angenommen. Ein Euro entspricht 1,9 Lewa und ich fühle mich dank dieses Kurses in alte DM-Zeiten zurückversetzt. Der Zeitunterschied beträgt eine Stunde. Mit dem Taxi fahre ich zum Hotel "Odessa", wo ich bereits vor Wochen per Internet ein Zimmer reserviert hatte.
Der erste Eindruck der Stadt ist nicht besonders stimulierend, baufällige Häuser am tristen Stadtrand dämpfen meine anfängliche Begeisterung etwas.
Vom Hotelzimmer habe ich jedoch einen herrlichen Blick auf das Schwarze Meer. Die Speisekarte des Hotelrestaurants ist nur auf bulgarisch und mit kyrillischen Buchstaben geschrieben, das macht aber nichts, denn kleine Bilder erklären das geschriebene Wort.
Die Fußgängerzone wird zur Bühne, hübsche modisch gekleidete Frauen im Supermini und mit hochhackigen Schuhen zeigen sich auf der Promenade, die Männer sind eher unauffällig.
Varna hat über 300.000 Einwohner und liegt direkt am Meer, in der "grünen Lunge" der Stadt, dem Meerespark, hat man ausgiebig Gelegenheit zum Spaziergang. Beeindruckt hat mich die Kathedrale mit den goldenen Zwiebeltürmen. Bei meinem Besuch findet gerade eine Trauung statt und ein Männerchor untermalt den Gottesdienst auf ganz wunderbare Weise. Viele Cafes und Bistros haben sich in der Fußgängerzone im Zentrum angesiedelt.
Am Strand selbst ist nicht mehr so viel los, das Wetter ist zwar herrlich, die Sonne scheint und das Thermometer zeigt nachmittags noch 25 Grad an, obwohl der Herbst am Tag vor meiner Abreise, zumindest dem Kalender nach, schon Einzug gehalten hat. Nur wenige Leute wagen sich ins Wasser, einige Restaurants und Bars öffnen erst gar nicht mehr.
In den nächsten Tagen ernähre ich mich mehr oder weniger von Fisch, der hier, aber auch später an anderen Orten dieser Reise, sehr lecker schmeckt. Ganz angetan bin ich von den aromatischen Tomaten.
Problematisch ist es, richtige Informationen über die Weiterfahrt nach Constanţa zu erhalten. Jeder, den ich frage, ist zwar bemüht, mir zu helfen, aber auf vier Fragen erhalte ich fünf voneinander abweichende Antworten. Dabei sind es nur gut 200 Kilometer bis zum nächsten Ziel.
Eine Dame in einer Reiseagentur meint, ich solle mit dem Bus von Varna nach Russe an die Grenze fahren, von dort weiter nach Bukarest und dann nach Constanţa. Ihre Kollegin empfiehlt, den Zug von Varna nach Bukarest zu nehmen. Im Busbahnhof gibt es zwar einen Informationsschalter, aber die Frau versteht leider kein Englisch oder Deutsch, ein Busfahrer meint, ich solle mit dem Bus nach Shabla und von dort mit dem Taxi über die Grenze fahren.
Ich schlendere durch den Bahnhof und sehe zufällig oder glücklicherweise das bekannte Schild "Eurolines". Diese Linie fährt zwei Mal in der Woche direkt nach Constanţa und ich bin froh, dass sich mir diese einfache Möglichkeit noch bietet.
In die Innenstadt zurück nehme ich ein Taxi. Die Fahrerin haut gegen den Taxameter und der Preis erhöht sich im Sekundentakt. Zum Schluß sind umgerechnet vier EUR fällig, die Hinfahrt war nur halb so teuer. Einen entsprechenden Kommentar verkneife ich mir.
An einem Tag mache ich einen Ausflug nach Goldstrand, dem touristischen Zentrum der Umgebung. Sonnenschirm an Sonnenschirm, Bar an Bar, Hotel an Hotel, hier ist wirklich was los, viele Schilder sind in deutscher Sprache. Massagestände am Strand warten auf Kundschaft. Hier hat man keine Verständigungsprobleme.
In den Souvenirläden brechen die Auslagen unter der gewaltigen Ansammlung der Andenken fast zusammen. Das Publikum besteht, jedenfalls zu dieser Zeit, überwiegend aus Rentnern, dennoch kündigt ein Schild einen Auftritt von Mickey Krause, dem Mallorca-Anheizer, an.
Zurück in Varna löse ich in einer Bank einige Traveller-Schecks ein und genieße die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Ein älteres Mütterlein sammelt Kastanien auf. Im Veranstaltungszentrum in der Nähe meines Hotels befindet sich ein Internet-Cafe und ich versende einige Mitteilungen. Zum Abendessen probiere ich den einheimischen Chardonnay, er schmeckt nicht schlecht. Das bulgarische Bier, meistens Zagorla, gefällt mir auch.
Manchmal kommen Kinder an den Tisch und bieten Schreibzeug an. Ein kleiner Junge weint, als ihm niemand etwas abkaufen will.
Die Hotelrechnung kann ich mit Kreditkarte begleichen. Nach dem Auschecken fahre ich zum Busbahnhof, Frauenbrigaden harken das Laub am Straßenrand zusammen.
Um 12.45 Uhr geht es los, die Fahrt bis Constanţa kostet 30 Lewa. Die meisten Mitreisenden fahren weiter bis Odessa. Sie haben jede Menge Gepäck dabei und unser Fahrer hat Probleme, alles zu verstauen. Immer wieder wird ein Koffer herausgenommen und umgestellt. Ich vergewissere mich einige Male, dass mein Rucksack nicht auf der Strecke bleibt.
Die Busfahrt ist recht interessant. Wir kommen an riesigen Maisfeldern vorbei, die Kolben sind schon abgeerntet und lagern vor den Häusern oder an der Straße. Ein- oder zweispännige Pferde- oder Panjewagen bestimmen das Straßenbild, wahrscheinlich hat es vor 20 Jahren ähnlich ausgesehen. Gewaltige Weinanbaugebiete liegen links und rechts der Fahrbahn, denn Bulgarien ist ein bedeutender Weinexporteur.
Die Ortsschilder sind sowohl in kyrillischer Schreibweise als auch in Druckbuchstaben ausgezeichnet.
Nach etwa 90 Minuten erreichen wir die Grenze, müssen uns dann etwas gedulden, da die Grenzer noch Pause haben und am Kiosk beim Tee sitzen. An einer Bar wechsele ich das restliche Geld. Der Toilettenbunker ist nur gegen Bezahlung zu betreten, unvorstellbar, dass für das stinkende Loch noch Geld verlangt wird.
Die gesamte Prozedur auf bulgarischer Seite dauert dann etwas mehr als 2,5 Stunden, ein Mann muss den Bus verlassen. Am rumänischen Grenzpunkt werden die Pässe eingesammelt und nach genau einer Stunde können wir die Fahrt fortsetzen. Unser Bus wird mit einer Wasserdusche im Schnelldurchgang gereinigt und desinfiziert.
Ein Schwein läuft an den Wachhäusern vorbei und wird dann von Hunden zurückgehetzt. Während der langen Wartezeit unterhalte ich mich mit Antoine, einem Franzosen, und mit Diyan aus Bulgarien, sie wollen auch nach Constanţa. Beiden ist das Münchener Oktoberfest bekannt.