Mit Freu(n)den um die Welt
Vietnam
Hanoi
Die vietnamesische Hauptstadt empfängt mich in dichtem Nebel. Gab es vor Jahren bei der Einreise noch Probleme, so kann ich heute vom Gegenteil berichten, wir brauchen nicht einmal mehr eine Migrationskarte auszufüllen. Und möglicherweise hätten wir hier auch das Visum vor Ort erhalten, jedenfalls weist ein Schild darauf hin, oder gilt das nur für Geschäftsreisen?
Kurz vor Beginn der Reise hatte ich mir einen Zweitpass besorgt und Visa Direct in Berlin persönlich die Unterlagen ausgehändigt mit der Bitte, mir jeweils ein Visum für Vietnam und Myanmar zu besorgen. Es hat hervorragend geklappt, der Pass mit den beiden Stempeln wurde rechtzeitig an die Adresse von Schmiedel geschickt, damit er mir das Dokument in Neuseeland übergeben kann.
Im Flughafen erwerbe ich einen Gutschein für die Taxifahrt zum Hotel zu einem Festpreis. Der Betrag erscheint mir gerechtfertigt, aber Reisebüros im Zentrum bieten einen Taxi-Flughafentransfer zum halben Preis an. Auf dem Weg in die Innenstadt müssen wir den breiten Roten Fluss überqueren. Als ich einmal beim Anblick eines waghalsigen Mopedmanövers zusammenzucke, informiert mich der Fahrer nachsichtig, dass an einem bestimmten Tag 30 Motorradfahrer Hanois in einen tödlichen Verkehrsunfall verwickelt waren.
Heidi und Werner sind schon tags zuvor in Hanoi angekommen. Wie lange hatten wir von dieser Begegnung im fernen Asien gesprochen und geträumt, jetzt sind wir da. Sie überreichen mir ein sehr nützliches Bekleidungsgeschenk meines Stammtischs im Hinblick auf die in vier Wochen beginnende Schiffsreise.
Nach herzlicher Begrüßung gehen wir in ein Restaurant und planen unsere nächsten Aktivitäten. Heidi und Werner sind bereits zum dritten Mal in diesem Land und somit kompetente Reisepartner. Ich kenne bisher nur Südvietnam, und dieser Besuch liegt schon neunzehn Jahre zurück. Mal sehen, was die kommenden Tage bringen werden.
Das Frühstück im Hotel gefällt mir. Gestärkt gehen wir durch die anliegenden Straßen und erleben noch ein Asien, wie es sich auch früher darstellte. Kleine Geschäfte, Handwerker und Brutzelbuden. Ein Mann schneidet am Straßenrand seine Zehnägel, die vorbeilaufenden Passanten scheinen gar nicht zu interessieren. Obst- und Gemüseverkäufer mit ihren runden Hüten und Mopedhorden prägen das Stadtbild. Die Überschreitung einer Kreuzung ist schon ein nerviges Unterfangen, unbegreiflich, dass ein Blinder den Mut dazu hat, aber wir haben es wirklich gesehen.
Wir schlendern um den Hoan Kiem See herum und empfinden bei diesem Nebel über der Stadt eine ganz eigentümliche Herbststimmung. Brautpaare lassen sich am Wasser fotografieren. Zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft kaufen wir ein Fotoetui und eine Geldbörse. Es ist gar nicht so einfach, ein entsprechendes Portemonnaie zu finden, da das Fach für Münzen meistens fehlt. An das Bezahlen muss man sich erst gewöhnen, ein US-Dollar ist rund 20.000 Dong wert und natürlich gibt es in dieser Größenordnung nur Scheine. In einer Schneiderei an der Straße lasse ich mir einen Knopf an die Hose nähen. Nachdem wir uns mit Ansichtskarten und Briefmarken versorgt haben, gehen wir ein paar Meter weiter und dort ergibt sich ein ganz anderes Bild. Die Geschäfte werden größer und die Umgebung edler, an jeder Ecke steht ein ATM-Automat und kann benutzt werden. Werner hat mit seiner Karte etwas Pech und erfährt später, dass der Magnetstreifen wohl defekt sein muss.
Im Reisebüro machen wir die nächsten Exkursionen klar. Morgen geht es in die Sapaberge und in ein paar Tagen an die Halong Bay. Vorsorglich buchen wir für die Rückkehr nach Hanoi auch gleich ein anderes Hotel zu einem Preis, der sich sehen lassen kann. Unsere bisherige Herberge lässt leider nicht mit sich handeln.
Facebook funktioniert seit heute nicht mehr, liegt es am Server, am politischen System oder habe ich was falsch gemacht? Es liegt am Land, die Nutzung dieses sozialen Netzwerkes ist nur unter bestimmten Voraussetzungen, die ich nicht erfülle, möglich. Leo ist mir bei der Aufklärung sehr behilflich.
Abends gehen wir ins Happy Day, denn es liegt ganz in der Nähe. Wir essen vorzüglich und lassen den Tag dann auf dem Balkon einer anderen Bar ausklingen.
Fahrt zu den Sapabergen
Djung heißt unser sympathischer Fahrer. Gleich nach dem Frühstück setzen wir uns in Bewegung. Es dauert, bis wir den ohrenbetäubenden Verkehr in Hanoi hinter uns lassen können. Interessant ist die Fahrt allemal. Wir überqueren Flüsse, sehen Reisfelder und Teeplantagen, fahren durch kleine Dörfer, überholen etliche Mopeds oder lassen überholen - und das alles ganz gemächlich. Nach zwei Stunden und 70 Kilometern legen wir die erste Pause ein. Man hätte natürlich auch mit dem Zug nach Sapa fahren können, aber es gibt nur Nachtverbindungen und wir hätten nichts von der interessanten Gegend gesehen.
Bis zum Mittagessen sind wir noch einmal die gleiche Zeit unterwegs. Wir stärken uns mit leckeren Frühlingsrollen, Rindfleisch, einem Stück Sülze, das mir aber nicht so zusagt, Suppe, Tee und Bier. Eine Schweizerin erklärt uns, dass es sich bei den an der Straße vielfach angebotenen Früchten um “Jujube” handelt. Später sehe ich in Wikipedia, dass es in Deutschland für diese Steinfrucht keinen anderen Namen gibt.
Djung fährt sehr gut, der englischen Sprache ist er aber nicht so sehr mächtig, erklärt aber immerhin, dass er dabei war, als die vietnamesische Armee Kambodscha von Pol Pot befreit hat. Er war Funker. Auf relativ guten Straßen geht es dann weiter ins Gebirge. Am Wegesrand trocknen dünne Holzscheiben, die später verarbeitet und als Furnier Verwendung finden werden.
An einem Apfelsinenstand direkt an der Fahrbahn legen wir erneut eine Pause ein. Meines Erachtens kennt Djung die Verkäuferin, aber warum auch nicht. Für ein Kilogramm werden 1 ½ Dollar verlangt. Eine Glucke mit Küken scharrt im Sand. Weiter geht es durch Ortschaften mit Pfahlbauten, unter denen sich manchmal Hühner und Schweine tummeln. In einem anderen Dorf sehen wir etliche Steinmetze bei ihrer Arbeit. Es soll noch vereinzelt Tiger in dieser Gegend geben.
Nach sieben Stunden erreichen wir den Ort Nghia Lo und checken im Muong Lo Hotel ein, zwanzig Dollar werden pro Nacht verlangt. Das Haus ist an zwei Seiten von Reisfeldern umgeben. Wir spazieren durchs Dorf, weichen den Fliegenschwärmen aus und bewundern die schmalen aber zum Teil schön verzierten Häuser. Auf dem Markt werden überwiegend Lebensmittel, darunter Hühnerbeine, verkauft, aber auch Bekleidung und andere Gebrauchsgegenstände. Als ich zum Spaß einen hier üblichen Hut aufsetze, will das Gelächter kein Ende nehmen. Die Menschen sind alle sehr freundlich, lächeln uns an und winken uns zu, Kinder beobachten uns neugierig.
Zum Abendessen bleiben wir im Hotel und erfreuen uns an einem leckeren Feuertopf. Danach erhält jeder ein Stück Pomelo, eine Zitrusfrucht, ähnlich der Pampelmuse oder Grapefruit. Mit der Verständigung klappt es hier nicht besonders gut, es langt aber, um die Grundbedürfnisse zu befriedigen. Der Tourismus hat in diesem Ort noch keine Einkehr gehalten.
Auch am nächsten Vormittag regnet es noch, aber es stört uns nicht, wir sitzen im trockenen Auto und werden sicher chauffiert. Wasserbüffel und Hunde streunen durch die kleinen Dörfer, Kinder fahren in ihren niedlichen Schuluniformen zum Unterricht, malerische Reisfelder liegen an beiden Seiten der Straße. In Than Uyen legen wir eine Mittagspause ein und stärken uns mit einer kräftigen Nudelsuppe. Der Wirt zieht an einer langen silbernen Pfeife.
Nun sind es noch 111 Kilometer bis Sapa, unserem Ziel, auch unter Sa Pa bekannt. Unterwegs hat Djung eine kleine Müdigkeitsphase und bittet uns, doch ein paar Schritte zu gehen. An einer Teeplantage steigen wir aus und sind dankbar, dass wir uns etwas bewegen können. Ganz in der Nähe liegt ein kleiner Hof und dort sehen wir, wie Hängebauchschweine im Dreck wühlen. Schwarze Ferkel liegen im Sand und Büffel traben gemächlich am Straßenrand entlang. Ein paar Enten strecken sich nach einem Wasserschlauch in der Hoffnung, ein paar Tropfen vom edlen Nass zu erwischen.
Der Regen hat aufgehört und die Sicht wird nach und nach besser. Kurz vor Beendigung der Fahrt beobachten wir, wie sich dicke Wolken zwischen die Berge zwängen, mittlerweile hat sich die Sonne durchgekämpft und wir erleben ein ganz interessantes Wetterschauspiel. Lichte Helligkeit auf der einen und neblige Finsternis auf der anderen Straßenseite.
Um 16.30 Uhr erreichen wir das Hotel, können noch etwas am Preis handeln und checken ein. Auf dem Zimmer ist das Surfen im Internet zwar möglich, aber zum Bloggen gehe ich lieber ins Restaurant, hier empfange ich ein besseres Signal. Sapa ist mit dem Ort von gestern nicht zu vergleichen, denn hier hat der Tourismus wieder das Sagen. Es ist lausig kalt, morgens hat es hier noch geschneit. Immerhin befinden wir uns jetzt auf einer Höhe von 1.600 Metern. Ein freundlicher Mitarbeiter informiert mich, dass er einen Heizlüfter in mein Zimmer gestellt hat. Nach einem gemütlichen Abendessen und einem Absacker in einer Bar freuen wir uns auf unser Bett, es verfügt nämlich über eine elektrische Heizdecke - und das in Vietnam!
Leider hat sich das Wetter über Nacht nicht verbessert. Durch dichten Nebel fahren wir aus Sapa hinaus zu einem Besuch der hier beheimateten ethnischen Minderheiten, der Hmong, Red Dao und Tay. Erst Ende des letzten Jahrhunderts entwickelte sich die Bergregion zu einer touristischen Hochburg. Angefangen hat es um 1900 n. Chr., als ein findiger Mitarbeiter der Kolonialmacht Frankreich die klimatischen Vorzüge des auf einer Höhe von etwa 1.600 Metern gelegenen Gebietes erkannte. Eine Eisenbahn wurde gebaut und das Terrain erschlossen. Heute hat Sapa bereits 30.000 Einwohner und die Bergstämme profitieren, jedenfalls finanziell, von der Entwicklung. Sie müssen sich nicht mehr ausschließlich von den geringen Erlösen aus der kargen Landwirtschaft ernähren.
Es klart sich etwas auf und gleich am Anfang der Ortschaft stürzen sich mehrere Frauen auf uns, um ihre selbst hergestellten Waren zu verkaufen. Sie sind aber nicht besonders aufdringlich, sondern begleiten uns hinunter, natürlich in der Absicht, neue Kunden zu ködern. Und so ist es dann auch. Aber sie lassen gut mit sich handeln und am Ende hat jeder das Gefühl, ein ordentliches Geschäft gemacht zu haben. In der Ökonomie spricht man dann wohl von "Win-Win-Situation”.
Der Weg hinunter scheint in Verkaufsbezirke abgesteckt zu sein, denn ab einer Straßengabelung wechselt unsere Begleitung. Ich habe es in der nächsten Stunde mit der reizenden Bão zu tun. Sie trägt ihr 1 ½ jähriges Kind auf dem Rücken, ist 22 Jahre alt, seit fünf Jahren verheiratet und bereits Mutter von drei Söhnen. Von ihr erfahre ich, dass der Ort seit zehn Jahren über Elektrizität verfügt, das Wasserkraftwerk ist nicht weit weg und gut zu erkennen. Selbst eine katholische Kirche ist im Dorf vorhanden und natürlich auch eine Schule. In Vietnam herrscht zwar keine absolute Schulpflicht, aber man ist sich der Wichtigkeit bewusst. Bão selber ist katholisch. Sie zeigt mir auch den etwa zehn Kilometer entfernten und mit über 3.000 Meter höchsten Berg Vietnams, den Fansipan.
Über einen kleinen Steg gehen wir durch die Reisfelder, Enten suchen auf dem abgeernteten Land nach Futter, Hängebauchschweine wälzen sich im Matsch, Büffel grasen am Wegesrand, Glucken und Küken picken ihr Futter und etliche Hunde dösen in der Vormittagssonne, die sich nun doch ab und zu zeigt und die Reislandschaft in ein ganz anderes Bild setzt.
Heidi´s Begleiterin wird demnächst heiraten, wie sie zart errötend mitteilt. Aber es wird, wie überall auf der Welt, auch getratscht. Eine Frau ist bereits 40 Jahre alt und, wie uns hinter vorgehaltener Hand konspirativ zugesteckt wird, noch nicht verheiratet. Sie soll nicht ganz so fleißig und deshalb weniger begehrenswert sein. Nach gut 2,5-stündiger Wanderung suchen wir unser Auto, finden es aber nicht. Wir haben die richtige Abzweigung verpasst. Freundliche Frauen bringen uns auf den rechten Weg - und natürlich erwarten sie dann auch eine Gegenleistung. So fahren wir, nachdem wir Djung mit etwas Aufwand gefunden haben, reichlich bestückt nach Sapa zurück und erfreuen uns, wieder einmal, an den Reisterrassen.
Nach dem Mittagessen geht jeder seinen Interessen nach. Vom Tal zieht wieder dicker Nebel herauf. Später bemühen sich Heidi und Werner in einer Bank um Bargeld. Es ist problemlos und bei Vorlage von Pass und Kreditkarte wird der Betrag ohne zu zögern ausbezahlt.
Als wir vom Abendessen zurück ins Hotel gehen, bedauere ich die vielen Frauen, die immer noch mit ihren Verkaufsständen an der Straße in der Hoffnung auf etwas Umsatz warten. Und das bei dieser Kälte. Man mag gar nicht hinsehen, viele tragen nur ihre Flipflops, natürlich ohne Strümpfe oder Socken.
Dann geht es auf die Rückfahrt und wir halten uns eigentlich den ganzen lieben langen Tag in unserem Ford auf. Obwohl gestern nur verhaltener Sonnenschein war, merken wir doch einen kleinen Sonnenbrand, es muss an der Höhe liegen. Die Fahrt zurück nach Hanoi, oder auch Hà Noî, wie es die Einheimischen schreiben, ist wiederum sehr interessant, jedenfalls während der ersten Hälfte. So geht es zunächst nach Lào Cai. Dort sehen wir uns den Grenzübergang nach China an und ich muss gestehen, auf dieser Reise habe ich schon wesentlich schlechtere erlebt.
Unterwegs begegnet uns eine Beerdigungsgesellschaft, der Sarg wird auf einer Bahre mit musikalischer Begleitung die Straße entlang geschoben und die Trauergäste folgen. Kurze Zeit später überqueren wir den Hong River, wir werden ihn heute noch öfter sehen bzw. über ihn hinweg fahren.
Eine Hochzeitsgesellschaft feiert schon am Vormittag. Und dann geht es durch eine Holzgegend, ich habe nicht auf den Tacho gesehen, schätze aber, dass wir über eine Strecke von 50 Kilometern durch Ortschaften gefahren sind, wo, wie bereits beschrieben, schmale Holzbretter zum Trocknen am Straßenrand stehen. Djung meint, es wird zu Parkett verarbeitet.
Heidi und Werner hatten im Fernsehen eine Sendung verfolgt, die das gewaltige Holzfällen in China und Nordvietnam anprangert, da dadurch auch Lebensraum für gewisse Lebewesen, speziell für eine bestimmte Affensorte verloren geht und deshalb ein Aussiedlungsprogramm für diese Tiere organisiert werden muss. Wir haben zwar keinen Kahlschlag, aber doch einige nackte Stellen am Berg gesehen.
Unterwegs essen wir zu Mittag. Jetzt sind es noch gut 160 Kilometer bis Hanoi. Werbeschilder machen auf verschiedene Lokale aufmerksam. So können wir, wenn uns danach sein sollte, ein Bia trinken, einen Sa làt essen oder in ein Ka Fe gehen.
Heute scheint die Sonne und es ist auch spürbar wärmer. Ein junger Mann auf Moped hütet eine Ziegenherde, Melonen werden hundertfach am Wegesrand verkauft, einmal haben wir den Eindruck, eine Stadt hält sich nur mit Straßenbau auf. Natürlich passieren wir wieder etliche Reisfelder, je näher wir der Hauptstadt kommen, desto öfter befinden sich Grabstellen auf dem Acker. Manchmal pflügt ein Bauer mit einem Wasserbüffel, hin und wieder erleben wir Frauen und Männer, wie sie das Getreide mit der Hand pflanzen.
Fast alle Mopedfahrer haben einen Mundschutz umgebunden. Ich möchte nicht aktiv in diesem chaotischen Verkehr, zumindest in den Ortschaften, am Steuer sitzen. Egal ob von links oder rechts, die Autos, Roller oder Mopeds fahren einfach ohne Rücksicht auf die Straße. Djung lenkt sehr sicher, aber bei verschiedenen Überholmanövern hätte ich anders reagiert, die Hupe ist ein wichtiges Kommunikationsinstrument. Dass drei Personen auf einem Moped sitzen, hatte ich schon häufig gesehen, aber jetzt beobachte ich eine Mutter mit zwei Kleinkindern auf dem Sozius. Ein leichtes Frösteln überfällt mich. Dass auf diese Art und Weise Hühner, Schweine oder andere Tiere transportiert werden, ist mir durchaus bekannt. Gestern, als wir aus dem Bergdorf zurückkamen, sahen wir ein totes Kalb auf der Straße liegen, Ich bin relativ sicher, dass es vom Sitz heruntergefallen und verendet ist.
Kurz vor Hanoi verlassen wir die Autobahn, auf der wir allerdings nur kurze Zeit waren, und bezahlen die Passage. Diverse Menschen hocken auf der Erde und bieten ihre Waren, zumeist Obst, an. In den Orten fallen mir immer wieder die schönen Häuser mit dem Säulenportal auf. Riesige Gemüsefelder und Rosenplantagen prägen nun das Bild. Eine Pagode kann besichtigt werden, zwei Kirchen waren mir vorher schon aufgefallen. Auf einem Soldatenfriedhof sind die Gräber exakt in Reih und Glied angeordnet. Djung scheint in seinem Auto nur eine CD zu haben, jedenfalls hören wir wohl geschätzte zehn Male dieselben Lieder.
Hanoi empfängt uns mit dickem Feierabendverkehr. Massagesalons und Karaokebars werben um Kundschaft. Gut, dass wir nach etwa zehn Stunden gesund und munter am Ziel sind. Im Happy Day lassen wir die Tour noch einmal Revue passieren. Schade, dass es auch hier nur eine Musikkassette oder CD zu geben scheint, nämlich Modern Talking.
Auf zur Halong Bay
Es regnet, als wir in den Minibus steigen. 160 Kilometer sind es bis zur Halong Bay. Unterwegs steigen noch drei junge Frauen aus Bielefeld zu, sie kommen mit dem Taxi nach und wurden glatt vergessen. Eine Pause legen wir an einer Stelle ein, wo Nachkommen der durch Agent Orange im Vietnamkrieg geschädigten Menschen eine Arbeit finden, sei es als Schnitzer, Maler, Sticker oder halt im Service. Viele große Reisfelder liegen beiderseits der Straße, Frauen und Männer arbeiten in dem nassen Element, Wasserbüffel werden natürlich eingesetzt, aber auch Traktoren mit hohen Eisenrädern.
Die ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Hügellandschaft entstand vor 30 Millionen Jahren durch eine Gebirgsauffaltung. Eiszeiten, Wind und Wetter sorgten dafür, dass ein ehemaliges Kalksteinplateau innerhalb vieler Millionen Jahre zersplitterte und sich in bizarre Inseln und Felssplitter verwandelte. Viele der verkarsteten Bergkegel haben Hohlräume und sind von Grotten durchzogen.
Aber der Legende nach hat sich natürlich alles anders und viel interessanter zugetragen. Ha Long heißt übersetzt „herabsteigender Drache“. Es war einmal ein riesiger Drache, er lebte in den Bergen und stieg hinab, um das Land gegen Eindringlinge von außen (China) zu schützen. Mit wütenden Schwanzhieben prägte er tiefe Täler, stürzte sich auf den Feind und tauchte mit ihm im Meer unter. Daraufhin hob sich der Wasserspiegel und nur die zerklüfteten Gipfel blieben übrig.
Erwartungsvoll besteigen wir unser Boot. Duc, der Reisebegleiter, nimmt uns schon die Hoffnung auf besseres Wetter, es wird wohl regnerisch und trübe bleiben, schließlich ist Frühjahr und die Bauern brauchen diese Witterung, damit der Reis kräftig gedeiht. Na ja, die Vietnamesen orientieren sich am chinesischen Kalender. Duc vergisst auch nicht zu erwähnen, dass die nahe der Grenze Wohnenden gern ins preiswertere China zum Einkaufen fahren. Mit Europa verglichen, wird jeder Autofahrer sehnsüchtig vietnamesische Zustände herbeisehnen, ein Liter Diesel kostet hier nämlich nur etwa ein Zehntel.
Zum Lunch werden viele Fischleckereien gereicht. Andrew, ein junger Arzt aus New York, ist unser Tischnachbar. Nach dem Mittagessen können wir entweder auf einem Zweierkajak oder Ruderboot die Umgebung, speziell ein schwimmendes Dorf, besichtigen. Wir entscheiden uns für letztere Variante, Andrew und ein sympathischer junger Mann aus London stellen sich der Herausforderung und paddeln selber. Der Nebel steigt weiter herauf und manche Bergspitzen sind in ihm verschwunden. Ich genieße die Fahrt und bin überhaupt nicht enttäuscht, ihr haftet etwas Mystisches an. Meine Begleiter sind der gleichen Meinung. Als kleine Entschuldigung für das Wetter werden wir auf dem Schiff mit Melone, Drachenfrucht und Dalatweinen entschädigt. Ich nehme mein Glas und steige aufs Sonnendeck, bin hier aber der einzige Gast.
Später klettern wir noch einmal auf das Tenderboot und fahren zum Titow-Berg. Hier hatte sich seinerzeit Ho Chi Minh mit dem sowjetischen Kosmonauten Titow getroffen. Wir quälen uns die 425 Stufen hinauf, jedoch, die Aussicht wird immer schlechter und man hätte sich die Anstrengung ersparen können. Zurück auf unserem Schiff erwerbe ich von einem Boot auf dem Floating Market ein paar Dosen Bier. Ein Steuermann beobachtet den Deal und redet mir ins Gewissen, die Getränke nur in der Kajüte zu verzehren. Unsere Mahlzeiten sind zwar im Preis inbegriffen, nicht aber der Wein oder das Bier. Zum Abendessen gibt es Gemüse, Salat und Seafood, es schmeckt wunderbar. Danach unterhalten wir uns in geselliger Runde.
Nach dem Frühstück beobachte ich, wie unser Schiff von einem anderen sehr baufälligen Frachter Wasser nachlädt. Auf einem etwas kleineren aber gemütlichen Holzboot geht es weiter. Unsere Gruppe ist etwas übersichtlicher geworden, da ein paar Mitreisende, so auch Andrew, nur eine Übernachtung gebucht hatten.
Heute ist die Sicht klarer, aber die Sonne versteckt sich nach wie vor. Dennoch genieße ich die Aussicht auf die unvorstellbar schöne Inselwelt vom Oberdeck sehr. Die Halong Bay besteht aus 1969 Inseln, davon haben 980 einen Namen, z. B. Turtle Island. Ich habe allerdings beim Anblick selbiger keine Ähnlichkeit zu einer Schildkröte festgestellt. Auch heute geht es auf zwei Ruderbooten weiter durch eine kleine Grotte, zum Kajakfahren kann niemand von uns animiert werden. Es ist schon interessant, die Berge bzw. Inseln in der Wasserspiegelung wahrzunehmen. Einmal, bei der Fahrt durch eine niedrige Höhle, müssen wir unsere Köpfe einziehen. Von den Bergen hallt ein wunderbares Echo.
Unsere charmante Begleiterin, studierte Ökonomin, wohnt in einem Fischerdorf. Sie erklärt uns, dass längst nicht alle Kinder aus dieser Gegend eine Schule besuchen, teils mangels Gelegenheit. In den meisten Dörfern leben durchschnittlich 300 bis 600 Personen, aber eine eigene Schule ist längst nicht selbstverständlich.
Nach dem sehr leckeren Mittagessen, das von einem anderen Schiff angeliefert wurde, besuchen wir eine Perlenfarm und erfahren viele Details über die Aufzucht. So hören wir, dass nur 30 Prozent der Austern Profit abwerfen, bzw. dass der größte Teil der Produktion erfolglos ist. Einige Frauen erwerben ein Schmuckstück, so auch Isabelle aus Bielefeld.
Zum Schluss fahren wir noch an einen Strand, aber niemand von uns hat Lust zum Baden. Wir haben Gelegenheit, eine kleine Anhöhe mit der möglichen Aussicht auf Affen zu erklimmen - doch die Tiere verstecken sich vor uns. An Bord unseres ursprünglichen Schiffes werden wir mit Rotwein aus Dalat und frischem Obst empfangen. Eine Frau versucht ihre Waren von ihrem Boot aus zu verkaufen, leider bleibt die Kundschaft aus. Wiederum genießen wir ein wunderbares Abendessen und haben viel Spaß mit den Hühnern, wie wir unsere Bielefelder Freundinnen Annika, Isabelle und Marin nennen.
Eine Tropfsteinhöhle wird am Tag der Rückreise nach dem Frühstück noch besichtigt, leider nicht nur von uns, sondern von gefühlt weiteren 15 Booten. Vor der Treppe herrscht ein unvorstellbarer Andrang. Wenn ich denn an der Halong-Reise etwas zu beanstanden habe, dann dieses: Warum kann der Besuch dieser Attraktion nicht zeitlich verteilt werden, warum muss jeder Besucher unbedingt am letzten Tag vor der Rückreise hierher? Nun gut, in der Höhle selbst verläuft es sich etwas und der Rundgang ist beileibe nicht uninteressant. Auch hier fühle ich mich wieder an eine Kathedrale erinnert.
Zurück auf dem Schiff werden wir vom Koch in die hohe Kunst der Fertigung von Frühlingsrollen eingeweiht und jeder darf sich ein Exemplar rollen. Es ist gar nicht schwer und vorsichtshalber notiere ich mir die Zutaten: Reispapier, Schweinehack, Glasnudeln, normale und Frühlingszwiebeln, Karotten, Pilze, Eigelb und -weiß. Sind die heutigen Springrolls zum Lunch logischerweise schon ein Genuss, weil selbst gemacht, so kann sich die weitere Speisenfolge durchaus daran messen. Wir werden einmal mehr mit vietnamesischen Gaumengenüssen verwöhnt. Nie hätte ich gedacht, dass wir auf diesem Ausflug kulinarisch derart hofiert werden. Großes Kompliment an den Koch.
Die Rückfahrt ist eher langweilig, es regnet wieder einmal und wir sind froh, als wir in Hanoi unser Hotel erreichen.
Trockene Halong Bay
Und wieder geht es in den Bus. Zusammen mit vier weiteren Deutschen, zwei Koreanerinnen, zwei Französinnen, einer Amerikanerin und einem Paar aus Holland fahren wir nach Ninh Binh, in erster Linie, um die "Halong-Bucht in den Reisfeldern” oder die "trockene Halong-Bucht" bzw. "Halong Bay on land" zu erleben. Die Fahrt an sich gestaltet sich wenig spektakulär, hatten wir doch die letzten Tage schon viele Stunden im Bus zugebracht. Auch lässt der Sitzkomfort zu wünschen übrig. Dieser Bus scheint eher für asiatische Gäste zugeschnitten zu sein. Eine Pause wird auch hier in der Werkstatt für disabled People eingelegt.
Zunächst sehen wir uns zwei Tempel der historischen Hauptstadt Vietnams, Hoa Lu, an. Kong, unser Reiseführer, erklärt sehr engagiert, aber ich habe ein klein wenig Probleme mit seinem Englisch.
Nach dem Mittagessen, am Buffet gibt es u. a. Ziegenfleisch, steigen wir jeweils zu zweit auf ein Boot oder Sampan, wie es hier genannt wird. Nicole, eine junge Amerikanerin, die in Hanoi Englisch unterrichtet, sitzt vor mir. Wir unterhalten uns sehr angeregt und sie erzählt mir viele Details aus ihrem Leben in Vietnam.
Gerudert wird mit den Füßen, ich hatte diese Form der Fortbewegung vorher noch nicht gesehen. Wir genießen die Aussicht auf die Karsthügel, die weite Reislandschaft, die zahlreichen Ziegen und Enten und die drei Tunnelhöhlen außerordentlich und für mich ist diese Sampan-Fahrt auf dem Fluss bei Tam Coc ein echtes Erlebnis. Am Wendepunkt wird der Floating Market aktiv und Frauen bieten Bier und andere Erfrischungen vom Boot aus an. Wir lassen aber unser Geld in der Tasche und trinken lieber nach dem Anlegen noch etwas.
Auf der Rückfahrt schockiert uns ein Moped, das eine Kiste mit Hunden transportiert. Die Tiere werden wahrscheinlich zum Schlachten gebracht, denn Ende des Monats ist hier das Verspeisen dieser treuen Gesellen nicht ungewöhnlich. Das Fleisch soll preiswert sein und, so wird angenommen, die Manneskraft stärken.
An ein anderes Bild erinnere ich mich lieber: Ein Moped schleppt ein defektes Auto ab, allerdings auf der Autobahn und in umgekehrter Fahrtrichtung. Wir beobachten auch, dass ein Reifenwechsel mitten auf der linken Spur vorgenommen wird - auf der Autobahn versteht sich. Am Fahrbahnrand dann das gleiche Bild, Verkaufsstände mit Jujube, Ananas und anderen Früchten. Endlich wieder im Hotel, erfrische ich mich im modernen Badezimmer mit einer Dusche. Der Wasserstrahl aus den vielen Düsen eignet sich wunderbar als Massageersatz. Auch beim Klosett kann man sich per Knopfdruck den Allerwertesten mit ein paar Spritzern säubern.
Zurück in Hanoi
Den Abend genießen wir zusammen mit unseren Bielefelder Freundinnen im Quan An Ngon in der Altstadt von Hanoi. Es handelt sich um ein riesiges Lokal mit offenem überdachtem Hof. Die Gäste können an den Küchen- und Vorbereitungsständen vorbeischlendern, sich das Gericht erklären lassen und notieren, um es später zu bestellen. Es schmeckt sehr gut, ist relativ preiswert und wir haben eine Menge Spaß. Bedient werden wir von der lustigen Sim. Als ich ihr meinen Namen nenne prustet sie los, denn sie hat statt "Horst" "horse", also Pferd, verstanden. Die Restaurant-Empfehlung kommt von Fabian. Er war mit uns an der Halong Bay und arbeitet im Auftrag der Bundesregierung für eine kleine Umweltorganisation. Seiner Meinung nach befinden sich im Boden noch viele Kriegsrückstände. Das erstaunt mich, denn bei meinem ersten Besuch Vietnams erzählte man uns, dass wegen der rasanten Fruchtfolge auch die Gifte aus dem Boden ausgeschieden sind.
Dann können wir, endlich, einmal ausschlafen und gemütlich, ohne auf die Uhr schauen zu müssen, frühstücken. Gemächlich wandern wir durch die Gassen, weichen den lärmenden, hupenden Mopedfahrern aus und achten auf die Autos, zumeist Taxis. Auf den Bürgersteigen findet das Leben statt. Hier wird gekocht, gegessen und verkauft. Handwerker gehen ihrer Beschäftigung nach und tischlern, reparieren Uhren, schneiden Haare oder formen Blech. Etwa sieben Millionen der insgesamt 19 Millionen Einwohner Vietnams leben in Hanoi, Saigon zählt etwa neun Millionen.
Der Aufenthalt in Bars ist stark reglementiert, so muss jedes Lokal in Hanoi um Mitternacht schließen, die Gäste in Ho Chi Minh-City dürfen sich bis 2.00 Uhr nachts austoben. Das Rauchen im Lokal ist hier durchaus noch üblich. Wir haben viel Zeit und gehen um den Hoan Kiem-See herum, kaufen einem alten Mütterchen etwas Obst ab und feilschen mit anderen Verkäufern um den besten Preis für Lederwaren und andere Produkte, aber kaufen die Ware dann auch. Auch heute lassen sich viele Brautpaare am See fotografieren. Häufig werden wir von Schuhputzern angesprochen, durchaus freundlich und gar nicht aufdringlich.
Am Abschiedsabend nehmen wir erst einen Aperitif auf dem Balkon einer Bar, die wir auch vorher schon besucht hatten, und zum Abendessen gehen wir, wieder einmal, ins Happy Day. Heute werden wir von der reizenden Hoa bedient, in den nächsten Tagen wird sie mir noch häufiger Gesellschaft leisten.
Dann bin ich wieder allein und stelle fest, dass sich auch meine Reise um die Welt dem Ende nähert. Nachdem Heidi und Werner nach dem Frühstück ins Taxi gestiegen sind, um zum Flughafen zu fahren, wird es keine weiteren privaten Treffen auf dieser Tour mehr geben. Wie hatte ich mich auf diese Begegnungen doch gefreut!
Eigentlich wollte ich mit einer Rikscha zum Ho Chi Minh-Mausoleum fahren, jedoch, es findet sich keine. Stattdessen nehme ich ein Taxi. Aber was erwartet mich hier: Hunderte von Besuchern stehen vor mir, die Schlange der Wartenden ist einige hundert Meter lang und wird von Soldaten bewacht. Bildschirme an der Decke zeigen Szenen aus dem Leben des früheren Präsidenten. Mich erinnert diese Zeremonie ganz stark an die Sowjetunion bzw. später Russland. Und so ähnlich geht es dann auch im Mausoleum zu. Hier liegt der 1969 verstorbene ehemalige Präsident in einem gläsernen Sarg. Fotografieren ist natürlich strengstens verboten.
Draußen regnet es, wieder einmal, etwas. Ich gehe in die Palastanlage, hier ist eine Eintrittsgebühr fällig. Die Gebäude können nur von draußen besichtigt werden: Präsidentenpalast, Gäste- bzw. Begegnungshaus, Haus Nr. 54, wo Ho Chi Minh seit 1954 lebte und arbeitete, über dem Schreibtisch hängt ein Bild, das Lenin und Karl Marx zeigt. Es folgt die Autogarage mit den Oldtimern und das Stelzenhaus von Onkel Ho. Anschließend mache ich mich auf den Weg zur Pagode auf diesem Gelände, aber sie ist seit genau einer Minute geschlossen.
Dafür statte ich dem Museum einen Besuch ab und werde beim Lesen der sozialistischen Parolen stark an meine Studentenzeit erinnert. Ein paar Beispiele:
Ho Chi Minh 1946 (sinngemäß): “Mein größter Wunsch ist ein komplett unabhängiges Land, die Menschen müssen frei sein, genug zu essen und genügend Kleidung und jeder das Recht auf Ausbildung haben“.
1947: “Ein Fluss braucht Wasser, ein Baum Wurzeln, die Revolution eine revolutionäre Moral, Talent ohne Moral genügt nicht“.
Die Ausstellungsstücke sind leider nur in vietnamesischer Sprache ausgezeichnet.
Während einer Teepause lasse ich mir den Weg zum Literaturtempel erklären und eine freundliche Kellnerin malt mir die Strecke auf. Den vietnamesischen Namen dieses Gebäudes hatte ich mir schon von einem Guide ins Notizbuch schreiben lassen, denn viele Menschen, die ich darauf anspreche, können mit dem Begriff nichts anfangen.
Zwanzig Minuten brauche ich zu Fuß, komme dabei an der marokkanischen und tschechischen Botschaft vorbei. Am Eingang entrichte ich die Gebühr und gehe hinein. Die konfuzianische Anlage hat mit einem Tempel eigentlich nichts zu tun. Sie war als Nationalakademie erbaut worden, um Söhne von Mandarinen und Hochbegabte auszubilden. Steinstelen auf dem Rücken einer Schildkröte, die Kraft und langes Leben verkörpert, würdigen die Doktoranden. Der Komplex ist in mehrere Höfe unterteilt. Im Souvenirshop erwerbe ich ein paar Anhänger mit Wunschsymbolen.
Zurück nehme ich wieder ein Taxi, merke aber, dass der Taxameter stottert. Am Hoan Kiem See steige ich aus und soll mehr als doppelt so viel wie bei der Hinfahrt bezahlen. Wir streiten uns, soweit dass verbal möglich ist, dann lasse ich einen Schein auf dem Sitz und verlasse das Auto. Ich glaube, der Fahrer hat trotzdem ein gutes Geschäft gemacht.
Zum Lunch gehe ich in ein schon früher besuchtes Lokal, setze mich auf den Balkon und bestelle ein paar Frühlingsrollen. Später hält eine hübsche Motorrollerfahrerin an und fragt, ob ich nicht Lust zu einer Stadtrundfahrt hätte. Im Moment passt es mir nicht, weil ich einige Buchungen vornehmen möchte und so vertröste ich sie auf morgen. Eine Beerdigungsgesellschaft, der Leichenwagen und zwei Busse mit Trauergästen, kommt mir in hohem Tempo entgegen.
Später gibt mir Hoa Einblicke in das vietnamesische Leben. Sie ist geschieden, hat zwei Kinder und eine Freundin in Essen. Von ihr erfahre ich, dass Geschlechtsverkehr vor der Ehe in Vietnam eher die Ausnahme ist. Auch das Händchenhalten oder der Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit ist tabu. Paare machen lieber eine Mopedtour, weil sie sich dabei auch körperlich nahe sind. Sie hat erstaunlich viel Zeit und steht nur auf, wenn einem der wenigen Kunden die Speise serviert werden muss. Ein angetrunkener Saudi Araber stört unsere intime Unterhaltung mächtig. Immer wieder mischt er sich in unser Gespräch ein, ob er eifersüchtig ist?
Nachdem Hoa nach Hause zu ihren Kindern gefahren ist, unterhalte ich mich noch mit zwei Frauen aus Linz. Sie sind sehr interessiert an unseren Erlebnissen in den Sapa-Bergen und in der Halong Bay.
Nun ist auch mein letzter Tag in der sozialistischen Republik Vietnam angebrochen. Heute lasse ich es ruhig angehen, schlafe relativ lange und frühstücke gemütlich. Ein schwedischer Hotelgast erzählt, dass seine gestrige Fahrt an die Halong Bay schon um 14.00 Uhr wegen Nebels beendet und die Heimreise angetreten wurde. Am Wetter in Hanoi hat sich leider nichts geändert.
Der Ngoc Son Tempel, übersetzt Jadebergtempel, auf einer kleinen Insel im Hoan Kiem See ist mein erstes Ziel. Er wurde Konfuzius geweiht, eine kleine pittoreske Sehenswürdigkeit inmitten der Altstadt von Hanoi. Im Supermarkt frische ich meine Toilettenartikel auf, bevor ich eine Rundfahrt auf einem Cyclo beginne. Die Tour führt durch urige Straßen der Altstadt, die ich alle schon erwandert aber noch nicht aus dieser Perspektive erlebt habe. Vergebens halte ich nach einem Massagesalon oder Tattoo-Studio Ausschau, beides wäre mir jetzt sehr willkommen gewesen.
Nachmittags steht das Wasserpuppentheater Thang Long auf dem Programm. Sieben Musiker, zwei Sängerinnen und neun Akteure unterhalten uns eine knappe Stunde mit Szenen aus dem vietnamesischen Märchenleben. So gibt es u. a den Drachentanz, das Froschfangen, einen Fuchs, der Enten jagt, Bauern auf dem Reisfeld und den Tanz der Feen. Die Figuren sind an langen Stangen befestigt, die, da unter Wasser, nicht zu sehen sind. Mir gefällt es, andere Gäste aus dem asiatischen Raum schlafen oder lesen Nachrichten auf ihrem Handy bzw. spielen mit ihm. Es ärgert mich, dass relativ viele Besucher zu spät kommen und damit die Veranstaltung ungemein und unnötig stören.
Am letzten Abend gehe ich selbstverständlich wieder in mein Stammlokal. An der Balkonbrüstung hängt noch Weihnachtsbeleuchtung. Hoa hat natürlich wieder Zeit für mich, wird aber von einer indonesischen Frau derart herrisch und für meine Einstellung unvorstellbar arrogant zurechtgewiesen, dass ich fast eingeschritten wäre. In einer solchen Atmosphäre wollte ich nicht arbeiten. Das in jedem Jahr auf vielen Kanälen ausgestrahlte Weihnachtsmärchen "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" kommt mir in den Sinn, denn die Indonesierin hat viel gemeinsam mit der bösen Stiefmutter. Als ich mich um 23.00 Uhr gedanklich auf einen schönen Abend vorbereite, schnappt sich Hoa ihren Sturzhelm, setzt sich auf das Moped und braust vondannen zu ihren Kindern.
Dieser Teil der Weltreise kann bei Youtube unter
https://www.youtube.com/watch?v=94oZkp4BxY0&t=35s
angesehen werden. Viel Spaß!