Auf dem Dach der Welt
Shanghai
10 1/2 lange Stunden dauert der Flug, wir fliegen über Moskau und Ulan Bator, gefrühstückt wird über Peking. Mittags gegen 12:30 Uhr Ortszeit landen wir auf dem Flughafen Pudong, die Zeitverschiebung beträgt sechs Stunden. Das Thermometer zeigt satte 25 Grad an. Glücklicherweise habe ich keine Probleme mit meinem vorläufigen Reisepass, er wird zwar an den Migrationsautomaten nicht erkannt, wohl aber vom Mitarbeiter am Einreiseschalter. Mit der in Deutschland konzipierten Magnetschwebebahn Maglev geht es dann in die Innenstadt, einmal zeigt die Tachoanzeige 431 km/h an. Leider konnte sich dieses Transportmittel anderswo nicht durchsetzen. Chang heißt unser Reisebegleiter, er lässt sich aber auch gern mit Martin ansprechen, hat in Shanghai, der Stadt der Zukunft, wie er sagt, Germanistik studiert und wird uns bis morgen begleiten. Im Bus erhalten wir gleich erste Informationen, die mich in Erstaunen versetzen und diese Aufzählung von Superlativen wird sich an den nächsten Tagen und in anderen Städten fortsetzen.
Etwa 25 Millionen Einwohner zählt Shanghai, wir halten uns also nun in der zweitgrößten Stadt des Landes auf. Frauen haben hier eine Lebenserwartung von 84, Männer von 80 Jahren, wenngleich die durchschnittliche Erwartung im gesamten Land bei etwa 78 Lebensjahren liegt. Das spricht für die Lebensqualität von Shanghai. Wohnungen kosten etwa so viel wie in Berlin, Eigentumswohnungen sind für die meisten hier lebenden Menschen nicht erschwinglich. Und noch eine Zahl, die ich so nicht vermutet hätte: 600 Starbucksfilialen versorgen die Bürger in Shanghai mit diversen Kaffeeköstlichkeiten, landesweit etwa 3.000. Die chinesische Übersetzung für Deutschland lautet „Land der Tugend“ und Coca Cola wird mit „schmeckt gut und macht Spaß“ übersetzt.
Unsere Reisegruppe besteht aus 12 Personen. Wir schlendern am Bund entlang und schauen auf die eindrucksvolle Skyline von Pudong. Die Einheimischen lieben es, an der Uferpromenade des Huangpu-Flusses ihren Tag mit Frühsport zu beginnen. Die andere Straßenseite wird von edlen und altehrwürdigen Gebäuden gesäumt, häufig von Banken genutzt, und besonders in Erinnerung ist mir das Custom House, gebaut 1927 und dem Big Ben in London nachempfunden. Wir gehen anschließend über die Haupteinkaufsstraße der Stadt, über die Nanjing Road. Einige Mitreisende hätten abends gern an einer Fluss-Lichterfahrt teilgenommen, aber die Mehrheit ist dagegen, wegen des Preises und der diesigen Witterung.
Nach dem mäßigen Abendessen in einem ungemütlichen Lokal fahren wir zum „Golden Jade Hotel“ und checken ein, mit Lichtbildaufnahme, wie auf dem Flughafen. Später fahre ich mit Thomas noch einmal zum Bund und erfreue mich an den Lichterspielen auf der gegenüberliegenden Seite. Sämtliche Hochhäuser in Pudong erstrahlen in buntem Glanz. Der Taxifahrer hat uns wohl nicht recht verstanden und verlangt kein Geld für die Hinfahrt, dafür ist der Kollege auf der Rückfahrt umso dreister. Er fährt privat und wir versäumen, einen Preis mit ihm auszuhandeln, denn ein Taxameter ist nicht vorhanden. Er meint, dass ihm 200 CNY zustehen, also etwa 28,- Euro - doch damit ist er nicht durchgekommen. Dabei ist das Taxifahren in China relativ preisgünstig, aber am Anreisetag sind solche Fehler noch verzeihlich. Die chinesische Währung heißt offiziell Renminbi (CNY oder RMB), Volksgeld, gebräuchlich ist die Bezeichnung Yuan. Während unseres Aufenthaltes erhalten wir für einen Euro etwa 7,2 CNY.
Bei meinem ersten Besuch des Landes im Jahre 1987 gab es für eine DM zwei Yuan.
Das Geld wurde mir in spezieller Währung für Ausländer ausgehändigt, in Foreign Exchange Certificates (FEC), mit diesem Geld konnte ich in Freundschaftsläden einkaufen und in bestimmten Hotels, die nur Ausländern vorbehalten waren, bezahlen.
Das Geld für Einheimische hieß damals ebenfalls Renminbi.
Nach dieser Aufregung gehen wir noch für einen kurzen Moment in ein benachbartes Lokal und trinken ein paar Flaschen Tsingtao, eine Flasche dieses leckeren Bieres kostet nur sechs CNY, ein paar Stunden vorher auf der Nanjing Road hatte ich 35 zu zahlen.
Um sieben Uhr wird gefrühstückt und um halb neun ist Abfahrt. Ich hätte gern noch ein Stündchen länger geschlafen. Zunächst fahren wir zum Jade - Buddha - Tempel und sehen uns die Anlage an. Hier war ich bei meinen vorherigen Besuchen auch immer gewesen. Chang erklärt uns die Herkunft des aus einem Jadestück gemeißelten Buddhas, der leider nicht fotografiert werden darf, und macht uns mit den Lehren des Buddhismus vertraut. Dieser Glaube wurde über die Seidenstraße von Indien nach China transportiert. Mit dem Bau des buddhistischen Tempels wurde 1918 begonnen, um zwei weißen Jade - Buddhas aus Burma eine angemessene Heimat zu ermöglichen. Hui Gen, ein Mönch, unternahm eine Pilgerreise nach Tibet und Burma. Dort schenkte ihm ein Überseechinese fünf Buddhastatuen aus Jade. Zwei brachte er zurück nach Shanghai und ließ mit Spendengeldern diesen Tempel bauen. Der sitzende Jadebuddha ist 1,95 Meter groß und wiegt drei Tonnen. Beim Weitergehen sehen wir uns noch einen liegenden Buddha aus Marmor an, es handelt sich um ein Geschenk aus Singapur. Gleich daneben befindet sich ein weiterer liegender Buddha, allerdings aus Jade, aber erheblich kleiner. In einer angrenzenden Halle können wir Himmelswächter begutachten. Bauern kommen hier her und beten für eine gute Ernte.
Anschließend geht es zu einer Seidenfirma. Hier erfahren wir, wie das edle Gewebe aus den Cocons entsteht, wie aus Einzelcocons ein fast nicht sichtbarer Faden wird und die Doppelcocons sich bestens zu einer Bettfüllung eignen und überhaupt, was man mit der Seide anfangen kann und wie prächtig die fertigen Produkte aussehen. Selbstverständlich erwerben wir das eine oder andere Produkt. Natürlich ist hier die Bezahlung mit Kreditkarte möglich. Zum Schluss marschieren wir noch durch Alt - Shanghai und besichtigen den Yu - Garten, das Prunkstück der Altstadt. Diese vor vielen Jahrhunderten während der Ming - Dynastie von einer kaiserlichen Beamtenfamilie angelegte Anlage ist ein gutes Beispiel der chinesischen Gartenkunst, wenn da nicht die anderen meistens im Wege stehenden Besucher wären. Im Blickpunkt steht ein altes Teehaus, das schon von Königin Elisabeth II. und vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder besucht wurde.
Nun fahren wir zum Flughafen, checken ein und müssen dann leider konstatieren, dass das Gepäck von einigen unserer Gruppe den Vorgaben der strengen Wächter nicht genügt. In meinem Fall wurden eine Batterie und die Powerbank nicht akzeptiert. Trotzdem fliegen wir pünktlich ab und erreichen Chengdu, die Hauptstadt Sichuans, mit nur etwas Verspätung.