Blühende Landschaften
Erdverwachsen durch Niedersachsen
29.05.2013 Glückstadt bis Drochtersen 19 km
Heute werde ich Schleswig-Holstein adieu sagen. Es regnet, als ich zur Elbfähre gehe. Mein Regencape ist dabei nur eine kleine Hilfe. Die Elbe ist hier etwa fünf Kilometer breit, diese Strecke brauche ich wenigstens nicht mehr zu gehen. Nach etwa halber Fährstrecke pfeife ich das Niedersachsenlied. Wenn man der Landeshymne glaubt, sind die Bewohner sturmfest und erdverwachsen. Ein Fahrradweg zeigt die nächsten Ziele an, aber die benötigte Schleuse wird nur am Wochenende bedient. Also weiter in Richtung Wischhafen, danach erreiche ich Neuland, der Ort heißt wirklich so und jetzt bin ich im Land Kehdingen angekommen. Am Eingang hat sich ein Polizeiblitzer versteckt. Obst aus eigenem Garten oder vom eigenen Feld wird am Straßenrand angeboten.
Riesige Rapsfelder erstrecken sich bei Dornbusch. Nachdem ich noch durch Nindorf gegangen bin, erreiche ich nach vier Stunden Drochtersen. Das „Hotel am Rathaus“ ist für heute mein Quartier.
Zum Abendessen gehe ich mangels anderer Möglichkeiten zum Restaurant im Hallenbad, später kehre ich noch in Andre´s kleiner Kneipe ein. Zwei Gäste streiten sich wegen ihrer Hunde in der Gaststätte, aber Maurin reagiert gelassen und souverän.
30.05.2013 Drochtersen bis Stade 18 km
Ein sehr gutes Frühstück lässt das schlechte Wetter etwas vergessen. Gegen 9.30 Uhr wird der Regen etwas weniger und ich mache mich auf den Weg. Am Ortseingang von Ritsch steht schon wieder ein gut getarntes Polizeifahrzeug und blitzt. Ich marschiere weiter bis Assel, um dann den Weg durchs Moor fortzusetzen. Vor vielen Häusern wurden Flaggenfahnen angebracht, einige erinnern an Segel.
Im Moor kommt mir nach einer Stunde ein einsamer Jogger entgegen, er kommt mir vor wie eine Fata Morgana. Dicke Krähen sitzen auf den Zaunpfählen. Manchmal fühle ich mich wie in einer gespenstischen Nebellandschaft. Windräder, Wildenten und Moorgräben sorgen für etwas Abwechslung in dem tristen Geschehen. Die Hansestadt Stade, Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises, erreiche ich nach vier Stunden, jetzt bin ich im Alten Land. Im Zentrum freue ich mich über die malerischen Fachwerkhäuser. Mit dem Zug geht es nach Hause.
25.06.2013 Stade bis Sauensiek 28 km
Im Bremer Hauptbahnhof, während ich auf den Zug nach Stade warte, treffe ich eine ehemalige Kollegin. Sie ist auf dem Weg zu einer Kur.
In Stade gehe ich Richtung Agathenburg und sehe mir das dortige Schloss an. Im nächsten Ort, Dollern, komme ich an einem Sammelpunkt der Liebesfahrzeuge von sexnord.net vorbei und vor Nottensdorf, das ich beinahe mit „u“ geschrieben hätte, warten schöne Frauen in besagten Wohnmobilen auf potentielle und potente Kunden. Riesige Obstplantagen bestimmen das hiesige Bild. Leider ist kein Fußweg vorhanden und ich bin gezwungen, mich auf der Landstraße fort zu bewegen, immer wieder kommen mir Lastkraftwagen entgegen oder überholen mich. Das Gehen macht hier keinen Spaß, obwohl mir die Landschaft sehr gefällt. Auch hier arbeitet eine Biogasanlage von MT-Energie. Später führt die Straße durch gewaltige Mais- und Weizenfelder. Nach Grundoldendorf erreiche ich Apensen und trinke etwas in einer Tankstelle, der freundliche Mitarbeiter ist mir in angenehmer Erinnerung.
Später in Beckdorf fängt es wieder an zu regnen und ich suche bei einer anderen Tankstelle Schutz. Ein älterer Mann spricht mich an und stöhnt, dass viele Betriebe mittlerweile in türkischer Hand sind. Schnell verabschiede ich mich, stelle mich aber kurze Zeit später unter das Dach einer Bushaltestelle, denn der Regen hat sich wieder eingestellt. Plötzlich wird gehupt, ein Landrover fährt vor und der Herr von der Tankstelle sitzt am Steuer. Er dreht sein Fenster herunter, macht die Musik lauter und ich höre zünftige Marschmusik. Sein Angebot, mich nach Sauensiek zu fahren, muss ich leider ablehnen. Nach gut sechs Stunden bin ich endlich am Ziel. Im „Klindworths“ werde ich die nächste Nacht verbringen.
Später besucht mich mein Patenkind Christian. Er wohnt in der Nähe, wir hatten uns lange nicht gesehen und es wird ein sehr schöner Abend. Im „Klindworths“ wird Bier, zumeist für Eigenbedarf, gebraut.
26.06.2013 Sauensiek bis Tostedt 17 km
Morgens ist es doch reichlich kühl. Ein schöner Weg führt durch Wald und Feld nach Holvede im Landkreis Harburg. Etwa drei Meter neben mir äst ein Reh im Mais. Vorbei geht es am Heidenauer Hochzeitswald. Bei einer Weggabelung bin ich nicht sicher, wie es denn nun weitergeht. Eine Frau bringt mich auf den richtigen Weg und beklagt sich, dass eine über 100 jährige Buche durch Überdüngung eines Bauern eingegangen ist. Hinter Wüstenhöfen geht es über unangenehmes Kopfsteinpflaster nach Tostedt. Der Bahnhof befindet sich in der Post-, die Post in der Bahnhofstraße. Logisch, dass ich mich erst verlaufe. Wegeschilder zeigen, dass es bis Warschau 914 und bis Moskau 2.172 Kilometer sind. Der Bahnhof, den ich nach gut 3 ½ Stunden erreiche, sieht sehr unwirtlich aus. Sämtliche Fensterscheiben sind vernagelt. Mich stört es nicht, denn mein Zug kommt in zehn Minuten.
14.08.2013 Tostedt bis Schneverdingen 22 km
Heute begleitet mich Wilfried. Die Zugfahrt nach Tostedt ist relativ preisgünstig, schließlich können wir uns das Niedersachsen-Ticket teilen. Ein kleiner Weg führt nach Otter. Auf den Feldern wird Mais, Roggen und Hafer angebaut. Auf einer schönen Allee gehen wir dann weiter nach Klein Todtshorn. Jetzt liegen riesige Maisfelder an beiden Seiten des Weges. Eine Mühle ist im Hintergrund zu erkennen. Wir kommen durch Groß Todtshorn. Manchmal regnet es, ein Bauer fordert uns freundlich auf, in seiner Scheune Unterschlupf zu nehmen.
Ab dem Ort Wesseloh befinden wir uns im Heidekreis. Später gehen wir weiter auf einem im Bau befindlichen Radweg. Ein freundlicher Busfahrer hält an und fragt, ob wir nicht einsteigen wollen, natürlich müssen wir ablehnen. Der Radweg ist immer noch nicht fertig und nun heißt es, in Höhe des Ortes Eggersmühlen, über einen Graben zu kommen. Wir beide haben es nicht geschafft, trockenen Fußes über das Hindernis zu springen. Auf einer Bank in der Dorfmitte von Insel schütten wir das Wasser aus den Schuhen. Nun ist es nicht mehr weit bis Schneverdingen. Heute sind wir 4.30 Stunden unterwegs. Mit dem Heidesprinter geht es zurück nach Bremen.
22.08.2013 Schneverdingen bis Soltau 22 km
Auch heute ist Wilfried dabei. Im letzten Augenblick erkennen wir im Bremer Hauptbahnhof, dass unser Zug von einem anderen Gleis abfährt und erreichen in letzter Sekunde unser Abteil. Wenn sich der eine auf den anderen verlässt …
Gleich hinter Schneverdingen geht es ein paar Kilometer durch blühende Heide, es sind erstaunlich wenige Menschen unterwegs. Anschließend sehen wir riesige Stoppel- und Maisfelder, aber auch einige mit Heidekartoffeln. In Heber überqueren wir die Böhme, einen kleinen regionalen Fluss, auch Namensgeber der hiesigen Zeitung.
Begonnen haben wir die heutige Wanderung auf dem Freudenthalweg, der mir sehr gefällt. Er führt u. a. durch eine sehr angenehme Waldlandschaft, aber irgendwann hinter Gröps haben wir eine Beschilderung übersehen und orientieren uns nach Wolterdingen. Einmal muss der Bach Lohreith überquert werden. Kurz vor dem Ziel erreichen wir zufällig wieder den erwähnten Wanderweg.
Nach fünfstündiger Wanderung haben wir Soltau erreicht. Der Heidesprinter setzt sich sofort nach unserem Einstieg in Bewegung. Heidschnucken haben wir bisher nicht gesehen.
11.09.2013 Soltau bis Wietzendorf 18 km
Im Bremer Bahnhof bin ich etwas verärgert, das Niedersachsenticket habe ich zwar nach längerem Kampf (falscher Automat) erworben, darf es aber erst nach 9.00 Uhr anwenden, und der Heidesprinter direkt nach Soltau fährt um 8.45 Uhr ab. Vorsorglich frage ich die Schaffnerin, ob man da was machen könnte …, aber ich hätte auch eine Wand fragen können. Also wieder mit dem Metronom nach Buchholz und dann zurück in die Heide.
Auf dem Weg stadtauswärts überquere ich wieder einmal die Böhme. Am Rande von Soltau komme ich am Club „My Lady“ vorbei, er scheint noch geschlossen zu sein. Weiter geht es, zunächst auf der B 3, nach Weiher. Kurz vor der Ortschaft Bassel halte ich an einem schönen Blumenfeld an. Die Dahlien und anderen Herbstblumen stehen in voller Blüte. Auf einer Nebenstraße gehe ich bis Hebenbrock, teils durch einen kleinen Kiefernwald, teils an Kartoffel- und Maisfeldern vorbei, einmal auch an einer Maisvernichtungsanlage. Nadelbäume, teils in Schonungen, prägen das Bild weiter. Nachdem ich über die Autobahnbrücke gewandert bin, erreiche ich das kleine Örtchen Penzhorn. Viele Bundeswehrfahrzeuge kommen mir entgegen, ein Militärgelände befindet sich neben der Straße. Hinter Dehnenbockel muss ich kurz navigieren, gehe dann durch das Wietzendorfer Moor, vorbei an großen Bauernhöfen, zum Rathausplatz. Zwei Minuten später steige ich in den Bus zurück nach Soltau. Heutige Wanderzeit: ca. 4,5 Stunden. Wietzendorf ist Partnerstadt von Lipiany/Polen – und Heidschnucken sind mir auch heute nicht begegnet.
19.09.2013 Wietzendorf bis Bergen 18 km
Heute fahre ich mit dem Auto zum Ausgangspunkt, alles andere wäre sehr umständlich gewesen. Bei schönem sonnigem Herbstwetter orientiere ich mich am Radwanderweg. Und der führt gleich ins Wietzendorfer Moor an den Radewiesen vorbei. Hier werden frühere Wiesen und Weiden nicht weiter beackert, sondern als Naturschutzgebiet den Vögeln, Fröschen, Schmetterlingen und anderen Tieren überlassen. Auf einem Hochstand hat man einen guten Blick auf den davor liegenden Teich. Nach zweistündiger Wanderung erreiche ich Wardböhmen und betrete den Landkreis Celle. In diesem Ort scheint jeder Schützenkönig gewesen zu sein, aber auch Flaggen von Hannover 96, Borussia Dortmund und dem HSV flattern im Herbstwind. Der Weg führt durch Wald und Flur und die meiste Zeit bin ich allein unterwegs.
Hinter Hoope sind mehrere Landwirte dabei, mit großen Vollerntern ihre Kartoffeln einzufahren. In der Nähe von Bleckmar gehe ich ein kleines Stück auf der B 71 entlang, kann dann aber wieder auf einen gemütlicheren Wanderweg ausweichen. Zu beiden Seiten des Weges stehen Rüben in voller Pracht und werden wohl auch in den nächsten Wochen geerntet werden. An einem Fahnenmast weht eine Werderfahne. Ehrenscheiben vom Schützenverein, diesen Ausdruck hatte ich vorher noch nicht gehört, schmücken die Häuserfronten, Ferienwohnungen stehen zur Verfügung. Einmal muss ich den kleinen Bach „Meiße“ überqueren. Von Hasselhorst sind es dann noch zwei Kilometer bis Bergen.
Einen Abstecher zur sehr interessanten Kz-Gedenkstätte in Bergen-Belsen versage ich mir, da ich sie erst vor einigen Jahren letztmalig besucht hatte.
Nach 3,5 Stunden bin ich am Ziel und überlege, wie ich am besten zu meinem Auto komme. Die Nahverkehrsverbindungen sind, da es über die Kreisgrenze geht, suboptimal und so einige ich mich nach kurzem Gefeilsche mit einem Taxifahrer.
Von Wietzendorf fahre ich dann nach Uelzen, um den dortigen bekannten Hundertwasserbahnhof zu besichtigen – und er ist wirklich eine Reise oder einen Umweg wert.
25.09.2013 Celle bis Bergen 26 km
Der Bus von Celle nach Bergen fährt erst in mehr als einer halben Stunde und so entscheide ich, heute die Strecke mal umgekehrt zu gehen. Der Mann, den ich an der Haltestelle nach der Richtung frage, hält mich für verrückt, nach Celle geht man doch nicht zu Fuß. Heute zeigt sich das Wetter nicht von seiner besten Seite, die Sonne hat sich den ganzen Tag versteckt.
Hinter Groß Hehlen beginnt eine riesige Baustelle an der B 3, der Verkehr ist nur in eine Richtung möglich. Für mich ein Vorteil, denn heute geht es bis zum Schluss nur an der Bundesstraße entlang, meistens schnurgeradeaus. Langweilig aber effektiv. Wobei der Weg viele Kilometer durch einen Wald führt. Reife Pilze, später werde ich erfahren, dass es sich um gemeine Riesenschirmlinge handelt, am Weg und im Unterholz machen auf den Herbst aufmerksam. Am Ortseingang von Wolthausen überquere ich den kleinen Fluss „Örtze“, der in der Nähe von Winsen in die Aller mündet.
Auf einem Feld kurz vor Hassel ruhen sich die ersten Kraniche aus und tanken Kraft für den Weiterflug in südliche Gefilden. Schilder besagen, dass ich mich nun auf der Niedersächsischen Mühlenstraße bewege. Und jetzt sind sie doch da – etwa fünf Heidschnucken grasen auf der benachbarten Weide. Nachdem ich Grünewald und Offen hinter mir gelassen habe, erreiche ich nach etwa fünf Stunden die Stadt Bergen, 26 Kilometer liegen hinter mir.
Auf dem Weg zur Bushaltestelle bittet mich eine alte aber doch sehr redselige Frau; sie doch auf ihrem Rollator ein Stück zu schieben. Viele Läden stehen leer und werden von Maklern zur Miete oder zum Verkauf angeboten.
Mit dem Bus geht es zurück in die Residenzstadt Celle, durch die Innenstadt zum Bahnhof, vorbei am malerischen Schloss und vielen schönen und eindrucksvollen Fachwerkhäusern, es sollen insgesamt über 400 sein. Die Einwohnerzahl beträgt rund 70.000, Celle ist Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises.
04.11.2014 Celle bis Burgdorf 23 km
Nach mehr als einem Jahr Pause setze ich die Wanderung fort. Von November 2013 bis April 2014 hatte ich eine Auszeit genommen und war einmal um die Welt gereist.
Mit dem Zug, der erst ab morgen bestreikt wird, geht es nach Celle und dort orientiere ich mich südwärts. Hat es in Bremen noch geregnet, so wagt sich jetzt die Sonne hervor und beschwingt mache ich mich auf den Weg. Aber auch hier ist die Wanderung durch das triste Vorstadt- oder Gewerbegebiet eher langweilig. An Bürohäusern, anderen Betrieben, der Zollagentur und einer Kartbahn vorbei gehe ich bis Westercelle. Ein Schild am Lokal „Zur Börse“ informiert, dass es sich um den ältesten Gasthof des Ortes handelt. Weiter geht es, teils an Reiterhöfen vorbei, durch eine herbstliche Allee nach Adelheidsdorf. Ein Teil des nun zu gehenden Weges gehört zur Niedersächsischen Spargelstraße. Überrascht bin ich, eine Filiale meines alten Arbeitgebers, der Großhandlung Bumke mit Hauptsitz in Hannover, zu sehen. Dann, beim Weitergehen, halte ich mich geraume Zeit in Adelheidsdorf auf. Zuerst habe ich den Eindruck, dass dieser lang gestreckte Ort nur aus der Straße mit den anliegenden Häusern besteht und es dauert, bis ich endlich den Dorfkern erreiche. Bis Ehlershausen gehe ich ein Stück an der Bundesstraße 3 entlang. Es handelt sich um einen Stadtteil von Burgdorf und somit habe ich nun den Landkreis Region Hannover erreicht.
Leider bewölkt sich der Himmel immer mehr und auch die ersten Tropfen fallen herunter, aber nur für einen kurzen Moment und mein Regencape braucht nicht ausgepackt zu werden. Über Flaatmoor marschiere ich nach Obershagen. Gerne hätte ich unterwegs eine Rast eingelegt, aber Sitzmöglichkeiten, geschweige denn ein Café oder ein Lokal, treffe ich nicht an bzw. finde ich nicht vor. Abgeerntete Maisfelder, Wiesen und gepflügtes Land liegen zu beiden Seiten des Weges. Kurz vor Weferlingsen hält eine freundliche Dame an und fragt, ob sie mich ein Stück mitnehmen könne. Gerne hätte ich das Angebot angenommen, denn momentan bewege ich mich auf einer geteerten Landstraße ohne Bürgersteig oder Fußweg und die Autos und Lastwagen lassen kein relaxtes Wandern zu. Aber dann hätte ich mich selbst betrogen. Nachdem Sorgensen hinter mir liegt sind es nur noch ein paar Kilometer bis Burgdorf. Im „Hotel am Försterberg“ lasse ich den Tag ausklingen.
05.11.2014 Burgdorf bis Sehnde 17 km
Nach einem gemütlichen Frühstück setze ich den Weg fort. Die freundliche Dame an der Rezeption empfiehlt mir, den Depenauerweg einzuschlagen, um nicht an der Bundesstraße 443 entlang gehen zu müssen. Es ist trübe, aber trocken, und so wird es, von einigen Tropfen abgesehen, den ganzen Tag bleiben. Am Friedhof vorbei gehe ich weiter und sehe den Auehof. Ein Schild teilt mit, dass hier Tiere betreut werden.
Am Ortseingang von Steinwedel schaue ich mir für kurze Zeit ein Wildgehege an. Später frage ich zwei ältere Damen nach einem schönen Wanderweg nach Lehrte und sie erklären mir auch freundlich und fachkundig die weitere Strecke. Aber wir müssen uns missverstanden haben, denn nun erreiche ich nach etwa vier Kilometern den Ortskern von Steinwedel und bin vielleicht 300 Meter Luftlinie weiter gekommen. So orientiere ich mich nach Aligse und gehe dann auf einem Fahrrad- und Fußgängerweg parallel zur B 443 nach Lehrte. Obwohl bis Sehnde, meinem heutigen Tagesziel, nur noch etwa acht Kilometer vor mir liegen, ernte ich auf Nachfragen nach einem ordentlichen Fußweg nur ein ungläubiges Kopfschütteln. Auf den Feldern, an denen ich nun vorbeigehe, warten riesige Zuckerrübenhaufen auf Abholung und Weiterverarbeitung.
Gegen 13.00 Uhr erreiche ich Sehnde, fahre mit dem Bus 371 nach Hannover-Ahlten, mit der S 7 zum Hauptbahnhof und bin danach pünktlich zum Doppelkopf in Neustadt am Rübenberge.
15.12.2014 Sehnde bis Hildesheim 22 km
Mein Auto parke ich auf einem Kaufhausparkplatz im Zentrum von Sehnde. Der Wetterbericht hatte bedecktes Wetter mit einigen Schauern angekündigt, aber es regnet fast den ganzen Tag. Nicht stark aber beständig. Am Ortsausgang meine ich, dass die Stange mit dem „Schilderwald“ verdreht wurde und frage vorsichtshalber eine Frau, die ihren Hund Gassi führt, nach dem richtigen Weg. Als sie hört, dass es bis Hildesheim geht, antwortet sie: Oh, ist das cool! Nachdem ich den Mittellandkanal überquert habe, erreiche ich den Ort Bolzum mit einer historischen Schleuse und dem Alten Rittergut. Hinter Lühnde werde ich auf übelste Weise von einem LKW-Fahrer beschimpft, angeblich musste er meinetwegen anhalten, obwohl, da bin ich mir ganz sicher, ich Vorfahrt hatte. Meine Antwort scheint ihm nicht zu passen und ich bin froh, dass er aufs Gas drückt und sich davon macht. Über Tiefenbach geht es durch Algermissen. Von Harsum sehe ich nicht viel, denn der Weg führt um den Ort herum.
In Hildesheim steuere ich das Creditreform-Büro an und besuche einen alten Kollegen. Er fährt mich anschließend zum Bahnhof, der gerade umgebaut wird. Sechs Busfahrer können mir nicht erklären, wie ich am besten zurück nach Sehnde komme, also nehme ich lieber die S-Bahn. Beim Einlösen der Fahrkarte sehe ich, dass sich der Zug gerade in Bewegung setzt, also darf ich noch eine Stunde warten.
30.04.2015 Hildesheim bis Grafelde 23 km
Ausnahmsweise streikt die GdL nicht und so nehme ich den Zug bis Hildesheim. Erwartungsvoll gehe ich am Dom und an schönen alten Fachwerkhäusern vorbei und sehe dann eine alte Brücke aus dem Jahre 1790. Etwas weiter erkenne ich eine Frauen-Haftanstalt. Rund 100.000 Einwohner wohnen in der Stadt, die auch Sitz des Bistums Hildesheim ist. Auf der Landstraße geht es weiter nach Hildesheim-Ochtersum. Gelbe Rapsfelder leuchten in der Sonne, die sich hin und wieder blicken lässt. Leider ist es nun mit dem bequemen Gehen in der Norddeutschen Tiefebene vorbei. Die Gegend wird hügeliger und ich merke meine Konditionsdefizite. Manchmal regnet es etwas. Mein Navi lenkt mich durch eine sehr angenehme Waldlandschaft nach Petze, von dort auf gemütlichen Waldwegen nach Westfeld. Nun dauert es nicht mehr lange, bis ich das Landhotel „Zur Linde“ in Adenstedt-Grafelde erreiche. Es ist noch geschlossen, aber ich kann den Inhaber telefonisch erreichen. Leider wird die Gastronomie nur am Wochenende betrieben und eine andere Gaststätte oder ein interessantes Restaurant sind nur mit Taxi erreichbar. Der Chef erklärt sich bereit, mir ein Schnitzel zu braten und stellt mir ein paar Flaschen Bier hin. So solide bin ich lange nicht in den Mai hineingeschlittert.
01.05.2015 Grafelde bis Kreiensen 24 km
Nach einem guten Frühstück mache ich mich auf den Weg. Der freundliche Hotelier bietet mir an, doch etwas Wegeszehrung mitzunehmen. Wieder geht es kleine Berge hinauf und ich bin ordentlich am Schnaufen. Auf dem Rennstieg begegnen mir einige Wanderer. Eine Schnecke ist mit ihrem Haus unterwegs. Am Sportplatz Adenstedt vorbei geht es weiter nach Winzenburg. Unterwegs komme ich an der Irmenseul Schutzhütte vorbei. In Klemp verlasse ich mich wieder auf mein Navi, jedenfalls zunächst. Als ein Baumstamm den ohnehin nicht gut erkennbaren Weg versperrt empfange ich kein Signal mehr und weiß nicht mehr weiter – und das nach einem viertelstündigen Aufstieg. Missmutig kehre ich um und frage in Schildhorst nach dem richtigen Weg. Ein hilfsbereiter Mann empfiehlt, an der Leine entlang zu gehen. Und so erreiche ich ein paar Minuten später den Leine-Heide-Radweg, eingerahmt von der Leine und den Eisenbahngleisen. Nun sind nur noch acht Kilometer auf angenehmer gerader Strecke ohne Berge und Hügel zu bewältigen. Heute ist es trocken, im wahrsten Sinne des Wortes, denn bisher bin ich, genau wie gestern, an keinem Lokal vorbeigekommen, um mich etwas zu erfrischen. Erzhausen lasse ich rechts liegen und wandere durch Beulshausen, das zur Stadt Einbeck gehört. Ein kleiner Friedhof mit elf Grabsteinen liegt am Ortseingang. Und dann ist endlich Kreiensen im Landkreis Northeim, größter Ortsteil der Stadt Einbeck, erreicht, früher bedeutender Eisenbahnknotenpunkt. Nun befinde ich mich also im Leineberg- bzw. im Harz- und Sollingvorland. Mit dem Zug geht es nach Hause zurück. Eine Gruppe junger Männer aus Nordstemmen hat gewaltig ins Glas geschaut und ist im Abteil nicht zu überhören.
21.05.2015 Kreiensen bis Northeim 21 km
Wieder einmal streiken die Lokführer, deshalb fahre ich mit dem Auto nach Kreiensen und stelle mein Fahrzeug dann an einer kleinen Nebenstraße ab. Nach kurzem Marsch erreiche ich den Ort Billerbeck mit einer malerischen Wassermühle. Kurz vor Haieshausen biege ich scharf nach links und wandere auf einem Feldweg einem einsamen Reiter nach, vorbei an einem kleinen Friedhof auf einer Anhöhe. Gelbe Rapsfelder leuchten von den Berghängen, es ist ein schönes Bild. In der Ortsmitte von Opperhausen wurde ein langer Maibaum aufgestellt, in einem Garten die Flagge von Hannover 96 gehisst. Ob diese Mannschaft übermorgen noch in der 1. Bundesliga verbleiben wird? Wir werden sehen. Einige Bauern sind bei der Heuernte. Als nächsten Ort erreiche ich Ahlshausen und bin somit noch immer im Stadtgebiet von Einbeck. Mein Navigationsgerät empfiehlt einen Weg an den Bahngleisen entlang. Obwohl ein Schild „Benutzung verboten“ aufgestellt ist, entscheide ich mich für diese Strecke und werde auch nicht aufgehalten oder zurückgeschickt. Einmal überholt mich ein Zug, und das an einem Streiktag. In Edesheim biege ich auf einen Fahrradweg und gehe entlang der viel befahrenen B3, dieser Weg ist nicht unbedingt empfehlenswert. Beim Anblick des Schildes „Truck Stop“ werden meine Lebensgeister wieder wach, denn es ist das erste Lokal auf der Strecke, seit ich in Kreiensen losgegangen bin. Aber dieses Gasthaus existiert nicht mehr, ebenso wenig die „Verwöhnoase“ nebenan. Dafür hat die benachbarte Aalräucherei geöffnet und im Restaurant erhole ich mich einen Augenblick. Bei schönem Sonnenschein erreiche ich Northeim und belege mein Zimmer im Hotel „Deutsche Eiche“.
Die Stadt gefällt mir. Alte Fachwerkhäuser schmücken die Innenstadt, allerdings sind hier auch viele Leerstände zu beklagen. Gegenüber der mit Efeu bewachsenen Klosterschenke erhebt sich ein schön verziertes Haus, das den Ratskeller beherbergt, aber auch dieses Lokal wird nicht mehr bewirtschaftet. Ein paar Schritte weiter erinnert ein Schild daran, das in diesem Haus der frühere niedersächsische Ministerpräsident Georg Diederichs geboren wurde. Während seiner Amtszeit war er einmal Ehrengast beim damals noch über die Grenzen hinaus bekannten Nendorfer Erntefest. Nach einer kurzen Pause im „Cutter´s Club“ gönne ich mir zum Abendessen Spargel mit Dalmatiner Schinken im Restaurant „Goldener Löwe“. Beim Absacker an der Hotelbar staune ich über ein lange nicht mehr erlebtes Phänomen: man unterhält sich verbal und das Handy oder Tablet bleibt in der Tasche.
22.05.2015 Northeim bis Göttingen 22 km
Die erste Hälfte der heutigen Strecke ist eher langweilig, denn sie führt wieder an der lauten B3 entlang. Dafür meint es der Wettergott gut mit mir und die Sonne begleitet mich bis zum Schluss. Ist es anfangs noch etwas kühl, so zeigt das Thermometer gegen Mittag 18 Grad an. Der Bahnstreik ist vorbei und im Minutentakt beobachte ich Personen- und Güterzüge im Einsatz. Als erstes streife ich den Ort Sudheim. Am Wegesrand wird Nienburger Spargel feilgeboten. Vor Nörten-Hardenberg fallen mir die riesigen Felder mit Sonnenkollektoren auf. Die Stadt ist festlich geschmückt, denn in diesen Tagen findet der „Große Schüttenhoff“ statt, ein Traditionsfest mit Ausmarsch.
Jetzt geht es auf kleineren Straßen weiter bis Angerstein. Der Flecken Bovenden, den ich als nächstes erreiche, befindet sich schon im Landkreis Göttingen. Punkt 12.00 Uhr erreiche ich die Stadt Göttingen, jetzt trennen mich nur noch ein paar Kilometer vom Bahnhof. Ein junges Paar erklärt mir den Weg dorthin, stellt mir aber im Anschluss zu viele persönliche Fragen und als es dann noch um 50 Euro bittet, verschwinde ich vorsichtshalber im Supermarkt und kaufe mir eine Erfrischung. Zurück nach Kreiensen nehme ich den Zug.
28.05.2015 Göttingen bis Witzenhausen 33 km
In der Straßenbahn, mit der ich zum Bahnhof fahre, werden die Fahrscheine kontrolliert und zwei Personen haben wohl das Bezahlen vergessen, müssen sich legitimieren und 40 Euro abdrücken. Der ICE fährt pünktlich los.
In Göttingen sehe ich mir zunächst das Gänselieseldenkmal an, auch wenn es konträr zur geplanten Wegstrecke steht, dann geht es südwärts. Nachdem ich die Leine überquert habe, laufe ich an den Anlagen des Kleingartenvereins „Am Kiessee“ vorbei und danach an besagtem See. Einige Boote dümpeln im Wasser. Hinter Rosdorf höre ich den ersten Kuckuck. Ein toter Maulwurm liegt auf dem Feldweg, der sich gemütlich durch verblühende Raps- und grüne Roggenfelder zieht. Über Obernjesa gelange ich nach Klein Schneen, im Bahnhof wartet ein Güterzug nur mit Holzstämmen beladen auf die Weiterfahrt. Auch in diesem Ort weht eine Hannover 96-Flagge im Wind. Dann endlich erreiche ich Friedland, bekannt als Grenzdurchgangslager für Vertriebene aus den ehemals deutschen Ostgebieten, und lege im „Boxenstop“ eine notwendige Pause ein. In der Stadt befindet sich eine landwirtschaftliche Versuchsanlage der Universität Göttingen. Vor vielen Jahren hatte ich beim Jobben während der Semesterferien das Glück, einen Futtermitteltransport hierhin zu begleiten.
Leider orientiere ich mich dann falsch und lande in Elkershausen. Missmutig gehe ich zurück und bis Hebenshausen direkt an der B 28 entlang. Manchmal ist ein Fuß- oder Radweg neben der Fahrbahn angebracht, aber halt nicht immer. Und dann dieser Verkehr! Zu allem Überfluss setzt auch noch der Regen ein. In Unterrieden überquere ich die Werra auf einer malerischen Holzbrücke und dann, endlich, ist Witzenhausen erreicht – nun befinde ich mich in Hessen. Im Hotel „Stadt Witzenhausen“ werde ich die nächste Nacht verbringen. Zum Abendessen gehe ich ins Gasthaus „Zur Krone“. Einer Wandmalerei nach sind hier die Gebrüder Grimm im Jahre 1837 ebenfalls eingekehrt. Die Innenstadt wird durch schöne alte Fachwerkhäuser geprägt, aber auch hier sind Leerstände zu verzeichnen. Einige Lokale haben geschlossen. Zurück im Hotel sehe ich mir noch den Schluss des Relegationsspiels HSV-KSC an.
Ein Video über diesen Teil der Wanderung kann bei YouTube unter
https://www.youtube.com/watch?v=rYny2S7iokk&t=25s
angeschaut werden, viel Spaß!