Auf nach Nordfriesland
Föhr
Es regnet, als ich im September 2017 in Dagebüll auf die Fähre gehe. Im Hafen von Wyk wartet schon ein Bus, mit dem ich ins etwa sechs Kilometer entfernte Nieblum fahren werde. Doch diesen Ort erreiche ich erst eine knappe Stunde später, denn mein Bus fährt nicht den direkten Weg, sondern steuert erst die anderen Gemeinden Wrixum, Oevenum, Alkersum, Oldsum und Borgsum an. Andersrum gesagt, erst nach einer sehr informativen Inselrundfahrt erreiche ich meinen Zielort, spanne den Schirm auf und suche das „Café Osterheide“ im Heidweg. Hier hatte ich vor Tagen ein Zimmer für zwei Nächte reserviert. Es liegt am Ortsausgang und in der Nähe des weiten Strandes.
Föhr ist rund 12 Kilometer lang, sieben Kilometer breit und somit zweitgrößte deutsche Nordseeinsel, nur Sylt ist größer. Von den etwa 8.600 Einwohnern leben 4.300 in Wyk, der Rest in den übrigen 16 Dörfern, davon etwa 600 in „meiner“ Ortschaft Nieblum.
In meinem Reiseführer wird dieser Ort als berühmtestes Dorf der Insel, als Vorzeigedorf bezeichnet, besonders wegen der zahlreichen Reetdachhäuser gilt Nieblum sogar als eines der schönsten Dörfer Schleswig-Holsteins. Das muss natürlich überprüft werden und mit einem Schirm ausgestattet mache ich mich auf den Weg zur ersten Erkundung.
Und es stimmt, die zahlreichen Kapitänshäuser, zumeist von einem Friesen- oder Steinwall eingerahmt und viele Eingänge mit Rosen verziert, sind wirklich eine Pracht für sich und eignen sich hervorragend als Fotomotiv. Etwa 60 dieser teils über 300 Jahre alten Häuser verleihen dem Ort diese einzigartige Note, viele der schmucken Friesenhäuser beherbergen ein Restaurant, ein Café oder ein anderes Geschäft. Leider hat der Regen wieder eingesetzt und so lege ich eine Pause in einem dieser heimeligen Kapitänsheime ein, bestelle mir eine Tasse Friesentee und ein Stück Kuchen.
Nachdem sich der Regen etwas beruhigt hat, gehe ich zurück zur Pension und dann weiter zum Strand. Hier bin ich, vermutlich wegen des unwirtlichen Wetters, einziger Gast. Später gesellen sich ein paar Unentwegte dazu, setzen sich in einen der zahlreichen Strandkörbe oder lassen die Drachen fliegen – Wind ist genug vorhanden. Ein idealer Platz zum Wandern, Muscheln suchen, Baden oder einfach nur Faulenzen. Zum Abendessen gehe ich ins zentral gelegene Restaurant „Zum Schlachter“ und bestelle mir, auch wenn der Name es nicht vermuten lässt, eine regionale Fischplatte.
Anderntags hat sich das Wetter leider nicht verbessert, im Gegenteil, es ist noch stürmischer geworden. Ich schlendere durch den Ort, trinke hier und da einen Kaffee oder ein Glas Tee, sehe mir die Auslagen der Souvenirgeschäfte an und lande schließlich bei der St. – Johannis- Kirche. Das auch „Friesendom“ genannte Gotteshaus, das größte auf der Insel, liegt im Norden von Nieblum auf einem kleinen Hügel an der Stelle, wo sich die Geest in Marschland verändert. Gut 1.000 Gäste finden Platz im reichlich ausgestatteten Innenraum. Der Marienaltar und ein aus Granit gemeißelter Taufstein sind hier wohl die Hauptattraktion. Ein Friedhof wurde rund um die Kirche angelegt und viele „sprechende Steine“ berichten über das Leben der hier bestatteten Seefahrer.
Beim Weitergehen ärgere ich mich über den viel zu starken Autoverkehr. Immer wieder muss ich zur Seite springen, um nicht nass gespritzt zu werden. Mir scheint, jeder auswärtige Gast ist mit seinem PKW unterwegs, dabei gibt es einen so gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr. Und der Regen wird immer heftiger, sodass ich Schutz in einem Pavillon am Ufer des kleinen Stadtsees „de Meere“ suche und abwarte, dass der Niederschlag geringer wird.
Meine Pensionswirtin warnt zwar vor dem Wetter, dennoch mache ich mich nachmittags zu Fuß auf den Weg nach Wyk, der so genannten Inselhauptstadt, schließlich sind nur sechs schlappe Kilometer zu bewältigen. Doch auf halber Strecke mutiert der Wind zum Orkan, heftiger Regen prasselt auf mich ein und der Schirm ist mittlerweile total zerfleddert und unbrauchbar. In Wyk angekommen orientiere ich mich sofort zum Hafen in der Hoffnung, dort ein Taxi zu finden, denn eine Rückfahrt im Bus kommt wegen meiner total nassen Kleidung nicht mehr in Betracht. Aber wohin ich auch schaue, es ist kein Auto in Sicht, eine Fähre dümpelt im Wasser, aber kein Mensch ist unterwegs. Dann, ich mag es gar nicht glauben, kommt doch ein Taxi herangesaust, ich steige ein, frage aber vorher, ob ich mit meinen triefenden Klamotten den Sitz belegen darf. Der Fahrer hat nichts dagegen und so machen wir uns auf den Weg nach Nieblum.
Vom Chauffeur erfahre ich, dass der Fährverkehr wegen des gewaltigen Sturms eingestellt werden musste und heute keine Möglichkeit mehr besteht, aufs Festland zu kommen. Auch er beklagt sich über den immer heftigeren Verkehr auf der Insel.
Nach einer warmen Dusche gehe ich wieder ins Dorf und suche mir einen Platz im „Alten Landhaus“. Fast alle Tische sind besetzt, man hätte doch besser reservieren sollen. Auch dieses urige Haus ist mit Reet bedeckt und empfängt uns im friesischen Ambiente. Wohlig gesättigt mache ich mich rechtzeitig auf den Heimweg, schließlich möchte ich morgen mit der ersten Fähre aufs Festland fahren, wer weiß, wie sich das Wetter noch entwickeln wird …