Auf nach Nordfriesland
Amrum
Im Mai 2018 geht es erneut für ein paar Tage nordwärts. Mein Auto stelle ich wiederum auf dem Inselparkplatz Dagebüll ab, erwerbe für 18,- Euro ein Fährticket für Hin- und Rückfahrt, kaufe mir ein Fischbrötchen und warte entspannt auf die Abfahrt. Das Wetter könnte nicht besser sein, strahlendblauer Himmel und warmer Sonnenschein. Spötter werden später posten, dass dieses Wetter seit dem HSV-Abstieg vorherrscht. Während der rund 90-minütigen Überfahrt, es geht direkt nach Amrum, stehe ich permanent an der Reling und genieße das Nordseepanorama. Eine Robbe schaut neugierig aus dem Wasser, einmal schwimmt ein delphinartiges Tier in sicherer Entfernung an uns vorbei. Ein Mitreisender meint, dass es sich um einen Schweinswal gehandelt haben könnte. Die Insel liegt rund 25 Kilometer vom Festland entfernt und es herrscht, so lese ich, echtes Nordseeklima mit heilklimatischer Wirkung. Aber auch der Kniepsand, der die Westküste umschließt, ca. 15 Kilometer lang und 1,5 Kilometer breit, stellt einen Anziehungspunkt für Amrum dar. Es soll sich um einen der breitesten Strände Europas handeln. Meine Pension in Wittdün ist zu Fuß schnell erreicht, der überaus freundliche Geschäftsführer des „Haus Südstrand“ zeigt mir mein Zimmer und gibt mir ein paar Tipps und Ratschläge für die nächsten Tage.
Dann zieht es mich gleich an den phänomenalen Südstrand. Sand soweit das Auge reicht, doch es ist erstaunlich wenig los, vielleicht hadern die Besucher mit der Sonne, die unbarmherzig vom Himmel brennt. Mich stört es nicht, ich freue mich, bei so genialem Sommerwetter auf der Insel sein zu können und marschiere weiter bis zum Leuchtturm. Aber, so lese ich am Eingang, er ist täglich nur ein paar Stunden geöffnet und seine Pforten sind für heute geschlossen. So wandere ich zurück, streune eine Weile durch die Dünen und erfrische mich schließlich vor einem Lokal an der Hauptstraße.
Abends gehe ich zum vom Pensionswirt empfohlenen Restaurant „Seefohrer Hus“ und labe mich an frischem Fisch, wobei ein kühler Weißwein natürlich nicht fehlen darf. Es erstaunt mich, dass ich nach einer guten halben Stunde der einzige Gast bin, denn das Essen schmeckt mir sehr gut, das Lokal ist urig in bunten Hafenschuppen am Seezeichenhafen untergebracht und nur ein paar Gehminuten vom Wittdüner Zentrum entfernt. Den Tag beende ich in der „Blauen Maus“. Diese traditionelle Seglerkneipe scheint jedem Amrum-Besucher bekannt zu sein, nicht nur wegen der über 300 Whiskysorten, die hinter der Theke aufgereiht sind. Der Wirt und Inhaber ist so alt wie ich und so fehlt es uns nicht an Gesprächsstoff. Er streift mit mir durch das Lokal und erklärt mir die Requisiten, wie z. B. maritime Gerätschaften und eine Riesenschildkröte. So erfahre ich aus berufenem Munde, wer wann und von wo die einzelnen Ausstellungsstücke besorgt und hinterlassen oder gespendet hat. Nachdem wir mit einem über 50 Prozent starken Whisky angestoßen haben ist es Zeit für den Heimweg.
Den nächsten Morgen beginne ich mit einem vorzüglichen Frühstück in der Pension. Danach geht es wieder durch die Dünen zum Leuchtturm, dem „Seefeuer Amrum“. Das knapp 42 Meter hohe rot-weiß geringelte Gebäude erhebt sich westlich von Wittdün und gehört schon zur Gemeinde Nebel-Süddorf. Nachdem ich Eintritt entrichtet habe gehe ich zum auf einer Düne erbauten Wahrzeichen der Insel und quäle mich auf einer engen Wendeltreppe die 164 Stufen hinauf – aber es lohnt sich. Oben angekommen hat man eine phänomenale Aussicht auf Amrum, auf die Nordsee, die Nachbarinsel Föhr und auf das Festland. Meiner Eintrittskarte entnehme ich, dass die Tragweite des Seefeuers 23,3 Seemeilen beträgt, was etwa 43 Kilometern entspricht.
Nun ist es nicht mehr weit bis Nebel. Auf der Hauptstraße stört mich der Autoverkehr ein wenig und ich verstehe nicht, dass viele Urlauber ihren PKW mit auf die Insel genommen haben, denn der Inselbus verbindet alle Ortschaften fast im Stundentakt. Allerdings war der private Fahrzeugandrang im letzten Jahr auf Föhr, siehe oben, erheblich stärker. Aber der Ort mit den reetgedeckten Häusern gefällt mir, ein Friesendorf, wie man es sich vorstellt. Nach einer kleinen Pause in einer Teestube sehe ich mir die St.-Clemens-Kirche an. Sie wurde in einer kleinen Senke errichtet und hatte viele Jahre keinen Kirchturm. So war das Gotteshaus nicht weithin sichtbar und vermittelte Seeräubern den Eindruck, die Insel sei unbewohnt und somit uninteressant. Der mit einem so genannten Friesenwall einbefriedigte Kirchhof ist wegen seiner „sprechenden“ Grabsteine interessant. Man kann auf ihnen nachlesen, was der, nicht unvermögende, denn nur diese Familien konnten sich diese Ausgabe leisten, Verstorbene in seinem Leben bewirkt und angestellt hat.
Anschließend orientiere ich mich zum Ortsausgang und sehe mir die auf der höchsten Erhebung des Dorfes errichtete reetgedeckte Mühle an. Sie wurde im Jahre 1771 erbaut, wenn man einer Angabe auf einem „sprechenden“ Grabstein Glauben schenken darf. Bis 1964 war sie in Betrieb und soll auch heute noch funktionstüchtig sein. Daneben befindet sich ein kleines Heimatmuseum. Als letztes besuche ich noch das Öömrang Hüs, ein ebenfalls reetgedecktes ehemaliges Kapitänshaus aus dem Jahre 1726. Heute zeigt es den Gästen als Heimatmuseum, wie wohlhabende Familien früher gewohnt haben.
Zufrieden mache ich mich auf den Heimweg und gehe an der Ostküste entlang, immer an der Nordsee, über Steenodde zu meiner Pension zurück. Unzählige Enten und andere Wasservögel belagern das Küstengewässer. In Wittdün angekommen, spaziere ich langsam am Nordstrand vorbei und stärke ich mich dann in der „Butze“, einem urigen Fischimbiss ohne Sitzgelegenheit, abgesehen von einer Bank im Eingangsbereich. Aber es schmeckt hervorragend. Optimal ausgeruht mache ich mich dann auf den Weg zur Kapelle, ich hatte sie zuvor schon einige Male gesehen. Ihre Glocke wird noch mittels eines Seiles zum Läuten gebracht. Im Innenraum kann man Bilder mit Schiffbrüchigen und ein an der Decke hängendes kleines Segelschiff bewundern.
Zwar scheint die Sonne noch wie an den Tagen zuvor, aber ein kühler Wind ist aufgekommen und ich freue mich, einen Anorak dabei zu haben. Bis zum Dünensee Wriakhörn ist es nicht mehr weit, ein Bohlenweg führt direkt zu ihm. Er wurde mitten in den Dünen künstlich angelegt und hat sich zu einem Eldorado für viele Vogelarten entwickelt.
Abends ist es noch windiger und doch recht kühl geworden. Zum Abendessen gehe ich ins „Stadl am Meer“ und verbringe die restlichen Stunden im „Klabautermann“. Ein paar Herren aus Baden-Württemberg leisten mir an der Theke Gesellschaft. Sie sind schon häufiger auf Amrum gewesen und freuen sich, mit mir darüber sprechen zu können. Sollte ich noch einmal wiederkommen, werde ich dieser gemütlichen Kellerbar im maritimen Flair bestimmt wieder einen Besuch abstatten.
Am nächsten Morgen nehme ich die Fähre um 9:30 Uhr. Es ist kühl und diesig. Heute wird auch der Hafen von Föhr angelaufen, bis wir nach ca. zweistündiger Fahrt in Dagebüll ankommen. 15,00 Euro zeigt der Kassenautomat im Inselparkhaus an. Ein Betrag, den ich gerne bezahle.